Nach Bombenfund in Merseburg Nach Bombenfund in Merseburg: Wo im Saalekreis noch Sprengstoff schlummert

Dölkau - Wenn Benjamin Otto ganz flach über das Feld bei Dölkau schaut, erkennt er kleine und größere Dellen im Boden.
Beim Blick aus der Vogelperspektive gibt es Flecken, wo sich die Vegetation farblich etwas absetzt. Für den Mitarbeiter des Katastrophenschutzes beim Landkreis sind es erste Hinweise, dass sich im Boden Munition aus dem Zweiten Weltkrieg befinden könnte. Daher soll das Feld in den kommenden Jahren vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes auf Bomben und Granaten überprüft werden.
Bis zu 16.000 Kriegsbomben schlummern noch im Saalekreis
Erst am Mittwoch wurde eine Zehn-Zentner-Bombe auf einem Feld in Merseburg gesprengt. Wie viele dieser Kampfmittel noch im Boden im Saalekreis sind, ist unklar.
Als sicher gilt, dass etwa 80.000 Bomben wegen der Nähe zu den Leuna-Werken abgeworfen wurden. 15 bis 20 Prozent sind nie detoniert. Bis zu 16.000 könnten also noch im Boden liegen. Die Suche nach Blindgängern und zurückgelassener Munition wird die Experten noch Jahrzehnte beschäftigen und ist mühsam.
„Aktiv werden wir in den meisten Fällen aufgrund von Bauanträgen und ähnlichem“, sagt Otto. Gelände, auf denen Häuser und Garagen entstehen, müssen laut Bauordnung vorher auf Kampfmittel untersucht werden. Auf kleinen Flächen geht das meist schnell. Auf Feldern gehen dafür oft Jahre ins Land.
Nicht nur Bomben, auch Granaten werden immer wieder gefunden
Es werden Bahnen abgesteckt und jede einzelne auf metallische Gegenstände untersucht. Ist das Feld frei von größeren Metallresten, kommen die Experten mit den Sondierungen zügig voran. „Häufig steckt aber viel Metall im Boden.“ Die Magnetfelder, auf die die Detektoren reagieren, werden markiert und später mit Spaten oder Bagger, je nach Tiefe, aufgegraben.
Dabei stoßen die Experten nicht immer auf Bomben. „Im vergangenen Jahr haben wir im Saalekreis 17 Granaten und zwei Bomben entdeckt. Eine davon in Dölkau.“
Auch historische Fotos und Zeitzeugen helfen den Sprengstoff-Experten
Das ist auch der Grund, weshalb man sich das Feld genauer angucken will. Die Vermutung liegt nahe, dass da noch mehr im Boden schlummert. Die Sprengstoffexperten des Landes können bei Recherchen auf eine digitale Karte zurückgreifen, die Verdachtsflächen ausweist, in der aber auch dokumentiert wird, wann welche Aktionen auf welchen Flächen durchgeführt wurden.
Darüber hinaus stützen sie sich auf historische Luftbildaufnahmen, die stetig dazu gekauft werden. „Und Zeitzeugenaussagen helfen uns. Wir gehen jedem Hinweis nach“, so Otto. Seit Anfang der 90er Jahre wurden allein in der Region mehr als 55.000 Granaten und mehr als 120 Bomben gefunden.
Je mehr Zeit vergeht, desto schlechter der Zustand
Und mit jedem Jahr das vergeht, verschlechtert sich der Zustand der Weltkriegsmunition. „Die Granaten sind kleiner und zersetzen sich schneller. Häufig sind sie instabil und können nicht mehr transportiert werden“, so Otto. Das zu entscheiden ist Aufgabe des Teams vom Kampfmittelbeseitigungsdienstes.
Wenn dieses es für sicher hält, kann Munition zum Zerlegebetrieb in den Norden Sachsen-Anhalts gefahren werden. Wenn nur noch kurze Strecken zurückgelegt werden können, bietet das Kieswerk in Wallendorf und Schladebach die Möglichkeit zur Sprengung von Granaten.
Ist die Munition instabil, wird sie gar nicht mehr bewegt und an Ort und Stelle gesprengt. Häufig ist dies jedoch mit einem großen Aufwand verbunden. Die oftmals freiwilligen Feuerwehrleute helfen bei der Evakuierung, denn der Sprengort muss gesichert werden. „Dafür bekommen zum Beispiel Stroh und Sand aus Betrieben aus der Region“, so Otto. (mz)
