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Kommentar zur CDU-Spitzenkandidatur Mit Haseloff endet eine Ära

Bei der CDU bleibt das beste Pferd im Stall. Kann es Sven Schulze? Bei der Landtagswahl steht sehr viel auf dem Spiel - nicht nur für Sachsen-Anhalt, meint MZ-Kommentator Kai Gauselmann.

07.08.2025, 17:45
MZ-Kommentator Kai Gauselmann
MZ-Kommentator Kai Gauselmann (Foto: MZ / Stedtler)

Rente statt Regierung: Reiner Haseloff will nicht noch einmal Ministerpräsident werden. Mit Haseloffs Abgang wird nicht nur bei der CDU eine Ära enden: die der Nachwendepolitiker. Der 71-Jährige hat die erste Hälfte seines Lebens in der DDR verbracht, die zweite in der BRD. Er wurde geprägt durch die DDR- und die direkte Nachwendezeit. Deswegen weiß er, wie kostbar diese Demokratie ist, und darum hat er so vehement gegen die AfD gekämpft. Und als einstigem Arbeitsamtsdirektor war ihm auch immer klar, dass die Akzeptanz dieser Demokratie weniger von theoretisierenden Sonntagsreden abhängt, sondern davon, ob es Politik gelingt, die konkreten Lebensumstände der Menschen zu verbessern. Das alles hat ihm viel Glaubwürdigkeit verschafft in einem Land, in dem breite Bevölkerungsschichten ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Das war die Basis für die sensationellen 37,1 Prozent, die die CDU mit Haseloff als Zugpferd bei der Landtagswahl 2021 geholt hat.

Reiner Haseloff (CDU) tritt bei der Landtagswahl nicht mehr an.
Reiner Haseloff (CDU) tritt bei der Landtagswahl nicht mehr an.
(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Ein neuer Typ Politiker drängt nach vorne

Doch jetzt drängt eine neue Generation, ein neuer Typus Politiker nach vorne: Kaum oder keine Erfahrung mit der DDR oder zweistelligen Arbeitslosenquoten. Mit dem oder im Internet aufgewachsen, gut vernetzt und politisch-handwerklich hochprofessionell. Das gilt nicht nur für die CDU. Bei der AfD ist der erst 34-jährige Ulrich Siegmund Spitzenkandidat. Er wird sich ein Fläschchen Rotkäppchen aufgemacht haben, dass bei der CDU nun das beste Pferd im Stall bleibt.

Wird sich einen Sekt aufgemacht haben: AfD-Spitzenkandidat Ulrich Siegmund
Wird sich einen Sekt aufgemacht haben: AfD-Spitzenkandidat Ulrich Siegmund
(Foto: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa)

Schulze tritt in übergroße Fußstapfen

Kann die SPD wieder zweistellig werden? Kann die Linke regional vom Heidi-Boom profitieren? Fliegen Grüne und FDP aus dem Landtag? Schafft das BSW es überhaupt rein? Es gibt viele Gründe, warum der aufziehende Landtagswahlkampf so spannend wird wie keiner zuvor. Aber vor allem liegt das am Duell zwischen CDU und AfD. Sven Schulze tritt dabei in übergroße Fußstapfen. Und es ist möglich, dass er dafür verantwortlich sein wird, wenn seine CDU bei der Landtagswahl 2026 nach dann 24 Jahren die Macht verliert – und mit der AfD erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine rechtsextreme Partei eine deutsche Regierung übernimmt.

Sven Schulze (li.) will Haseloff-Nachfolger werden.
Sven Schulze (li.) will Haseloff-Nachfolger werden.
(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Bei einer Niederlage ist seine Karriere vorbei

Für Schulze persönlich bedeutet das eine maximale politische Fallhöhe. Bei einem Sieg rückt er an die Spitze der Landespolitik und erhält auch eine enorme bundespolitische Bedeutung. Geht diese Wahl für die CDU verloren, dann ist die politische Karriere des 46-Jährigen vorbei. Man darf gespannt sein, wie er mit diesem ungeheuren Druck umgeht.

Viel zu häufig blasse Auftritte

Vor allem muss er aber jetzt Gas geben und aus dem Schatten Haseloffs treten. Mit Blick auf das Schicksal früherer Haseloff-Kronprinzen war es sicher richtig, nicht zu forsch aufzutreten und im übertragenen Sinne immer einen halben Schritt hinter dem Wittenberger zu bleiben. Aber Schulze soll jetzt das Zugpferd sein, er muss vorangehen. Und er muss auch mal glänzen, auffallen. In seinen ersten Jahren als Minister hat man zu häufig gehört, dass er blass aufgetreten sei.

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Und Schulze sollte schleunigst seine Partei hinter sich bringen – und auf Trab. Er kann noch gar nicht so populär wie Haseloff sein, der ist seit 14 Jahren Regierungschef und seit 23 Jahren in der Landespolitik. Der Mangel an Popularität muss aber dann auch durch eine geschlossene Teamleistung ausgeglichen werden. Und nachdem bei den vorherigen Landtagswahlkämpfen das Motto eher war, Haseloff wird’s schon richten, könnte die CDU mal einige originelle Inhalte präsentieren, wie Sachsen-Anhalt nach vorne gebracht werden kann. Vom Lehrermangel über die medizinische Versorgung bis hin zur Situation der Kommunen gibt es jedenfalls genug im Land zu tun.