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Absturz bei Wahlen und Umfragen Die Linke kämpft ums Überleben - wie die Partei in Sachsen-Anhalt einen neuen Kurs sucht

Früher war sie die Oppositionsführerin, heute wird Sachsen-Anhalts Linkspartei von AfD und BSW verdrängt. Auf dem Parteitag in Magdeburg suchen die Genossen einen neuen Kurs. Die alte Führung aber bleibt.

Von Jan Schumann Aktualisiert: 08.09.2024, 17:10
Sachsen-Anhalts Linkspartei sucht auf dem Parteitag in Magdeburg einen neuen Kurs.
Sachsen-Anhalts Linkspartei sucht auf dem Parteitag in Magdeburg einen neuen Kurs. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Magdeburg/MZ - Jetzt spricht die Frau, die den neuen Aufbruch verkörpern soll. Ines Schwerdtner ist in diesem Moment voll des Lobes für ihre Genossen: Die Linken-Mitglieder hätten großen Einsatz gezeigt im Europa- und Kommunalwahlkampf, ob in Fußgängerzonen oder bei Grillfesten. Doch angesichts schwacher Ergebnisse wird Schwerdtner jetzt ernst auf dem Parteitag in Magdeburg: „Wir müssen sagen, dass wir unserem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht werden“, sagt die 35-Jährige. Sie wolle es nicht noch einmal erleben, dass die Linke um den Einzug in Parlamente fürchten müsse – insbesondere in Ostdeutschland.

Deshalb legt Schwerdtner mit Kritik nach. „Wir müssen auch sagen, dass wir uns in den vergangen Jahren zu viel mit uns selbst beschäftigt haben.“ Und: „Das Haus brennt. Wir sind jetzt gerade dabei, diesen Brand zu löschen.“

Wahlergebnisse der Linkspartei brachen zuletzt ein

Die Linkspartei kämpft ums politische Überleben – im Osten, aber auch bundesweit. Darum geht es in zahlreichen Reden auf diesem Landesparteitag. Denn die Wahlergebnisse brachen zuletzt ein: Bei der Europawahl holte die Linke im Juni in Sachsen-Anhalt nur noch 4,8 Prozent, solch ein Ergebnis würde bei der Landtagswahl 2026 nicht mehr für den Einzug ins Parlament reichen. Die AfD hat die Linke längst als wichtigste Oppositionskraft abgelöst, auch Sahra Wagenknecht überflügelt mittlerweile mit dem BSW ihre Ex-Partei. 2025 muss die Linke bangen, noch im Bundestag vertreten zu sein.

Kandidatin für den Linken-Bundesvorsitz: Ines Schwerdtner.
Kandidatin für den Linken-Bundesvorsitz: Ines Schwerdtner.
(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

In dieser dramatischen Lage liegen große Hoffnungen auf Ines Schwerdtner. Die Journalistin trat 2023 in die Linkspartei ein, kandidierte schon ein Jahr später für das Europaparlament. Und jetzt will die gebürtige Sächsin Bundesvorsitzende der chronisch zerstrittenen Linkspartei werden: Der Bundesparteitag im Oktober in Halle wird darüber entscheiden. In Magdeburg schwört die 35-Jährige die Linke auf einen versöhnlicheren Umgang miteinander ein. „Wir brauchen eine andere Kultur in dieser Partei“, sagt Schwerdtner. Ihr Ziel: „Es wird langfristig darum gehen, diese Partei wieder aufzubauen.“ Dies sei „kein Sprint, sondern ein Marathon“. Schwerdtner sieht darin eine Aufgabe für Jahre.

Dass sich etwas ändern muss, darin ist sich der Parteitag in Magdeburg einig. Doch was genau anders werden soll, darüber gibt es unterschiedlich Sichtweisen.

Spitzen-Duo in Sachsen-Anhalt wird wiedergewählt

Das fängt schon beim Personal an. Zwar wird die bisherige Landesvorsitzende Janina Böttger unangefochten mit 69 Prozent im Amt bestätigt, ihr Co-Vorsitzender Hendrik Lange setzt sich aber nur knapp gegen seinen Herausforderer Alexander Sorge durch. Lange holt am Samstagabend 53 Prozent der Stimmen, Sorge 37 Prozent.

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Herausforderer Sorge beklagt in seiner Bewerbungsrede angesichts der existenzbedrohenden Lage der Partei: „Zu selten suchen wir die Fehler bei uns selbst.“ Die Partei müsse sich fragen, wieso Kreisvorstände und andere Posten teils nicht mehr besetzt werden könnten, sagt Sorge. Zudem sei es „schwierig, politische Debatten in den Landesvorstand zu bringen“. Sorge amtierte bisher als Vize-Chef des Landesverbandes – andere Mitglieder werfen ihm Samstag allerdings vor, intern gegen die Landesspitze gearbeitet zu haben.

Vorstandskritiker wollen „ehrliche Analyse“ zu Wahlniederlagen

Das wirft ein Schlaglicht auf die brodelnden Konflikte in der Partei. Einen Mini-Erfolg verbuchen die Vorstandskritiker dann doch: Auf ihre Initiative hin muss der Landesvorstand um Böttger und Lange noch im Herbst eine „kritische und ehrliche Analyse“ der verlorenen Kommunal- und Europawahl im Juni vorlegen, die Bestandsaufnahme soll dann auf Regionalkonferenzen diskutiert werden. „Die brauchen wir nicht irgendwann mal“, sagt die Magdeburger Landtagsabgeordnete Nicole Anger über die ausstehende Analyse. „Die nächsten Wahlen stehen bevor.“ Der Parteitag nimmt die Forderung in einen Leitantrag auf.

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Landeschefin Böttger räumt auf dem Parteitag zudem ein, dass die Linke sich inhaltlich neu ausrichten müsse. „Es gilt, klarer Position zu beziehen und Lösungen für die drängenden Fragen unserer Zeit anzubieten, um verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen“, sagt sie in Magdeburg. „Die Frage, wie wir auf die wirtschaftlichen Ängste der Menschen eingehen und gleichzeitig bei sicherheitspolitischen Themen überzeugend auftreten können, wird für unsere zukünftige politische Arbeit entscheidend sein.“ Allerdings: Zuständig dafür sieht sie vor allem den Bundesparteitag im Oktober in Halle. Dort müsse die Linke in Fragen der Migrations-, Außen-, Sicherheits- und Ostpolitik „neue Antworten geben oder bisherige Antworten ausbauen“, sagt Böttger. Wie genau die Neujustierung der Linken-Positionen aussehen soll, bleibt in Magdeburg aber offen.

Bundesweit diskutiert die Linke aktuell über ihren künftigen Kurs. Co-Landeschef Lange stemmt sich am Samstag gegen einzelne Forderungen aus Westverbänden, die Partei solle sich künftig ausschließlich auf Wahlkämpfe in Großstädten verlegen. Er halte „nichts davon, dass wir uns künftig nur auf Metropolen konzentrieren“, sagt er am Samstag.