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Heporö in Zemnick Heporö in Zemnick: Suchtkranke finden Optimismus wieder

Von Evelyn Jochade 16.06.2017, 11:40
Amelie hilft der Heporö-Geschäftsführerin Simone Rohde in Zemnick beim Pflanzen des kleinen Apfelbaums der Sorte Boskoop.
Amelie hilft der Heporö-Geschäftsführerin Simone Rohde in Zemnick beim Pflanzen des kleinen Apfelbaums der Sorte Boskoop. E. Jochade

Zemnick - Wenn man es genau nähme, wäre das schon das 24. Treffen der „Ehemaligen“. Peter Slavicek, seit fünf Jahren Heimleiter der Zemnicker Einrichtung für suchtkranke Frauen und Männer, arbeitet hier seit 1994 und ein gewisser Stolz auf das durch die vier Standbeine der Heporö gGmbH Geleistete ist ihm anzumerken.

Neben dem Übergangswohnheim in Zemnick, dem Rösenhof in Meltendorf, den er ebenfalls leitet, gibt es da noch das Intensiv betreute Wohnen in Gielsdorf und das Ambulant betreute Wohnen in Jessen, Elster und Meltendorf. In allen vier Standorten werden derzeit 80 Männer und Frauen betreut.

Hier in Zemnick sind es 27. Zumeist sind die 30 Plätze gut belegt, wobei der Anteil der Männer stets größer ist als der der Frauen.

Zumeist für 18 Monate

„Leider“, so die Heporö-Geschäftsführerin Simone Rohde, „nimmt der Anteil der Mehrfachdiagnosen zu. Da kommt zu den Alkoholproblemen auch noch der Missbrauch anderer Drogen.“ Nach einem dreimonatigen Aufenthalt in einer Fachklinik, wo die Patienten beweisen müssen, dass der Wille zum Ausstieg aus der Sucht vorhanden ist, leben sie im Anschluss hier im Schnitt 18 Monate.

Der Erfolg der Heporö gGmbH als nichtklinischer Einrichtung begründet sich einerseits in der aufopfernden fachlichen Betreuung, andererseits in ihrer Spezifik. Das mehrere Hektar umfassende Gelände bietet Raum für die Bewohner, sich zu beschäftigen. Schweine und Esel sind sozusagen Co-Therapeuten. Ihnen kann man durchaus sein Herz ausschütten. Gleich neben dem Auslauf für die Esel hatten fleißige Hände schon ein Pflanzloch ausgehoben, denn traditionsgemäß wird zum Hausfest ein Baum gepflanzt.

Pfarrer Thomas Meinhof begleitete die Aktion musikalisch und mit Worten: „Viele, die hier wohnen, wissen, wie es ist, wenn eine Welt zusammenbricht. Aber sie haben für sich einen neuen Weg gefunden. So wie Luther, der auch erst einmal allein stand. Luther hat in Vertrauen auf Gott und die heilige Schrift die Welt verändert. Das kann nicht jeder. Aber sich selbst ändern, das kann man schon.“

Und der Pfarrer zitierte die bekannte Aussage des Reformators: „Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Das Apfelbäumchen der Sorte Boskoop wurde in die Erde gesetzt und neben anderem von der fast dreijährigen Amelie aus Wittenberg reichlich angegossen.

Die Zeit in Zemnick soll ein Brückenschlag in ein neues, ganz normales Leben sein. So hatte es 1993 Friedhelm Röse konzipiert und in diesem Sinne führt seine Tochter als Geschäftsführerin die Arbeit fort. Die Verbundenheit ehemaliger Bewohner mit Zemnick ist nach wie vor groß, denn immerhin 70 kamen und einige berichteten über ihre Zeit in dem Übergangswohnheim und wie es ihnen heute geht.

Das frühere Schullandheim, welches umgebaut und modernisiert nun die Einrichtung beherbergt, bezeichnen viele von ihnen als „Ort ihrer zweiten Geburt“. Durch solche Aussagen sehen sich die Heporö-Mitarbeiter belohnt und sie spornen jene an, die noch einige Zeit vor sich haben.

Stets Ansprechpartner

So wie Knut Peukert. Der 56-jährige Hallenser, der nach einer trockenen Zeit vor 14 Jahren doch wieder abstürzte, will es diesmal wissen. „Hier hat man die gleichen Probleme wie draußen. Aber hier hat man Ansprechpartner, die helfen.“

Zur Zeit lebt er im Intensiv betreuten Wohnen in Meltendorf und kommt zur Therapie herüber. Als großes Glück sieht er, dass es wieder Kontakt zu seinem erwachsenen Sohn gibt. Der hatte mit sich gerungen und letztlich gesagt: „Du bist doch mein Papa und jetzt kann ich auch wieder stolz auf dich sein.“

Vor der Therapie sei er, so erzählt Peukert, in Selbstmitleid zerflossen. Haus weg, Familie weg, Auto weg. Doch das brachte ihn nicht weiter. „Heute sehe ich wieder optimistisch in die Zukunft. Aber Wünsche und Träume habe ich noch. Eine neue Partnerin beispielsweise. Einfach ein kleines Glück.Das möchte ich noch mal haben.“

Grit Hildebrandt (47) aus Leipzig kann da nur zustimmen. Sie hat ihre Therapie vor zwei Jahren erfolgreich beendet und sagt: „Das hier war eine harte Schule. Aber ich habe meine Zufriedenheit wiedergefunden. Ich lernte und lerne erneut eine Tagesstruktur und was draußen wichtig ist.“ Allerdings verrieten beide der MZ, dass sie trotz allem noch ein klein wenig süchtig sind: „Unsere Ersatzdrogen heißen Kaffee und Süßigkeiten.“

(mz)