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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Die Macht auf Rädern

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ 25.03.2011, 19:21

Halle (Saale)/MZ. - Lang ist's her: Es war in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, als das damalige Kabinett Höppner einmal in Halle tagte. Der Regierungschef und seine Minister waren mit dem Zug aus Magdeburg gekommen - sie wollten glänzen in punkto Umweltfreundlichkeit. Vor dem halleschen Hauptbahnhof wartete dann allerdings die Dienstwagenflotte der Landesregierung. Soviel zum Thema Vorbildwirkung.

Politiker und ihre Dienstwagen - ein schier unerschöpfliches Thema. Gut für Skandale und Skandälchen, für Klatsch und Tratsch. Und für heftigen Streit. Derzeit etwa in Halle. Dort hat das Landesverwaltungsamt Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) untersagt, ihren Audi A 8 mit einem Blaulicht auszurüsten.

Der A 8 ist das größte Modell, das Audi derzeit zu bieten hat. Getreu dem Motto "Sage mir, welches Auto du fährst, und ich sage dir, wer du bist", wird es an dieser Stelle interessant. Folgt man Peter Borkenau, Psychologie-Professor an der Universität in Halle, dann müsste Lutz Trümper sich jetzt eigentlich ärgern. Der Sozialdemokrat ist Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg. Trümper hat einen BMW der 5er-Reihe als Dienstwagen - und rangiert damit karossenmäßig eine Klasse unter Szabados. Schwierig, schließlich sind große Autos immer auch Statussymbole. "Bei Statussymbolen", sagt Borkenau, "geht es häufig auch darum, Hierarchien auszuhandeln". Nach dem Motto: Ich will nicht schlechter dastehen als der andere. Das erinnert ein wenig an Sandkastenspiele, und vermutlich ist Trümper das auch einfach egal.

Ich bin wichtig

Ob größter Audi oder etwas kleinerer BMW: Vermittelt wird via Dienstwagen immer auch das Signal: Ich bin wichtig. "Insofern ist ein Dienstwagen für einen Politiker bei der Machtausübung hilfreich", so Psychologe Borkenau. Männer legten übrigens eher Wert auf Statussymbole als Frauen. Ist Szabados vielleicht die Ausnahme von dieser Regel, nimmt man die Dienstwagen-Größe als Maßstab? Nein, denn auch der OB von Dessau-Roßlau, Klemens Koschig (parteilos), fährt einen Audi A 6.

Ob A 6 oder A 8, 5er- oder 7er-BMW - in der Regel werden die Dienstwagen geleast. Zu Sonderkonditionen, die diverse Hersteller den Behörden anbieten. Wer am Ende den Zuschlag bekommt, hängt vom Angebot ab - der günstigste gewinnt. Zu Details äußern sich die meisten Verwaltungen unter Hinweis auf Vertragsinterna nicht. Lediglich der Kreis Börde gibt eine Leasingrate von monatlich etwa 300 Euro an. Magdeburg spricht von rund 470 Euro Kosten im Monat, einschließlich Steuer, Versicherung und Sprit. Klar ist: Otto-Normal-Autofahrer bekommt solche Konditionen nicht. Die günstigen Raten sind auch im Interesse der Autokonzerne. Fährt ein Politiker einen großen Schlitten, dann ist das schließlich so etwas wie rollende Werbung.

Auch bei den Landräten gibt es, autotechnisch gesehen, Größenunterschiede: Der Dienstwagen von Saalekreis-Chef Frank Bannert ist wie in Halle ein A 8. Für etliche seiner Landratskollegen reicht es auch eine Nummer kleiner - ein 5er BMW oder ein A 6 wird gerne genommen. "Für Landräte eine gebräuchliche Klasse", heißt es im Kreis Anhalt-Bitterfeld, dessen Landrat Uwe Schulze (CDU) zu den Audi-Kunden zählt. Ein größeres Auto lehnt Schulze übrigens nach eigenem Bekunden ab. In der nächsten Haushaltsdebatte im Kreistag kommt ein solches Bekenntnis sicher gut an.

Dabei, sagt Halles Stadtsprecher Steffen Drenkelfuß, sei die Leasingrate für einen A 8 genauso hoch wie für einen A 6. Ohne Aufpreis kann sich Halles Oberbürgermeisterin also in die Ministerklasse katapultieren: Die Mitglieder der Landesregierung fahren allesamt entweder einen 7er-BMW oder eben einen Audi A 8. Dass die Wagen von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) und Innenminister Holger Hövelmann (SPD) besonders gesichert sind, will zwar niemand bestätigen, es dürfte aber auf der Hand liegen.

Kleiner gehe es schon deswegen nicht, weil die Autos in vielen Fällen so etwas wie ein rollendes Büro seien, sagt Regierungssprecherin Monika Zimmermann: "Wenn es erforderlich ist, fahren auch noch Mitarbeiter mit." Auch die meisten Kommunalpolitiker nehmen für sich in Anspruch, häufig im Auto zu arbeiten.

Vor dem Gesetz sind dann wieder alle gleich, egal wie groß das Auto ist: In der Regel dürfen Landesminister, der Regierungschef, die Landräte und die Oberbürgermeister ihre Dienstwagen auch privat nutzen, lediglich der Kreis Stendal verbietet das. Entsprechende Fahrten müssen dann allerdings als so genannter geldwerter Vorteil versteuert werden - wie es das Gesetz für jeden Firmenwagen vorschreibt, der auch mal nach Feierabend oder am Wochenende gefahren wird.

Privatfahrten erlaubt

Die Richtlinie, welche die Dienstwagen-Nutzung in der Landesverwaltung regelt, gestattet dem Ministerpräsidenten und den Ressortchefs sogar ausdrücklich unentgeltliche Privatfahrten innerhalb Deutschlands. Zimmermann begründet das damit, dass sich bei Landespolitikern private und dienstliche Fahrten oft nicht scharf trennen ließen. "In Urlaub fährt aber niemand mit dem Dienstwagen, das habe ich noch nicht erlebt." Böhmer und Hövelmann betonen sogar ausdrücklich, dass sie für Privatfahrten ausschließlich ihr privates Auto nutzen.

Umgekehrt lassen mehrere Politiker bei dienstlichen Terminen mitunter den Dienstwagen stehen. "Wenn der Landrat am Wochenende ein Vereinsjubiläum in der Nähe seines Heimatortes besuchen will, dann fährt er vorher nicht erst nach Wittenberg und von dort mit dem Fahrer wieder zurück zum Termin", sagt Ronald Gauert, Sprecher im Wittenberger Landratsamt. Das sei auch eine Kostenfrage. In Magdeburg nimmt Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei, für Termine in der Stadt manchmal sogar das Fahrrad.

Wäre sicher auch ein Modell für Halle. Bloß wohin mit dem Blaulicht?