Umstrittene Mastanlage Schweine Mastanlage: Im Kreis Wittenberg sollen 11.000 Schweine mehr gehalten werden
Coswig - Der letzte Coswiger Stadtrat im aktuellen Jahr hat es wahrlich in sich. Wären die Stadträte nicht längst auf papierloses Arbeiten mit Beschluss- und Informationsvorlagen umgestiegen, hätten sie zur Sitzung an diesem Donnerstag einiges zu schleppen. Wenn sich die Fraktionen um 17 Uhr im Ratssaal versammeln, erwarten sie 13 Beschlussvorlagen. Das klingt überschaubar, aber die Vorlagen, Anlagen, Pläne und Übersichten belaufen sich auf fast 60 Papiere. Da kann selbst das Herunterladen der Dateien Stunden in Anspruch nehmen.
So verbergen sich hinter den sechs Megabyte des zweiten Beschlusses umfangreiche 668 Seiten der Abwägung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan der „Schweinehaltung Düben“. Das wohl diskussionswürdigste Thema des Abends nehmen sich die Stadträte mit drei Beschlüssen dazu also gleich am Anfang vor und könnten mit einer mehrheitlichen Zustimmung den Weg weiter frei machen für ein in der Bevölkerung umstrittenes Projekt.
In Düben Erweiterung um 11.000 Schweine geplant
Derzeit werden in Düben von Leon van Dijck, dem Inhaber der Schweinehaltung Düben GmbH und Co. KG, 16.380 Tiere gehalten, nach der geplanten Erweiterung von derzeit 5,5 Hektar Fläche auf dann 13 Hektar in Düben und Buko wird die Zahl der Tierplätze mit 27.638 benannt. Hinzu sollen unter anderem zwei neue Ställe, drei Güllehochbehälter, ein Gülleauffüllplatz, zwei Güllevorgruben und 14 Futtersilos kommen. Zu den Planungen gehören auch Umbauten der bestehenden Anlage.
Befürworter der Erweiterung berufen sich auf wirtschaftliche Aspekte und den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Gegner des Vorhabens beziehen ihre Argumente vor allem aus Tier- und Naturschutz. Vor allem Vertreter der Bürgerinitiative „Saustall Düben“ haben in den vergangenen Monaten den Prozess aus Abstimmungen und Anhörungen begleitet und immer wieder versucht, ihre Vorbehalte zu Gehör zu bringen.
Das fruchtete unterschiedlich. Während sich der Dübener Ortschaftsrat jüngst gegen die Beschlüsse aussprach, die nun in den Stadtrat gelangen, votierten sowohl der Ortschaftsrat des Nachbarortes Buko als auch zuletzt der Coswiger Bauausschuss dafür.
Erwartbar ist, dass der Stadtrat am Donnerstag diesem Trend folgt und es keine Überraschungen geben wird, zumal die Einwohnerfragestunde vor den Beschlussfassungen keine Anfragen zulässt, die sich auf die aktuelle Tagesordnung beziehen. Man wird also zügig zur Abstimmung übergehen und als erstes Papier den Durchführungsvertrag „Schweinehaltung Düben“ behandeln.
Große Tierhaltungsanlagen sind in Deutschland genehmigungspflichtig. Seit 1974 regelt das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bundesweit einheitlich, unter welchen Bedingungen Tierhaltungsanlagen betrieben werden können. Ziel des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens ist der Schutz der Menschen und der Umwelt sowie der Menschen, die in den genehmigungspflichtigen Ställen arbeiten.
Informationen über die geplanten Stallneubauten sind in den meisten Bundesländern nicht frei zugänglich. Lediglich Sachsen-Anhalt informiert regelmäßig über Anträge für Mastanlagen. Das Statistische Landesamt veröffentlicht in großen Abständen auch Zahlen zu den Beständen. So gibt es Erhebungen über landwirtschaftliche Betriebe mit Schweinen.
Im Landkreis Wittenberg, geht hervor, waren 2007 74 solcher Betriebe gemeldet, 2015 waren es nur noch 21. Gestiegen ist jedoch die Zahl der Schweine von 94 000 im Jahr 2007 auf 120 000 im vergangenen Jahr. Damit liegt der Landkreis im Landesmittel. Mit 223 000 Tieren in der Börde und 164 000 im Jerichower Land liegen im Norden vor allem die großen Anlagen.
Einen Überblick über Viehhaltung und Fleischproduktion in Deutschland gibt der in diesem Jahr erschienene „Fleischatlas“ von Heinrich Böll Stiftung und BUND. Er liefert Daten und Fakten, die nach Bundesländern aufgeschlüsselt sind. In Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen gibt es, laut dem „Fleischatlas“, immer wieder erheblich Widerstand der Bevölkerung gegen Großställe, die zudem Böden und Gewässer belasten.
Allein die Region Weser-Ems, Kerngebiet der Tierhaltung in Niedersachsen, muss fast 2,3 Millionen Tonnen Gülle abtransportieren, weil die Böden die große Menge nicht mehr aufnehmen können. (mz/ihi)
Der beinhaltet die schriftliche Festlegung einer ganzen Reihe von Verpflichtungen und Fristen der Vorhabenträgerin, also der Schweinehaltung Düben GmbH und Co. Das Unternehmen muss demnach spätestens zwei Jahre nach Bestandskraft der ausgereichten Genehmigung mit dem Vorhaben beginnen und dieses innerhalb eines Zeitraumes von weiteren zwei Jahren fertigstellen. Der Vertrag regelt die Einhaltung von Fristen und Auflagen über die Straßenreinigung beim Bau, Wegebaumaßnahmen und Verkehrsführung.
700 Seiten Abwägung für Stadträte von Düben
Mit fast 700 Seiten bot der danach abzustimmende Abwägungsbeschluss den Stadträten reichlich Lesestoff im Vorfeld. Er enthält Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange und aus der Öffentlichkeit. Stadtplaner Boris Krmela war bereits im Ortschaftsrat Düben ausführlich darauf eingegangen und hatte es mit Beispielen unterlegt.
Sein Dessauer Büro befasste sich mit den Argumenten und Einwendungen von Fachbehörden und Privatpersonen. „Planerisch sind wir auf halber Strecke, denn der Bebauungsplan ist lediglich der Rahmen für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren“, so Krmela.
Diese Prüfung nach Bundesimmissionsschutzgesetz – kurz BImSCHG – wird sich anschließen und ein Großteil der bislang eingereichten Stellungnahmen aus der Bevölkerung ist in diesem Prozess besser aufgehoben als bei der jetzt zu beschließenden Abwägung. Erst im BImSCHG-Verfahren geht es nämlich um die konkreten Anlagen und deren Arbeitsweise. „Der Bebauungsplan sagt, an dieser Stelle soll es stehen“, sagte Krmela im Ortschaftsrat.
Welche Maschinentypen und Anlagen das sein werden, wie sie arbeiten und welche Auswirkungen dies haben wird, damit befasst sich erst der weitere Prozess, der in Gang gesetzt wird, wenn der Stadtrat am Donnerstag auch den Satzungsbeschluss befürwortet und die Stadt Coswig den Bebauungsplan dem Landkreis zur Genehmigung vorlegen muss.
Naturschutzbund hat Klage angekündigt
Die folgende erneute öffentliche Auslegung des Planes wird mutmaßlich mit einer Klage einher gehen. „Ein anerkannter Naturschutzbund wird diese Klage einreichen und Verfahrensmängel und Formfehler aufführen“, kündigte am Montag Astrid Günther-Schmidt an. Die Volkswirtin aus Ostsachsen, die die Bürgerinitiative „Saustall Düben“ berät, sieht in einem möglichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gute Chancen für die klagende Seite.
„Jedes Verwaltungsgericht würde das auch so sehen“, äußerte sie sich über die verfahrenstechnischen Mängel der Stadt Coswig. „Ich kann nicht verstehen, warum die Stadt ein solch hohes Risiko eingeht. Sie könnte Probleme lösen, indem sie Sitzungen nachholt, die aus unserer Sicht nicht ordentlich zustande gekommen sind“, so Günther-Schmidt.
Ihrer Meinung nach könne der Erfolg einer Klage den gesamten Planungsprozess gehörig aufhalten. Nach der Offenlegung habe man dafür zwölf Monate Zeit. Dass dann vermutlich angelaufene BImSCHG-Verfahren würde jedoch stocken, weil ein genehmigter Bebauungsplan dafür Voraussetzung ist.
Günther-Schmidt, die Gegner solch großer Viehzuchtanlagen wie in Düben als „Überzeugungstäterin“ unterstützt, ist froh dass Argumente aus der Bevölkerung immer mehr an Gewicht gewinnen. Davon wird man auch aus Düben hören, wenn die nächsten Stellungnahmen eingereicht werden können. (mz)