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S-Bahn zwischen Halle und Leipzig S-Bahn zwischen Halle und Leipzig: Glücksspiel im Berufsverkehr

Von Alexander Schierholz 24.03.2014, 11:02
S-Bahn-Zug im Hauptbahnhof Halle
S-Bahn-Zug im Hauptbahnhof Halle Meinicke Lizenz

Halle/Leipzig/MZ - Es ist ein Lotteriespiel. Hunderte Pendler, die zwischen Halle und Leipzig ihr Fahrrad mit in die S-Bahn nehmen, fragen sich Morgen für Morgen: Reicht der Platz? Die Antwort lautet Ja, wenn im Berufsverkehr wie geplant zwei S-Bahn-Züge aneinandergekoppelt fahren, in der sogenannten Doppeltraktion. Die Antwortet lautet Nein, wenn nur ein kürzerer Zug an den Bahnsteig rollt, weil der andere mal wieder ausgefallen ist oder auf anderen Strecken benötigt wird.

Fahrradtransport und knapp bemessener Fuhrpark - damit sind gleich zwei Probleme benannt, mit denen die mitteldeutsche S-Bahn 100 Tage nach ihrem Start Mitte Dezember vorigen Jahren zu kämpfen hat. Entsprechend kritisch fällt die Bilanz des Fahrgastverbandes Pro Bahn aus. „Die S-Bahn Mitteldeutschland ist grundsätzlich ein gutes System“, sagt der Vorsitzende des mitteldeutschen Landesverbandes, Carsten Schulze. „Aber dieses System ist auf Kante genäht.“

Soll heißen: Es gibt nicht genügend Fahrzeugreserven. Das führt zu Situationen wie Mitte Februar: Nach Havarien mit den neuen S-Bahn-Zügen vom Typ Talent 2 hatte die Bahn gleich zweimal binnen einer Woche auf einem Abschnitt den Verkehr ganz eingestellt beziehungsweise stark eingeschränkt. Und eingeräumt, dass sich ungeplante Ausfälle, die zusätzlich zu regulären Werkstattaufenthalten auftreten, mit der Flotte von 51 Zügen nicht ausgleichen lassen (die MZ berichtete).

Nach Angaben von Pro Bahn hat sich die Situation durch Elektronik-Probleme noch verschärft. Zwei Züge ließen sich oft nicht miteinander koppeln, weil die Bordrechner in dem Moment nicht kompatibel seien, kritisiert Schulze. Die Folge sei, dass dann nur ein Triebwagen auf die Strecke geschickt werde - mit entsprechend weniger Platz für die Fahrgäste. Für den Verband steht fest, dass die Länder zu wenige Züge ausgeschrieben haben. Die Bahn fährt mit 15 Vier- und 36 Dreiteilern. „Man hätte generell auf Vierteiler in Doppeltraktion setzen sollen“, sagt Schulze, „das hätte am Ende nicht viel mehr gekostet.“ Das Teure an einem Zug sei die Elektronik, „die ist überall gleich, egal ob der Zug drei- oder vierteilig ist“. Die Länder halten den Fuhrpark allerdings für ausreichend groß.

Um mehr Platz für Fahrräder zu schaffen, gerade in der stark genutzten S 3 von Halle nach Leipzig, fordert Pro Bahn den Ausbau der Klappsitze in den Mehrzweckabteilen. Tatsächlich sind diese Sitze bei großem Andrang häufig besetzt, dann fehlt Raum für Räder und Kinderwagen. Die klappbaren Sitze waren ein Wunsch der Länder, Standard sind sie indes nicht. So haben moderne Doppelstockwagen, wie sie etwa zwischen Halle und Magdeburg im Einsatz sind, teilweise nur Haltestangen in den Fahrradabteilen.

Der Fahrzeug- und der Platzmangel sind aus Sicht von Pro Bahn bei weitem nicht die einzigen Probleme im neuen S-Bahn-Netz. Unzufrieden ist der Verband auch mit dem Marketing. „In vielen Orten fehlen Hinweisschilder auf die S-Bahn-Stationen“, bemängelt Schulze. Sogar in Leipzig vermisse er an Zugängen zu den Bahnhöfen mitunter das grüne S-Bahn-Symbol. „Mein Eindruck ist, dass die Akteure im Liegestuhl liegen, obwohl sie sprinten müssten“, sagt Schulze.

Pro Bahn will nun den eigentlich für die Fahrpreise zuständigen Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) in die Pflicht nehmen. „Für uns ist das ein Thema“, sagt MDV-Sprecher Matthias Neumann. Grundsätzlich seien die Kommunen verantwortlich. In einigen Orten laufe das gut, in anderen weniger. Um ein einheitliches Bild zu erreichen, werde der Verbund sich um des Thema kümmern.

Die Deutsche Bahn und die Länder wollen erst am Dienstag ihre 100-Tage-Bilanz vorstellen. Sie dürfte etwas anders ausfallen als die von Pro Bahn.