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Gebärdensprache Gebärdensprache: Das Sprechen mit den Händen

Von Sabrina Gorges 10.07.2008, 08:01
Der Dozent Peter Schick macht sich an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal mit Gebärdensprache verständlich. (Foto: dpa)
Der Dozent Peter Schick macht sich an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal mit Gebärdensprache verständlich. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Magdeburg/dpa. - Die 25-Jährige spricht inGebärdensprache, obwohl sie hören kann. Sie studiert an derHochschule Magdeburg-Stendal Gebärdensprachdolmetschen und ist imvierten Semester. Heute übersetzt sie in einem Seminar einen Vortragüber eine Basteltechnik, den eine Kommilitonin hält. Die anderen achtStudenten nehmen Heubaum genau unter die Lupe, formen manchmal selbstGebärden und schmunzeln hin und wieder. Alle haben ein Ziel: Siewollen später eine Hilfe für rund 80 000 Gehörlose in Deutschlandsein.

Sieben Semester beträgt die Regelstudienzeit für den Bachelor-Studiengang. Interessenten sollen Vorkenntnisse etwa aus demfamiliären Bereich oder der Volkshochschule mitbringen. Auch einVorbereitungskurs wird angeboten. «Wir waren 1997 die ersteHochschule mit diesem Angebot», sagt Dozentin Regina Leven, die vorrund zehn Jahren maßgeblich am Aufbau beteiligt war. Die 51-jährigeProfessorin aus Krefeld hat selbst viele Jahre als Dolmetscherin fürGehörlose gearbeitet und kennt die Alltagssorgen. «Menschen, für diedie Welt stumm ist, haben ganz andere Anforderungen undPerspektiven», sagt Leven. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Lebenist schwer und voller Stolpersteine.

Einer, der die Studenten bei ihren Dolmetschübungen sehr genaubeobachtet, ist Peter Schick. Der Dozent kann - wie auch schon seineEltern - nichts hören und ist auf Handzeichen angewiesen. Er gibtihnen wertvolle Tipps. «Wichtig sind Emotionen», gebärdet der 44-jährige Berliner in die Runde. «Der Gehörlose muss wissen, ob derandere wütend, enttäuscht oder fröhlich ist. Das muss der Dolmetscherzweifelsfrei vermitteln.» Er ist froh, dass es den Studiengang gibt.Deutschlandweit wird er nur noch an der Universität Hamburg und derHochschule Zwickau angeboten.

Gelehrt wird die Deutsche Gebärdensprache (DGS) an der MagdeburgerHochschule ausschließlich von drei gehörlosen Dozenten. Daseigentliche Dolmetschen wird von Hörenden und Gehörlosengleichermaßen vermittelt. Auch Dialekte sind in der Gebärdenspracheein Thema. «Wenn man in einer Region lange lebt, lernt man fürbestimmte Ausdrücke bestimmte Gesten», sagt Leven. «Die können aberwiederum nur von Einheimischen verstanden werden.»

In einem Rollenspiel soll Heubaum dann zwischen zwei Hörenden undeinem Gehörlosen vermitteln. Eine anstrengende Situation für diejunge Frau aus der Nähe von Erfurt. «Wir müssen Laut- und Mundbildkombinieren, damit einzelne Wörter auseinandergehalten werdenkönnen», sagt die 25-Jährige. So haben zum Beispiel «Technik» und«Politik» das gleiche Handzeichen und können nur mittels Schnalzlautunterschieden werden. In einer solchen Gesprächssituation muss siefür beide abwechseln dolmetschen.

Später möchte die Thüringerin freiberuflich arbeiten. Sie möchteGehörlose durch eine stille Alltagswelt begleiten und ihnenunter anderem beim Arzt, in der Bank oder beim Elternabend helfen.Nach Auskunft des Bundesverbandes der GebärdensprachdolmetscherInnengibt es deutschlandweit rund 550 Übersetzer für Gehörlose, 400 davonsind in dem Verband organisiert. «Bei rund 80 000 Betroffenen kannjeder sehen, dass hier etwas nicht passt», sagt dieVerbandsvorsitzende Susanne Günther-Wick.