1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. Kälte, Sturm, kein Öl: Havarie bei den Harzer Schmalspurbahnen: Fragen und Antworten zur Bergung der vereisten Lok am Brocken

Kälte, Sturm, kein Öl Havarie bei den Harzer Schmalspurbahnen: Fragen und Antworten zur Bergung der vereisten Lok am Brocken

Von Felix Fahnert 12.01.2019, 14:55
Um die vereiste Lok wieder rollfähig zu machen, mussten Teile erwärmt oder abmontiert werden.
Um die vereiste Lok wieder rollfähig zu machen, mussten Teile erwärmt oder abmontiert werden. Matthias Bein

Schierke - Überglücklich und erleichtert waren die Mitarbeiter der Harzer Schmalspurbahnen, als die vereiste Dampflokomotive nach den drei Tage andauernden Bergungsarbeiten am Donnerstagabend am Bahnhof Westerntor ankam. Mittlerweile läuft der Zugverkehr zum Brocken wieder. Nach der erfolgreichen Rettungsaktion tauchen nun jedoch etliche Fragen zu den genauen Abläufen und den Hintergründen auf. Die MZ hat die Antworten.

Was passiert jetzt mit der Dampflokomotive?
Die vereiste Lok muss in der Werkstatt am Bahnhof Westerntor zunächst mehrere Tage auftauen. Ab Montag soll sie von Experten begutachtet und auf eventuelle Schäden untersucht werden.

Warum ist der Dampfzug am Dienstag trotz Schneesturms überhaupt noch auf den Brocken gefahren?
Der Zug, der 10.30 Uhr in Wernigerode startete, war der letzte, der am Dienstag planmäßig zum Brocken fahren sollte. Denn gegen 11.30 Uhr wurde der Zugverkehr wegen des Wetters vorsorglich eingestellt. In erster Linie sollte er deshalb die Menschen, die mit den beiden vorherigen Zügen am Vormittag nach oben gefahren waren und dort warteten, zurück ins Tal bringen.

Hätten die Touristen nicht gleich mit Straßenfahrzeugen zurück gefahren werden müssen, wie es am Ende passiert ist?
Nach Angaben der HSB sei die Lage, als der betreffende Zug in Wernigerode losgefahren ist, in dieser Form noch nicht absehbar gewesen. „Auf Basis der Fakten zu dieser Zeit haben alle richtig und verantwortungsbewusst entschieden“, sagt Sprecher Dirk Bahnsen.
Man hätte in ständiger Absprache mit der Wetterwarte auf dem Brocken gestanden. Eine Stunde später wurde dann entschieden, den Verkehr einzustellen. Anschließend habe sich die Sachlage dann verändert dargestellt. Trotzdem gesteht Bahnsen: „Die Frage ist natürlich berechtigt.“

Warum wurde die Lok auf dem Brocken nicht auf geringer Hitze weiter beheizt, um nicht zu vereisen?
Das wäre nur eine Möglichkeit gewesen, wenn sie noch im Laufe des Dienstages freigeräumt worden wäre. „Wir haben die Lok erst kaltgemacht, als klar war, dass wir sie am Dienstag nicht mehr nach unten bekommen“, sagt Dirk Bahnsen. Für ein kontinuierliches Weiterbeheizen hätte ständig und auch über Nacht Personal zur Beheizung und Betreuung vor Ort bleiben müssen - wohlgemerkt bei arktischen Bedingungen.

Warum wurden die Treibstangen vor der Talfahrt demontiert?
Um Schäden an der Lok zu vermeiden. „Gefrorenes Kondenswasser im Zylinder kann ansonsten bei der Bewegung zu erheblichen Schäden führen“, so Bahnsen. Ausschlaggebend hierfür war auch, dass die Schmierpumpen nicht aktiv waren.

Warum drohte schlimmstenfalls eine Entgleisung der Lokomotive?
Eine Entgleisung hätte nur gedroht, wenn die Lok vorher nicht richtig enteist und für den Transport vorbereitet worden wäre. Durch das viele Wasser beim Entwässern bildeten sich große Eisblöcke an der Lokomotive. „Wenn man die nicht sieht, können sich Teile bei der Bewegung verhaken und die Lok aushebeln“, erklärt Bahnsen.
Deshalb hämmerten die HSB-Mitarbeiter auf dem Brocken die Eisblöcke mit schwerem Eisenwerkzeug ab. Zudem wurde vor der Beförderung ins Tal eine Rollprobe der Lokomotive durchgeführt, die erfolgreich war.

Wieviel Liter Wasser befanden sich noch im Kessel der Lok?

Das konnte die HSB nicht genau sagen. Allerdings war das Wasser im Kessel offenbar noch nicht oder nicht vollständig gefroren - trotz der Standzeit von zwei Tagen. „Das Wasser in den Wasserstandsgläsern, die sich an den Bedienelementen befinden, hat sich noch leicht bewegt“, berichtet Bahnsen.
Dies lasse darauf schließen, dass das Wasser im gut isolierten Kessel noch nicht vollständig gefroren war. Komplett mit Wasser gefüllt ist der Kessel aus physikalischen Gründen nie.

Wie viel hat die gesamte Bergung gekostet?

Dazu konnten die HSB noch keine Aussage treffen. „Welche Schäden an der Lok entstanden sind, das können wir erst Anfang kommender Woche sagen“, sagt Dirk Bahnsen. Abgesehen davon dürften sich die Kosten jedoch in Grenzen halten, denn die Harzer Schmalspurbahnen haben die Bergung fast ausschließlich mit eigenen Einsatzkräften und -geräten stemmen können.
„Wir mussten zum Glück keine schweren Geräte von außen dazuholen“, sagt Bahnsen. Als einzige externe Kraft war am Dienstag die Feuerwehr aktiv, die sich am Abend um die ins Tal gebrachten Fahrgäste kümmerte. Diese hat jedoch bereits angekündigt, dass sie ihren Einsatz nicht in Rechnung stellen wird. „Dafür sind wir wahnsinnig dankbar“, betont Bahnsen.

Handelte es sich bei der Bergung um eine Routineeinsatz?
Nein. „Eine ähnliche Situation hat es in der Geschichte der HSB noch nicht gegeben“, sagte Dirk Bahnsen. Entsprechend erleichtert waren die Mitarbeiter, als die vereiste Dampflokomotive am Donnerstagabend am Bahnhof Westerntor in Wernigerode ankam.
„Als die Lok im Scheinwerferlicht und unter Applaus eingefahren ist, hat man Gänsehaut bekommen. Das war eine tolle Szene, uns allen ist ein großer Stein vom Herzen gefallen“, gesteht Bahnsen. Immerhin sei man drei Tage im Dauereinsatz gewesen und habe die ganze Zeit mitgefiebert.
Das wichtigste sei, dass niemand verletzt wurde und alle wohlbehalten wieder im Tal angekommen seien. Bahnsen betonte zudem, er sei „sehr stolz auf die Mitarbeiter“ der Harzer Schmalspurbahnen. „Die haben wirklich eine großartige Leistung vollbracht.“ (mz)