Wiederbelebung Tag des Notrufs: Chefarzt aus Weißenfels verrät, wie Ersthelfer Leben retten
Anlässlich des Tags des Notrufs erklärt ein Chefarzt des Weißenfelser Klinikums, wie Ersthelfer in Notsituationen handeln sollten- und warum die Mund-zu-Mund-Beatmung gar nicht mehr so wichtig ist.

Weissenfels/MZ - Rund 10.000 Menschenleben könnten in Deutschland pro Jahr gerettet werden, wenn sich mehr Leute eine Laienreanimation trauen würden. Denn lediglich 40 Prozent der Menschen in Deutschland beginnen laut den Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters im Notfall eine Herzdruckmassage. Anlässlich des europäischen Tags des Notrufs am heutigen Freitag erklärt Dr. Andreas Hellweger, Chefarzt der Unfallchirurgie am Weißenfelser Asklepios-Klinikum, worauf Ersthelfer achten sollten.
Die Grundregel lautet „Prüfen, Rufen, Drücken“. Zunächst muss also geprüft werden, ob der Verunglückte bei Bewusstsein ist. „Man sollte die Person ansprechen. Wenn keine Reaktion kommt, kann man auch leichte Schmerzreize, beispielsweise Zwicken oder Schütteln ausüben“, so Andreas Hellweger. Die Atmung zu überprüfen sei auch möglich, doch könne sich das beispielsweise durch laute Umgebungsgeräusche schwierig gestalten.
Telefonat nicht beenden
Dann sollte unverzüglich der Notruf, die 112, gewählt werden. Darüber erreicht man die Leitstelle. Dem Disponenten am anderen Ende der Leitung muss man die wichtigsten W-Fragen beantworten. Also wo der Notfallort ist, wie viele Verletzte es gibt und welche Verletzungen sie haben. Danach sollte man nicht auflegen. „Schalten Sie den Lautsprecher des Telefons an und legen Sie es neben sich“, empfiehlt Andreas Hellweger. Denn zum einen kann es sein, dass der Disponent noch Nachfragen hat, zum anderen kann er Tipps für den nächsten Schritt geben: die Laienreanimation.
Diese einzuleiten ist enorm wichtig, denn bis der Rettungswagen ankommt, kann es acht bis zehn Minuten, schlimmstenfalls auch noch länger dauern. Das Wichtigste sei in dem Moment, das Herz wieder zum Laufen zu bringen. „Wenn durch ausbleibenden Herzschlag das Gehirn nicht mehr mit Blut versorgt werden kann, erleidet es nach drei bis fünf Minuten irreparable Schäden“, so der Unfallchirurg.
Das beste Mittel sei ein Defibrillator. Diese seien in der Regel schon so modern, dass sie über eine Sprachfunktion verfügen und dem Ersthelfer eigenständig erklären, was er zu tun hat. Andreas Hellweger empfiehlt deshalb allen Einrichtungen, sich ein solches Gerät anzuschaffen. In den meisten Gebäuden und im Freien steht ein Defibrillator aber nicht zur Verfügung. Dann muss eine Herzdruckmassage durchgeführt werden. Heißt: Die übereinander verschränkten Hände des Ersthelfers müssen den Brustkorb des Verletzten 100-mal in der Minute fünf Zentimeter hineindrücken, bis der Herzschlag wieder einsetzt.
Ersthelfer sind versichert
„Haben Sie keine Angst vor Fehlern“, sagt Andreas Hellweger, denn der größte Fehler sei es, überhaupt nichts zu tun. Selbst wenn eine Rippe brechen sollte, sei das nicht schlimm, nur in den allerwenigsten Fällen würden dadurch innere Organe beschädigt und selbst das sei besser, als eine Person ohne Hilfe sterben zu lassen. Auch rechtlich könne man dadurch nicht belangt werden. Das Gegenteil ist der Fall, denn unterlassene Hilfeleistung ist strafbar. Auch sonst sei man in solchen Notfällen über den Bund versichert, etwa falls man eine Scheibe einschlagen muss, um an den Verletzten zu kommen, oder auch, wenn die eigene Kleidung bei der Hilfeleistung beschädigt wird, erklärt Andreas Hellweger.
Bei dem Rhythmus der Herzdruckmassage kann man indes den Takt von Liedern zur Hilfe nehmen. Der bekannteste Song dürfte „Stayin’ Alive“ von den Bee Gees sein, doch auch „Atemlos“ von Helene Fischer hat laut Andreas Hellweger beispielsweise den passenden Takt.
Leben geht über Infektion
Die Mund-zu-Mund-Beatmung, die bis vor ein paar Jahren noch Usus in Erste-Hilfe-Kursen war, sei zwar nicht verkehrt, aber auch nicht zwingend erforderlich. „Der Restsauerstoff aus dem eigenen Atem ist sehr gering und hilft dem Verletzten kaum.“ Wichtiger sei die Druckmassage, damit das Herz wieder schlägt und eigenständig Sauerstoff durch den Körper transportieren kann.
Doch wie sieht es in Zeiten der Corona-Pandemie eigentlich mit der Ansteckungsgefahr aus? Wer eine Maske parat hat, sollte sie als Ersthelfer aufsetzen, rät der Chefarzt. Ansonsten sollte das Thema bei der Ersten Hilfe aber keine Rolle spielen, geht es doch um das Leben des Verletzten.