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Reihe "Expedition Zukunft: Demografie hautnah" Reihe "Expedition Zukunft: Demografie hautnah": MDR widmet sich den Problemen auf dem Dorf

Von Julius Lukas 03.04.2015, 12:45
Auf dem Weg nach Molmerswende: MDR-Reporter Stefan Bernschein verbrachte fünf Tage in dem Ort zwischen Hettstedt und Harzgerode.
Auf dem Weg nach Molmerswende: MDR-Reporter Stefan Bernschein verbrachte fünf Tage in dem Ort zwischen Hettstedt und Harzgerode. MDR/Rainer Knoblauch Lizenz

Molmerswende - Es braucht nicht viel, um Molmerswende zu beschreiben: In dem Südharz-Dörfchen leben 240 Menschen. Es gibt eine Haupt- und zwei Nebenstraßen, einen Bäcker, einen Fleischer und eine kleines Restaurant. Rund um den Ort ist viel Postkartenidylle: Felder, Wiesen und Wälder. Ein typisches Dorf also. Gut, um dort Landurlaub zu machen. Ein Fernsehexperiment würde man hier allerdings nicht vermuten.

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Doch genau hat das Mitte März in Molmerswende stattgefunden. Der Mitteldeutsche Rundfunk quartierte für sein Regionalmagazin „Sachsen-Anhalt heute“ einen Reporter samt Kamerateam für fünf Tage in dem Örtchen ein. Der Grund: Man wollte den demografischen Wandel hautnah erleben. Auch in dieser Hinsicht ist der Südharz-Ort ein typisches Dorf: Die Einwohner werden weniger. Vor allem junge Menschen ziehen weg. Mehr als die Hälfte der Ortsbevölkerung ist 51?Jahre und älter. Mit den Einheimischen verschwindet in solchen Orten auch die Infrastruktur: Schulen werden geschlossen, der Nahverkehr ausgedünnt, die ärztliche Versorgung zurückgefahren. Dörfer wie Molmerswende drohen, abgehängt zu werden. Wie aber gehen die Menschen in dem Dorf damit um? Dieser Frage ist Stefan Bernschein nachgegangen. Der MDR-Reporter wohnte fünf Tage lang in Molmerswende.

Suche nach passendem Dorf

Jetzt, nach Abschluss des Experimentes, sitzt er in der Kantine des Landesfunkhauses in Magdeburg. „Ich hätte es noch eine Weile in Molmerswende ausgehalten“, sagt der 32-Jährige. Allerdings habe er auch die Vorzüge der städtischen Infrastruktur zu schätzen gelernt. „Dass hier alle fünf Minuten Bus oder Bahn fahren, ist schon ein Vorteil.“ Neben Bernschein hat Karsten Kiesant Platz genommen. Der Politik-Ressortleiter bei „Sachsen-Anhalt heute“ betreut das Experiment, das unter dem Titel: „Expedition Zukunft: Demografie hautnah“ läuft. „Wir haben lange nach einem passenden Dorf gesucht“, erzählt Kiesant. Am Ende habe man vier Orte ausfindig gemacht. „Nach den ersten Vorgesprächen blieb nur Molmerswende übrig“, sagt Kiesant. Und das habe auch an Erwin Moras gelegen.

Die sieben Folgen von „Expedition Zukunft: Demografie hautnah“ sind ab Montag bei MDR „Sachsen-Anhalt heute“ täglich um 19 Uhr zu sehen

Der 65-Jährige ist der Ortsbürgermeister des kleinen Dorfes zwischen Hettstedt und Harzgerode. Zusammen mit seiner Frau betreibt er die Pension im Ort, in der auch Bernschein unterkam. „Moras ist einer, der die Probleme des Ortes kennt“, sagt der MDR-Reporter. Und er sei vor allem einer, der sie auch offen anspricht. „Wer nicht den Mund aufmacht, wird auch nicht gehört“, sagt Moras.

Genug Platz zur Äußerung hat er in den fünf knapp dreieinhalb-minütigen Folgen, die mit weiteren Demografie-Beiträgen und Expertengesprächen ab kommenden Montag im MDR gezeigt werden. Gleich in der ersten Folge steht Moras selber im Mittelpunkt. Thema: Ärztemangel.

Welche Probleme es bei der medizinischen Versorgung gibt und wie der Alltag der Schüler aussieht, lesen Sie auf Seite 2.

In Molmerswende gibt es keinen Mediziner mehr. Der nächste Hausarzt ist sechs Kilometer entfernt, ein Zahnarzt doppelt soweit weg. Prekär wird es bei den Fachärzten, wie Moras am eigenen Beispiel zeigt. Mit Bernschein fährt er zu einem Termin beim Augenarzt.

Die sieben Folgen von „Expedition Zukunft: Demografie hautnah“ sind ab Montag bei MDR „Sachsen-Anhalt heute“ täglich um 19 Uhr zu sehen

Dessen Praxis liegt in Hettstedt. Mit dem Auto ist man in rund 30?Minuten dort, mit dem Bus, auf den viele ältere und jüngere Einwohner angewiesen sind, ist es eine tagesfüllende Aufgabe. Denn das öffentliche Verkehrsmittel fährt nur dreimal am Tag nach Hettstedt. „Ich dachte: das kann doch nicht wahr sein“, sagt Bernschein. Weil der Termin 14?Uhr war, mussten sie bereits den 9-Uhr-Bus nehmen. Zurückfahren konnten sie erst 17?Uhr. Entsprechend lang waren die Wartezeiten. Doch für Moras gibt es keine Alternative. „Ich bin froh, dass ich überhaupt einen Augenarzt habe“, sagt der Bürgermeister. Die Praxen der Fachmediziner in der Umgebung sind überfüllt. Moras Augenarzt behandelt 65?Patienten am Tag und hat unglaubliche 18?000 in seiner Kartei.

Auch die folgenden Beiträge sind nah an der Lebenswelt der Menschen im Dorf. Bernschein spricht mit lokalen Unternehmern, die keine Lehrlinge finden und begleitet eine Elftklässlerin in die Schule. „Jeden Tag verbringt sie zweieinhalb Stunden mit Busfahren und warten“, sagt Bernschein. Zur Musikschule nach Quedlinburg (Harz) müsse sie am Nachmittag von ihrer Mutter gebracht werden. „Sonst würde sie nach dem Unterricht nicht nach Hause kommen.“

Existenziell wird es in der Folge über die Grundschule. Die Kinder aus Molmerswende werden im nahe gelegenen Wippra unterrichtet. Die Grundschule dort hat weniger als 80 Kinder - nach Landesvorgaben ist das zu klein. Eine Schließung konnte bis jetzt abgewendet werden. „Aber ob es die Grundschule noch gibt, wenn meine dreieinhalbjährige Enkelin eingeschult wird, ist ungewiss“, sagt Moras. Für Wippra, Molmerswende und die anderen Orte der Region wäre die Schließung eine Katastrophe, meint Bernschein. „Wenn die Grundschule verschwindet, dann gehen auch Familien weg und die Probleme werden noch größer.“

Start am 6. April 2015

Trotz solcher Schwierigkeiten, sagt Bernschein, leben die Menschen gerne in ihrem Ort. Mit den Gegebenheiten hätten sie sich arrangiert. Allerdings würden sich viele von der Politik unverstanden fühlen. „Die Leute hier haben Angst, vergessen zu werden“, sagt der MDR-Reporter. Auch Bürgermeister Moras geht das so. „Vielleicht ändert sich durch die Beiträge ja zumindest im Kleinen etwas“, sagt er und hofft, dass möglichst viele Politiker am Montagabend vor dem Fernseher sitzen. (mz)

Start in den Tag: Bürgermeister Erwin Moras (links) und seine Enkelin Irma mit Stefan Bernschein beim Frühstück
Start in den Tag: Bürgermeister Erwin Moras (links) und seine Enkelin Irma mit Stefan Bernschein beim Frühstück
MDR/Rainer Knoblauch Lizenz