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Unterstützung Hilfspolizisten in Sachsen-Anhalt: Christian Glimm darf blitzen, aber nicht stoppen

Von Oliver Müller-Lorey 07.12.2016, 12:00
Hilfspolizist Christian Glimm beim Einsatz an der Radarpistole
Hilfspolizist Christian Glimm beim Einsatz an der Radarpistole Oliver Müller-Lorey

Stendal - Als Christian Glimm vor sechs Monaten seine Ausbildung zu Sachsen-Anhalts erstem Hilfspolizisten antrat, machte er einen Fehler: In einem MZ-Interview träumte er öffentlich schon von der Zeit danach und verriet: „Dann hätte ich auch eine Dienstwaffe.“ So ließ er nicht nur viele Leser an seiner beruflichen Eignung zweifeln, sondern offenbarte auch, dass der Job als Hilfspolizist für ihn nur eine Durchgangsstation ist - ein Sprungbrett in den richtigen Polizeiberuf mit scharfer Waffe im Holster. Wasser auf den Mühlen derer, die die Hilfspolizisten schon damals als Beamte zweiter Klasse ablehnten und ihnen vorwarfen, „echten“ Polizisten nicht gerecht zu werden.

Hilfspolizist in Sachsen-Anhalt: Christian Glimm will von der Dienstwaffe nichts mehr wissen

Sechs Monate später will der 30-Jährige von der Dienstwaffe nichts mehr wissen, oder es wurde ihm nahegelegt, den Wunsch danach zumindest für sich zu behalten. „Bei dem Aufgabenfeld fehlt eine Schusswaffe nicht. Es gab noch keine Situation, in der man die gebraucht hätte“, sagt Glimm. Und auch einen Schlagstock, fügt er hinzu, habe er noch nicht vermisst.

Doch über den zweijährigen Job als Hilfspolizist durch die Hintertür in den richtigen Polizeiberuf einsteigen - das will Glimm noch immer. Bei Ausbildungsbeginn habe man ihm und seinen Kollegen schon mündlich mitgeteilt, dass sie eine weitere Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst, sprich „echten“ Polizisten, anschließen könnten. Vor kurzem sei dann noch eine entsprechende schriftliche Mitteilung des Innenministeriums herausgegeben worden, erzählt Glimm. Zwei Jahre Zähne zusammenbeißen für den Traumberuf Polizist - das ist es, was ihn antreibt.

Revier Stendal: Hilfspolizist Christian Glimm macht Jagd auf Raser

Da nimmt er auch in Kauf, dass die Arbeit als Hilfspolizist schonmal ganz schön dröge sein kann. So wie an einem eiskalten Novembermorgen an einer Hauptstraße in Tangermünde (Landkreis Stendal). Glimm ist seit drei Monaten mit drei anderen Hilfspolizisten im Revier Stendal eingesetzt und macht in der ländlichen Region Jagd auf Raser. Heute zusammen mit einem anderen Hilfspolizisten vorm Tangermünder Gymnasium. Doch es läuft nicht gut. Sein Atem wird in der kalten Luft zu Dampf, ab und zu schimpfen alte Damen auf Fahrrädern, weil sie um Christian Glimm, der sich auf dem Radweg aufgestellt hat, herumfahren müssen. Mit seiner neongelben Uniform, die sich bis auf die blauen Schulterstücke nicht von den normalen Polizei-Jacken unterscheidet, ist er einfach viel zu auffällig. Nach anderthalb Stunden hat er nicht einen einzigen Autofahrer erwischt. Davon lässt er sich nicht aus der Fassung bringen und ist selbst für den einen oder anderen Scherz aufgelegt.

Hilfspolizisten dürfen Autofahrer nicht stoppen

Ohnehin: Anhalten dürfte Glimm sowieso niemanden. Weder er, noch die 19 anderen Hilfspolizisten dürfen Autofahrer stoppen oder ihre Personalien aufnehmen. Deshalb begleiten zwei Regionalbereichsbeamte Glimm und seinen Kollegen an diesem Morgen. Weil die nicht immer Zeit haben, sitzt Glimm meistens mit einem anderen Hilfspolizisten in einem blauen Kombi, der ein Radargerät im Kofferraum hat. Blitzen ohne anzuhalten, das dürfen sie.

Die jeweils zwei Hilfs- und „echten“ Polizisten sind an diesem kalten Morgen nicht allein. Während des Pressetermins weicht die stellvertretende Pressesprecherin des Stendaler Reviers, Christiane Bergande, nicht von Glimms Seite. „Das hat aber nichts mit seiner Stellung als Hilfspolizist zu tun“, sagt sie. „Solche Medientermine werden immer begleitet.“ Im Stendaler Revier, das vor einem Monat in die Schlagzeilen geriet, weil drei der dort arbeitenden Polizisten sogenannte Reichsbürger waren, will man nicht schon wieder schlechte Presse - auch wenn unter den Reichsbürgern kein Hilfspolizist war.

Polizei-Pressesprecherin zu Hilfspolizisten: „Wir sind dankbar, dass wir sie zur Entlastung haben.“

„Die Hilfsbeamten sind eine willkommene Verstärkung“, sagt Christiane Bergande. „Wir sind dankbar, dass wir sie zur Entlastung haben.“ So könnten sich die Beamten im Vollzugsdienst, also die gewöhnlichen Polizisten, wieder mehr um den Kontakt mit den Bürgern kümmern. Ob sie im Revier nicht lieber „echte“ Polizisten bekommen hätten, die auch in der Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden können? Die Pressesprecherin lächelt, überlegt einen Augenblick und wiederholt mit gleichen Worten, dass sie im Revier froh über die Verstärkung seien. Wenig später, als das Pressefoto gemacht werden soll, zupft sie aus Glimms Uniform noch ein paar kleine Falten, die wohl weder ihm noch den meisten anderen aufgefallen wären.

Christian Glimm scheint es nichts auszumachen, dass sein Aufgabenfeld so begrenzt ist. In der ländlichen Region rund um Stendal dauern die Fahrten zu den Messstellen schon einmal eine Stunde. Sehen Glimm und seine Kollegen während dieser Zeit einen anderen Autofahrer mit Handy am Ohr, dürfen sie nicht einschreiten - allenfalls freundlich auf das Handyverbot am Steuer hinweisen.

Christian Glimm wird von seinen Kollegen vollkommen akzeptiert

Ob ihn das stört? „Überhaupt nicht“, sagt der Mann mit Drei-Tage-Bart und Brille. „Es war ja von Vorneherein klar, dass wir hauptsächlich Geschwindigkeitsüberprüfungen machen.“ Die Arbeit mache ihm großen Spaß, von den Kollegen seien er und die anderen Hilfspolizisten vollkommen akzeptiert. So gibt es auf der Wache für sie auch keine Sonderbehandlung: Hilfs- und „normale“ Polizisten schreiben ihre Protokolle in denselben Räumen, ziehen sich gemeinsam um und begegnen sich auf Augenhöhe. „Da gibt’s überhaupt keine Unterschiede. Wir sind alle ein Team, und die Akzeptanz ist da“, sagt Glimm. Über eine Chat-Gruppe hält er Kontakt zu den anderen Hilfspolizisten, die er während seiner Ausbildung kennengelernt hat. Auch die könnten nur Positives berichten. Und Verbrecherjagd, Demonstrationen, Streifendienst - „Das machen wir doch in anderthalb Jahren, wenn wir die normale Ausbildung machen“, sagt Glimm. Die Dienstwaffe erwähnt er diesmal lieber nicht. (mz)