1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Anhalt-Bitterfeld
  6. >
  7. Pendler: Pendler in Anhalt-Bitterfeld: Mehr Menschen finden Job gleich nebenan

Pendler Pendler in Anhalt-Bitterfeld: Mehr Menschen finden Job gleich nebenan

Von Christine Färber 26.07.2016, 16:13

Bitterfeld - 37 Kilometer hin. 37 Kilometer zurück. Das ist Udo Mölles Weg zum Job. Der befindet sich in Dessau, wo Mölle als pädagogischer Mitarbeiter in einer Förderschule arbeitet. Seit gut 20 Jahren ist er so unterwegs. Auch seine Frau.

Damit gehören Mölles zu den knapp 24.000 Arbeitnehmern, die Werktag für Werktag den Landkreis verlassen - über 5.000 übrigens allein in Richtung Dessau-Roßlau. Und der Trend hält an.

Pendeln gehört für viele zum Alltag

Eigentlich, sagt Mölle, würden er und seine Frau lieber hier in der Nähe ihres Wohnortes Zscherndorf arbeiten. „Aber wir sind ja nicht bei: ,Wünsch’ dir was’“, meint er. Auch für Laura Gonschorek vom BUND ist das Pendeln längst Alltag. Allerdings gehört sie zu denen, die in den Landkreis kommen. Und das sind weit weniger als die, die ihn täglich verlassen. Nur rund 15.500. Die so genannten Einpendler fahren vor allem aus Dessau-Roßlau nach Anhalt-Bitterfeld.

Laura Gonschorek indes kommt aus Halle. Und sie hat sich die Stelle in Holzweißig, anders als Mölles, ganz bewusst ausgewählt. Weil es die - und ausschließlich die sollte es sein - nur hier gibt.

Hiesige Firmen suchen mehr Mitarbeiter

„Jede Woche pendeln tausende Arbeitnehmer von zu Hause weg, um außerhalb der Heimatregion ihrem Job nachzugehen. In der Vergangenheit war das oft die einzige Möglichkeit, eine Arbeitsstelle zu finden. Inzwischen aber hat sich die Situation geändert“, sagt Arbeitsagentur-Bereichsleiterin Iris Naumann. Heute suchten viele Firmen hierzulande Fachkräfte.

Ist pendeln also überhaupt noch zeitgemäß? Darüber muss Marion Tuchel, Sprecherin der Behörde, nicht lange nachdenken. „Pendelt einer zwischen Bitterfeld und Dessau oder Halle und Bitterfeld - klar, das ist bei der tollen Infrastruktur und mit einem guten Arbeitsplatz sinnvoll“, sagt sie.

Immer weniger pendeln in alte Bundesländer

Und man werde sehen, dass mit Fertigstellung der B 6n, die den Raum Köthen infrastrukturell besser anbindet, mehr Arbeitnehmer auch aus diesem Raum unterwegs sind.

Damit rechnet jedenfalls die Arbeitsagentur. Dann, wenn man nicht mehr die engen, langsamen Straßen benutzen muss, lohne sich die Rechnung von Aufwand und Nutzen, von investierter Zeit und verdientem Geld. Branchen übrigens, die Leute aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld in andere Regionen ziehen, sind vor allem verarbeitendes Gewerbe, Bau, Handel, Verkehr. Ähnlich allerdings sind auch die Jobs in den Branchen, die Leute nach Anhalt-Bitterfeld locken.

„Aber pendeln in die alten Bundesländer, das muss heute nicht mehr sein. Die Rahmenbedingungen haben sich rigoros geändert: Der Fachkräftebedarf ist hier jetzt sehr groß - vom Helfer bis zum Spezialisten werden Leute gesucht.“ Und das macht sich in der Statistik bemerkbar: „Die Anzahl dieser Pendler hat deutlich abgenommen.“

Freizeit bekommt größere Bedeutung

Warum auch sollten sich die Leute das antun? Der Anreiz ist geschmolzen: Die Schere von Mehrverdienst und Lebenshaltungskosten schließt sich allmählich. Der Arbeitsweg ist deutlich länger und die verbleibende Freizeit letztlich merklich kürzer. „All diese weichen Faktoren spielen mehr und mehr eine Rolle“, sagt Marion Tuchel. „Auch die Einstellung zu Arbeit übrigens.“ Während die Generation Babyboomer (geboren in den 60er Jahren) großen Wert auf Arbeit an sich, auf Pflichtbewusstsein etc. lege, sehe das bei der Generation Y (geboren Anfang der 80er Jahre) ganz anders aus. Projektarbeit sei da für viele das Zauberwort. Freizeit. „Für sie ist Arbeit Mittel zum Zweck, Statussymbole sind nicht wichtig“, beobachte die Agentur, so Tuchel. Und die Experten sind der Auffassung, dass sich das in den nächsten Jahren noch mehr bemerkbar machen wird.

Summa summarum geht die Behörde also nicht davon aus, dass die Anzahl der Pendler im Landkreis, die Anzahl der Pendler überhaupt, extrem steigen wird. Selbst wenn sich Mitteldeutschland weiter mit namhaften Ansiedlern wie BASF, Bayer, Porsche, BMW schmückt. Der Zscherndorfer Udo Mölle würde auch lieber um die Ecke arbeiten. Wenn der Trend anhält und das Schulamt es befürwortet, geht vielleicht auch sein Wunsch in Erfüllung. (mz)