850. Jahre Albrecht der Bär Stadt Ballenstedt lässt Grablege Albrecht der Bär restaurieren: Besucher sollen mit Restauratoren in Krypta reden

Ballenstedt - Die Szene auf dem Ballenstedter Schlosshof hat Symbolkraft: Der Sockel mit der Inschrift „Albrecht der Bär“ ist verwaist. Der darauf stehen sollte, steht daneben. Bewusst, denn der mittelalterliche Herrscher (1100-1170) bekommt so menschlichere Züge, lässt sich auf Augenhöhe begegnen. Ganz neu. Und eben das soll sich auch an anderen Orten im Schloss fortsetzen.
Im 850. Todesjahr Albrechts macht sich die Stadt Ballenstedt an die Modernisierung und museale Erweiterung seiner Grablege und der Krypta. In Vorbereitung der Arbeiten trafen sich am Dienstag Vertreter vom Bau- und Kulturamt der Stadt mit Architekten vor Ort.
Das Projekt ruht auf verschiedenen Säulen, und mit einer „Baustellen-Ausstellung“ will die Stadt Besuchern das Vorhaben verständlich machen.
Auf den mannshohen Bannern mit Bildern und Texten überwiegt der Text. Aber der, so Kulturamtsleiter Christian Mühldorfer-Vogt, soll Besucher anregen, den Restauratoren Fragen zu stellen, die demnächst mit der Arbeit beginnen und beispielsweise schadhafte Stellen im Raum beseitigen.
Restauratoren werden schadhafte Stellen in der Krypta sanieren
In ihren ursprünglichen Zustand versetzen lässt sich die Grablege nicht. Wie sie aussah, bevor der Maler und Architekt Paul Schultze-Naumburg sie 1937/38 im Sinne der Nationalsozialisten umgestaltete, weiß man heute nicht wirklich.
„Es gibt nur ein Foto“, sagt Christian Mühldorfer-Vogt. Und das zeigt etwas ganz anderes: „Wir brauchten einen Moment, um uns zu orientieren“, sagt er und stellt sich in die hintere linke Ecke des Raumes.
Er zeigt auf den Eingang mit dem schmiedeeisernen Tor: „Anstelle der Türnische gab es einen Rundbogen.“ Links und rechts war der Durchgang frei. Keine zugemauerte kleine Kammer also, sondern ein offenerer Raum muss die Grablege gewesen sein.
Über Albrechts Grab befindet sich seit der NS-Zeit eine Metallplatte, die den Herrscher als „Wegbereiter ins deutsche Ostland“ bezeichnet. „Damit wollte man die Napola-Schüler manipulieren“, sagt Mühldorfer-Vogt mit Blick auf den Großen Ziegenberg in Ballenstedt, wo Kinder und Jugendliche zur nationalsozialistischen Elite ausgebildet werden sollten.
Mit der historischen Person Albrechts habe diese Darstellung nichts zu tun: „Er war ein mittelalterlicher Herrscher, hat draufgehauen und sich legendäre Kämpfe mit Heinrich dem Löwen geliefert. Aber ein Nationalsozialist war er ganz sicher nicht.“
Die Platte soll deshalb nicht länger über dem Grab stehen, sondern als Teil der neuen Ausstellung in den Vorraum wechseln. Und die schmiedeeiserne Tür, die derzeit noch den direkten Blick auf das Grab verhindert? „Wir sind uns relativ sicher, dass sie von Schultze-Naumburg gefertigt wurde. Wir wollen sie auflassen, um mehr Transparenz zu schaffen“, sagt der Kulturamtsleiter.
Statt der Metallplatte aus den 1930er Jahren ist ein Kunstwerk geplant
Albrecht dem Bären soll mit der Neugestaltung die Würde zurückgegeben werden, so Mühldorfer-Vogt. Zurückhaltung ist dabei ein Gestaltungsprinzip. Die Lücke, die die Wegnahme der Metallplatte hinterlässt, soll durch zeitgenössische Kunst geschlossen werden. Die Stadt will dabei mit der Kunststiftung Sachsen-Anhalt zusammenarbeiten, um dafür Künstler zu finden.
Thema soll das Memoria sein, das rituelle Totengedenken, das zu Albrechts Zeiten besondere Bedeutung hatte, erklärt Christian Mühldorfer-Vogt: „Damals dachte man: Wenn ich tot bin, dann brauche ich im Diesseits jemanden, der täglich für mein Wohlergehen betet.“
Darüber hinaus soll ein Lichtdesigner beauftragt werden, den Raum neu auszuleuchten. Christian Mühldorfer-Vogt verweist auf die Gestaltung in der Quedlinburger Wipertikirche: „Die ist optimal ausgeleuchtet“, sagt er. Das wünscht er sich auch für die Grablege und die Krypta in Ballenstedt.
In der Krypta sollen außerdem der Fußboden saniert und andere Schäden beseitigt werden. So ist ein Säulenkapitell teilweise mit braunroter Farbe angestrichen - ein Frevel aus DDR-Zeiten, in denen das Schloss als Forstschule gedient hat.
Doch auch weit früher wurde nicht immer feinfühlig mit den historischen Mauern umgegangen. „Mitte des 18. Jahrhunderts hat man hier eine Wand eingezogen“, sagt der Kulturamtsleiter. Ändern lässt sich das nicht mehr.
Virtuelle Reise
Aber wenigstens virtuell würde Christian Mühldorfer-Vogt Besuchern künftig die Krypta so zeigen wollen, wie sie im 12. Jahrhundert wohl ausgesehen haben muss. Er kann sich gut vorstellen, dass dafür Spezialbrillen wie bei Computerspielen genutzt werden können, die mit entsprechenden Programmen gespeist werden. „Ich finde das sehr angemessen“, sagt er. „Es wäre kein Eingriff in die historische Substanz, bietet aber einen hohen Bildungswert.“
Im Frühjahr 2021 sollen die neugestalteten Bereiche - sie gehören auch zur Straße der Romanik - eröffnet werden. Bis dahin wird die „Baustellen-Ausstellung“ informieren, „die Zeit überbrücken und einen deutlichen Mehrwert bieten“, erklärt der Amtsleiter: „Die grundlegende Idee hierfür ist, dass wir unsere Museen als transparente Einrichtungen verstehen.“
(mz)
