Kundgebung Legida-Demo in Leipzig:

Leipzig - Der ältere Fahrradfahrer kann sich gerade noch so vor der heranbrausenden Kolonne in Sicherheit bringen. Kaum hat er sein Gefährt auf einem Gehweg gestoppt, rasen ein Dutzend Einsatzwagen der Polizei mit Blaulicht und Sirene an ihm vorbei. „Da marschiert die linke SA!“, ruft er, und es wird nicht ganz klar, wen oder was er meint: Die Polizei? Die Demonstranten, die gegen einen neuerlichen Aufmarsch des fremdenfeindlichen Leipziger Legida-Bündnisses demonstrieren?
Montagabend, Leipzig ist im Ausnahmezustand wie lange nicht. Ein Polizeihubschrauber kreist über der Stadt, am Innenstadtring sind Kreuzungen mit quergestellten Streifenwagen abgeriegelt. Legida lag schon am Boden, doch nun, zu ihrem zweijährigen Bestehen, wollen die selbst ernannten Retter des Abendlandes es noch einmal wissen. 300 bis 400 Anhänger bringen sie auf die Straße, darunter viele Neonazis und Hooligans. Das sind zwar mehr als doppelt so viele wie zuletzt. Doch gegen Legida zeigen noch einmal deutlich mehr Menschen Gesicht: Fast 2.000 Gegendemonstranten sind den Aufrufen verschiedener Bündnisse zum Protest gegen die Fremdenfeinde gefolgt - ebenfalls deutlich mehr als vor einem Monat.
Legida-Demo in Leipzig:
Hubschrauber und Wasserwerfer werden aufgefahren
Die Polizei trennt beide Lager mit einem starken Aufgebot. Mehrere hundert Beamte sind im Einsatz, sogar ein Wasserwerfer fährt auf. Der Grund für diese massive Präsenz liegt ein Jahr zurück: Im Januar 2016 verwüsteten Neonazis quasi im Windschatten des damaligen Legida-Aufmarsches in der Innenstadt einen Straßenzug im linksalternativen Viertel Connewitz im Süden Leipzigs.
Polizeibeamte konnten nach den Ausschreitungen 215 Tatverdächtige einkesseln, doch die Ermittler treten auf der Stelle: Bisher ist in keinem einzigen Fall Anklage erhoben worden. Einen solchen Gewaltexzess will die Polizei nicht noch einmal zulassen.
Bis auf kleine Rangeleien zwischen Gegendemonstranten und der Polizei bleibt am Montagabend denn auch alles friedlich. Dafür entwickelt sich zwischen beiden Lagern eine Art Sängerwettstreit. Während auf der Legida-Bühne die Hooligan-Band „Kategorie C“ auftritt, erschallt aus Häusern entlang der Legida-Demoroute im gutbürgerlichen Waldstraßenviertel immer wieder Beethovens „Ode an die Freude“ - mittlerweile so etwas wie eine Anti-Legida-Hymne, zu der die Protest-Bündnisse aufgerufen hatten.
Legida: Was ist denn bloß in Sachsen los?
Während die Legida-Anhänger ihre üblichen Slogans wie „Merkel muss weg“ und „Wir sind das Volk“ skandieren, fragen sich Redner auf der Gegenkundgebung, was man dieser Aggressivität und diesem Hass entgegensetzen solle. Gewiss, in Leipzig sind die Verhältnisse andere als in Dresden, wo bei der großen Schwester Pegida am Montagabend zeitgleich rund 2.000 Menschen auf die Straße gehen. Dennoch warnt Jens Köhler, Betriebsratschef des Leipziger BMW-Werks, bei seiner Leipziger Rede vor einem Schaden für den Wirtschaftsstandort aufgrund der fremdenfeindlichen Aufmärsche. „Meine Kollegen in Bayern fragen mich schon, was denn bei uns in Sachsen los sei“, sagt Köhler.
Wie also soll es weitergehen? Die Antwort liefert - vielleicht - Legida selbst. Zum Abschluss kündigt einer ihrer Redner an, man werde sich künftig auf der Straße „zurücknehmen“, was immer das heißen mag. Angekündigt hat das Bündnis aber schon so manches.
(mz)