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Faktencheck Teil 2 Faktencheck Teil 2: Was ist dran an den Mythen zum Brocken?

03.06.2018, 08:55
Sonnenuntergang hinter dem Brocken
Sonnenuntergang hinter dem Brocken Ingo Kugenbuch

Brocken - „Immer wieder wird in Print-Veröffentlichungen und im Internet – entgegen allen Regeln der sorgfältigen und kritischen Arbeitsweise – abgeschrieben und übernommen, ohne dass man sich die Mühe macht, die Originalquellen zu lesen oder richtig zu zitieren“, ärgert sich Friedhart Knolle, der Sprecher des Nationalparks Harz.

Weil sich „Fehler und falsche, längst widerlegte Ansichten manchmal über Jahrzehnte und länger durch zahllose Publikationen“ schleppen würden, hat der Geologe und Naturschützer unlängst bei Facebook einige klassische Irrtümer richtig gestellt, die hier etwas ausführlicher erklärt werden. (mz)

Der Ursprung des Namens „Brocken“ ist offenbar nicht leicht zu klären.

„Das Thema wirft bis heute schwierige Fragen auf“, meint Friedhart Knolle.

Trotzdem sei es unverzeihlich, dass hierzu immer noch die abwegigsten Thesen kolportiert würden, obwohl die meisten schon von Friedrich Dennert widerlegt worden seien. Dennert sei letztlich zu dem Schluss gekommen, dass der Name höchstwahrscheinlich vom Begriff „Bruch“ bzw. dem niederdeutschen „Braake“ abgeleitet werden kann.

Diese Wörter stehen für ein  Bruch-, Sumpf- oder Moorgebiet, was ja auch für einen guten Teil des Brockens zutrifft. 

„Bruch“ ist übrigens auch  im Namen Bruchberg enthalten. Er ist mit 927 Metern hinter dem Wurmberg der zweithöchste Gipfel in Niedersachsen.

Der Name „Blocksberg“ für den Brocken ist nach Ansicht von Knolle erst sehr viel später entstanden. „Zwar wird auch diese Deutung kritisch hinterfragt, aber bis zur Präsentation einer überzeugenderen Herleitung kann diese wohlbegründete Annahme immer noch als Stand der Forschung gelten“, so Friedhart Knolle.

Und der Harz?

„Seinen Namen verdankt der Harz seiner rauen Landschaft und dem harten Klima: Er stammt vermutlich vom mittelhochdeutschen Begriff ,hart‘“, heißt es auf der Website Planet-Wissen.de.

Und „hart“ bedeute „raues Bergland“ - also eine schwer zu besiedelnde Region, wie der Harz eine war. Knapp daneben. Tatsächlich, so Knolle, werde der Name „Harz“ von dem Begriff „Hard“ (Althochdeutsch) bzw. „Hardt“ (Germanisch) hergeleitet, was letztlich einfach für „Bergwald“ oder  „waldiger Höhenzug“ stehe. (mz)

„Immer noch hört man hin und wieder, der Brocken sei ein Vulkan gewesen, obwohl dieser geologische Nonsens nicht mehr allzu weit verbreitet ist“, so Friedhart Knolle.

Trotzdem habe er noch am 18. September 2013 in den erläuternden Ansagen im Traditionszug der Brockenbahn - munter und voller Selbstbewusstsein erzählt - diese Legende gehört. „Und fast alle Passagiere glaubten es.“

Richtig sei vielmehr, dass der Brocken aus granitischen Gesteinen des sogenannten Brockenplutons aufgebaut ist.

Dieses  zähe, aber fließfähige granitische Magma sei entstanden, als sich die Gebirgswurzel - also der tief in den Untergrund reichende Teil des Gebirges - durch Plattentektonik tief abgesenkt hatte, teilweise schmolz, dann wieder aufstieg und vor etwa 293 Millionen  Jahren in der Erdkruste erkaltete, ohne jedoch vulkanisch auszubrechen.

„Diesen Vorgang nennt man Plutonismus - daher ist der Brockengranit ein plutonisches Gestein“, sagt der promovierte Geologe Knolle.

Allerdings: Es existieren in Deutschland durchaus Vulkane - jedoch sind sie alle nicht mehr aktiv. Beispielsweise gibt es die Vulkaneifel - hier findet man  nach Angaben von Experten die weltweit höchste Dichte an Vulkanen.

Und auch in Mitteldeutschland gibt es ehemals feuerspeiende Berge. So ist die Stadt Stolpen bei Dresden für ihre Basaltsäulen bekannt, die  durch Vulkanismus entstanden sind.

Das Wort „Basalt“ wurde hier übrigens sogar erfunden - und jedes Jahr wird eine „Basaltkönigin“ gekürt.

Wer sich in der Nähe  einen aktiven Vulkan anschauen möchte, braucht nur in den Wörlitzer Park zu fahren. Dort bricht alle paar Jahre ein  künstlicher Vesuv aus. Die nächsten Spektakel sind  am 25. und am 26. August geplant. (mz)

Immer noch würden für den Brocken viel zu niedrige Durchschnittstemperaturen angegeben und „wieder und wieder unkritisch abgeschrieben“, kritisiert Friedhart Knolle.

Durch den Klimawandel liege die Jahresdurchschnittstemperatur der Luft im Bereich der Brockenkuppe heute nach den Daten des Deutschen Wetterdienstes schon bei etwa 4 Grad - mit steigender Tendenz.

Das ändert jedoch nichts daran, dass es im Winter knackig kalt auf der exponierten Brockenkuppe werden kann.

Im März ging ein Bild der Deutschen Presse-Agentur (dpa) durch die Print-Medien im ganzen Land: Auf ihm war der dick vermummte Marc Kinkeldey zu sehen, der auf der Wetterwarte auf dem Brocken arbeitet - einem der kältesten Arbeitsplätze Deutschlands.

Das Thermometer auf dem Dach der Wetterstation zeigte am 1. März frostige minus 19 Grad an.

„Gefühlt sind es hier sogar etwa minus 55 Grad“, sagte Kinkeldey damals der dpa. Denn über den Brocken, dessen Klima dem eines 2.200 Meter hohen Alpen-Berges entspricht, brausten an diesem Tag  bis zu 110 Kilometer pro Stunde schnelle Sturmböen.

Andererseits wurden auf dem Brocken in jüngster Zeit auch Wärmerekorde gemessen. So kratzte etwa der 3. November 2015 an der 20-Grad-Marke.

Mit 19,8 Grad war das der wärmste Novembertag seit 1895 auf dem Gipfel - mit einer Fernsicht von bis zu 150 Kilometern. Und der vergangene Monat war laut Knolle der wärmste April seit Beginn der Wetter-Aufzeichnungen. (mz)

Der 1890 von Albert Peter gegründete und heute vom Nationalpark Harz betriebene Brockengarten wird gern als der älteste alpine Pflanzengarten Europas und manchmal sogar der Welt bezeichnet.

„Das stimmt so keinesfalls“, betont Friedhart Knolle. „Allenfalls ist er der älteste des heutigen Deutschlands - aber er ist noch nicht einmal der älteste Alpingarten des deutschsprachigen Raums.“

Denn der Alpengarten am Wiener Schloss Belvedere gilt als der älteste in Europa. Allerdings sei der Brockengarten bei seiner Gründung der wissenschaftlich wohl fortschrittlichste seiner Art weltweit gewesen.

Nach seiner Gründung im Jahr 1890 diente der Brockengarten vor allem Lehr- und Forschungszwecken. Gleichzeitig wurde er auch als öffentliche Schauanlage für Pflanzen der Hochgebirge aus aller Welt genutzt.

1961 musste er   schließen, da der Brocken zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurde. 1971 wurden die wissenschaftlichen und gärtnerischen Arbeiten eingestellt.

Die Arbeiten zum Wiederaufbau des Brockengartens begannen 1990 gemeinsam durch die Botanischen Gärten der Universitäten Halle und Göttingen sowie die Nationalparkverwaltung.

Der Brockengarten ist in diesem Jahr übrigens eine Woche früher in die neue Saison gestartet als geplant - nämlich bereits am 7. Mai.

Grund: Nach der milden Witterung im April haben  die Anemonen auf der Kuppe schon am 27. April zu blühen begonnen. Die Blüte der Anemonen läutet traditionell die Besucher-Saison  ein. Bis Mitte Oktober können Gäste den Garten in Begleitung zweimal täglich besuchen. (mz)

Gibt es eine Art Edmund Hillary des Harzes? „Sicherlich haben die ersten Menschen schon in der Steinzeit die Brockenkuppe betreten - mit wie viel Firneis sie teilweise in den Eiszeiten auch bedeckt gewesen sein mag“, meint Friedhart Knolle.

„Wir wissen, dass sogar die Neandertaler schon im Oberharz waren - ihre Spuren in Form von Werkzeugen haben sie zum Beispiel  im nahen Rübeland hinterlassen.“

Es werde immer noch verbreitet, der Nordhäuser Arzt Johannes Thal sei im Zuge seiner botanischen Untersuchungen vor 1572 der erste bekannte Gipfelstürmer gewesen, so Knolle.

Doch schon vor ihm war  der Gelehrte Tilemann Stella zu kartographischen Zwecken auf dem Gipfel, und Friedrich Dennert hat in seiner umfassenden historischen Arbeit zum Brocken  festgestellt, dass die erste nachgewiesene Brockenbesteigung bereits um 1460 stattfand - festgehalten in der sogenannten Erfurt-Leidener Handschrift. (mz)

Den heutigen Goetheweg habe Johann Wolfgang Goethe (er war damals noch nicht geadelt) nie gesehen, so Friedhart Knolle.

Und: „Der Goetheweg war nicht Goethes Weg - jedenfalls ist seine präzise Route unbekannt.“

Vielmehr sei der Goetheweg 1891 vom Harzklub als Weg befestigt und ausgebaut worden - erst danach habe sich dieser Name überhaupt durchgesetzt. Gern werde auch immer noch erzählt und geschrieben, dass Goethe 1777 als erster den Brocken im Winter bestiegen habe, so Knolle.

„Auch in dieser Jahreszeit gab es bereits vor ihm Wagemutige -  und zudem war er ja gar nicht allein auf dem Berg, sondern wurde vom Torfhaus-Förster Johann Christoph Degen geführt.“ (mz)