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Projekt in Halle Projekt in Halle: Ruine wird zum Künstlerhaus

Von Alexander Schierholz 11.04.2008, 19:58

Halle/MZ. - Aber in der Triftstraße 19a im Giebichensteinviertel ist alles ein bisschen anders. Die Nutzer haben sich die Räume selber hergerichtet. Sie zahlen keine Miete, sondern lediglich einen Euro pro Quadratmeter für die Nebenkosten. Eine Zentralheizung gibt es nicht. Der Putz blättert von der Fassade, an der ein großes rotes Transparent hängt: "Wächterhaus", steht darauf. Und die Studenten und Absolventen der nahen Kunsthochschule, die hier Kunst zeigen und machen, sind die "Wächter" des stattlichen Jugendstil-Eckhauses.

Die Idee dahinter ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Leute, die wenig Geld haben, erhalten kostengünstig Räume. Sie legen selber Hand an beim Ausbau und bewahren ein über Jahre leer stehendes Haus vor weiterem Verfall - was auch dem jeweiligen Eigentümer nützt und Stadtquartiere belebt. Eine neue Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt sei das nicht, versichert Stephan Schirrmeister vom Verein "Haushalten Halle", der zwischen Nutzern und Eigentümern vermittelt. "Wir bieten kein Wohnen für lau an." Das Konzept kommt aus Leipzig, wo es bereits zehn Wächterhäuser gibt.

In Halle ist die Triftstraße 19a das erste. Und es füllt sich, eröffnet im Juni vorigen Jahres, langsam mit Leben. Im ersten Obergeschoss links residiert ein Mietkoch-Service. Gegenüber ist das Reich von Stefanie Petrat und Almuth Lohmann. Petrat stellt Schmuck her, Lohmann richtet gerade ihr Keramik-Atelier ein. Ihre Arbeit lagert auf rohen Dielen - in Zeitungspapier eingewickelte Schalen in Umzugskartons und Ton-Objekte, die so ähnlich aussehen wie Eier mit mehreren ausgestreckten Armen. "Von einer Ausstellung in Berlin", erzählt die junge Frau. Wo die Objekte ihren Platz finden, weiß sie noch nicht. "Erstmal brauche ich einen Brennofen." Und die Diplomarbeit muss fertig werden.

Eine Etage darüber sieht das Wächterhaus schon wohnlicher aus. In der "Studentenwerkstatt Triftpunkt" warten eine Bar und altes Kinogestühl auf Besucher. Zwischen geweißten Wänden fällt ein schmaler Streifen unverputzten Mauerwerks auf - hier wurde eine Wand entfernt, um den Kinoraum zu vergrößern. Der "Triftpunkt"-Verein zeigt regelmäßig Filme und öffnet seine Räume für studentische Veranstaltungen. Gleich gegenüber bietet die Studentengalerie "stuArt" Platz für Kunst.

Der "Triftpunkt" will Studenten unterschiedlicher Richtungen zusammenbringen. "Häufig bleibt jeder Fachbereich bei Veranstaltungen unter sich", erklärt Mitbegründer Hendrik Konzok. "Das wollen wir ändern." Ob Filme, Lesungen oder Ausstellungen - "wir organisieren das". Die Veranstaltungen seien für alle offen, betont Konzok, der Politik, Ethnologie und Kunstgeschichte studiert. Die neueste Idee: Tatort-Abende.

Konzok und seine Mitstreiter zählen zu den ersten Nutzern des Wächterhauses. Andere Interessenten warten weiter. "Wir könnten gut noch zwei, drei Häuser füllen", sagt "Haushalten"-Sprecher Schirrmeister. Doch geeignete Objekte sind rar, obwohl in Halle rund 1 000 Gründerzeithäuser leer stehen. Häufig seien die Eigentümer nur schwer ausfindig zu machen, sagt Schirrmeister. "Und wer ein Wächterhaus zur Verfügung stellt, muss meist noch Geld in die Hand nehmen." So wie die örtliche Wohnungsgesellschaft HWG, die rund 10 000 Euro in die Triftstraße 19a steckte. Für Schwammsanierung, intakte Stromleitungen und ein dichtes Dach. Dafür ist das Gebäude, für das sich seit 2004 kein Investor fand, für fünf Jahre belebt - so lange läuft der Nutzungsvertrag.

Der Verein hat nach langer Suche mittlerweile ein zweites Wächterhaus im Blick. Im ersten hoffen sie derweil auf viele Besucher. Der Terminkalender der Studentengalerie "Salonfähig" im Erdgeschoss jedenfalls ist bis 2009 gefüllt.