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Entspannungsübungen für Uniformierte Entspannungsübungen für Uniformierte: Kung-Fu-Meister unterrichtet Sachsen-Anhalts Polizei

Von Dörthe Hein 17.02.2014, 12:50
An der Fachhochschule in Aschersleben unterrichtet Kung-Fu-Großmeister Chu Tan Cuong Atemtechniken zum Stressabbau und zur Konfliktbewältigung.
An der Fachhochschule in Aschersleben unterrichtet Kung-Fu-Großmeister Chu Tan Cuong Atemtechniken zum Stressabbau und zur Konfliktbewältigung. dpa Lizenz

Aschersleben/dpa - Er kann Baseballschläger mit der Hand zertrümmern oder ein Auto über seinen Körper fahren lassen. Kung-Fu-Großmeister Chu Tan Cuong hat Deutschland mit seinen spektakulären Auftritten bei „Wetten, dass...??“ beeindruckt, war Gesicht der Sachsen-Anhalt-Kampagne "Dafür stehen wir früher auf" und ist im Guinnessbuch verewigt. Nun steht der drahtige Mann mit der Glatze und dem Schnurrbart vor zehn erwartungsvollen Männern und Frauen - allesamt Polizeibeamte in Führungspositionen. Uniformen sind tabu, stattdessen tragen sie Jeans, Pullis; Alltagskleidung eben - Dienstgrade sollen keine Rolle spielen. Eine kräftige Frau trägt hohe Absätze, die später etwas hinderlich sein werden. Bei dem Kampfsportler wollen die Polizisten etwas eigentlich Alltägliches lernen: Atmen.

Wege zur Entspannung

Chu Tan Cuongs Botschaft: Sich Zeit nehmen und den eigenen Körper pflegen. Die gestandenen Polizisten sind hier, weil sie Verantwortung tragen, schwierige Personalgespräche führen und Entscheidungen treffen müssen. Die Weiterbildung an der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben soll ihnen Wege zeigen, mit der Belastung umzugehen. Der Kung-Fu-Großmeister, der bei Halle lebt, übt mit ihnen ein Sieben-Minuten-Programm. Jeden Tag sollen sie so beginnen. Phasen höchster Anspannung wechseln mit Entspannung, bewusstes, tiefes Ein- und Ausatmen ist das A und O. Das soll helfen, Aufregung und Wut schnell unter Kontrolle zu bekommen und abzuschalten.

Die Gruppe stellt sich auf dem Linoleumboden auf, braune Gardinen halten das Sonnenlicht draußen. Breitbeinig strecken die Beamten ihre Arme so weit wie möglich nach oben und zeichnen mit vorgestrecktem Oberkörper einen riesigen Kreis bis zum Boden. Dann strecken sich die Arme wieder gen Decke. „Den Horizont eröffnen“ nennt Chu Tan Cuong diese erste Übung. Später strecken die Beamten ihre Körper auf Zehenspitzen weit nach oben - hier wären Sportschuhe den hohen Absätzen überlegen. Jede Übung wird siebenmal wiederholt. Dann die Anweisung: „Wir schieben die Energie nach vorn und die negativen Sachen zur Seite.“ Viel Kraft und Anstrengung sind gefragt.

Niemals die Kontrolle verlieren

„Man kann nicht gut kämpfen, wenn man nicht ausgeglichen ist“, sagt der Großmeister. Man verliere schnell die Kontrolle. Kämpfen benutzt er auch im übertragenen Sinn: Das tägliche Bestehen im Beruf. Überhaupt geht es bei dem Vater von sechs Kindern wenig um Faustschläge und Fußtritte. „Kampf spielt bei mir keine Rolle, noch nie.“ Gesundheit und die Einstellung zum Leben sind Mittelpunkt. Außerdem sieht er noch einen anderen Aspekt: „Ich bin Lehrer. Ein blaues Auge kann ich mir nicht erlauben.“ Der Kampfsportler hat auch Sachsen-Anhalts Imagekampagne „Dafür stehen wir früher auf“ sein Gesicht geliehen.

Chu Tan Cuong wurde vor 50 Jahren in Vietnam geboren und kam Anfang der 1980er in die DDR zum Jura-Studium. Nach der Wende machte er sein Hobby zum Beruf und entwickelte eine eigene Kung-Fu-Stilrichtung für Europäer namens „Vo Dao Vietnam“. Er hat nach eigenen Angaben 20 Schulen, in denen sie gelehrt wird. „Die Bewegungen sind für Europäer vereinfacht.“ Klare, verständliche Vorgaben und die Kürze von sieben Minuten täglich sieht der Kampfsportlehrer als geeignet: „Europäer haben nicht viel Zeit.“

Am Ende des Seminars diskutieren die Beamten darüber, ob sie sich künftig morgens sieben Minuten Zeit nehmen können. „Ich kenn' mich halt“, sagt eine junge blonde Teilnehmerin. Auf jeden Fall wolle sie öfter mal fünf Minuten in sich gehen und ruhiger werden. Ein anderer erntet etwas Gelächter mit dem Satz, schon beim Zuschauen könne er entspannen. Er schiebt hinterher: „Es funktioniert, da bin ich mir sicher.“ Jemand anderes will es „nächste Woche“ probieren.

Der Rektor der Fachhochschule, Frank Knöppler, betont, dass die Gesunderhaltung und die Förderung der Eigeninitiative bei gestandenen wie auch bei jungen Polizisten eine wachsende Rolle spielen. Er vergleicht es mit Kochrezepten: Man kann es gern nachkochen, wenn es einem zusagt.

Bei "Wetten, dass...??" beeindruckte Chu Tan Cuong mit spektakulärer Körperkunst.
Bei "Wetten, dass...??" beeindruckte Chu Tan Cuong mit spektakulärer Körperkunst.
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