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Radsport Radsport: Trio sitzt bei Höllenritt auch in den Nächten im Sattel

Von HOLGER ZIMMER 30.08.2011, 17:45

HOHENMÖLSEN/MZ. - Es gibt keinen Zielsprint, keinen überschwänglichen Jubel und kaum Zuschauer. Fast gemächlich lassen die drei Männer ihre Rennräder ausrollen: Roland Zimmer (51) aus Meineweh, Knut Schumann (47) aus Hohenmölsen und Thomas Kanitz (44) aus Gröben. 1.239 Kilometer stehen auf dem Tachometer. Es ist die Distanz zwischen Versailles bei Paris, Brest und zurück. Nonstop haben sie die bewältigt, drei Nächte nicht geschlafen.

200 Kilometer vor dem Ziel sind sie angesichts des nahenden Finales gemeinsam mit zwei Italienern und einem Belgier teilweise mit rund 40 Sachen unterwegs gewesen. Da treibt sie der Ehrgeiz an, sollte es doch eine Endzeit unter 64 Stunden werden. Die gerät auch dann nicht mehr in Gefahr, als es nur noch im schnelleren Schritttempo in Richtung Paris geht. "Ich war einfach übermüdet", sagt Kanitz, doch seine Mitstreiter haben ihn im Schlepptau behalten.

Die Männer kennen sich seit Jahren. Zimmer ist nicht nur der Älteste, sondern hat auch die am längsten zurückreichende radsportliche Vergangenheit. Als 10-Jähriger hat er mit einem Minifahrrad in seiner Altersklasse mal die Kleine Friedensfahrt in Meineweh gewonnen. Nachdem er ein Haus ausgebaut hat, beginnt er vor 13 Jahren, intensiver Rad zu fahren. Kanitz hat lange Jahre Fußball gespielt und tritt nach einer längeren Pause seit sechs Jahren richtig in die Pedale. Und Knut Schumann hat das Radsportfieber vor über 20 Jahren gepackt. Wie Zimmer zu seiner Arbeitsstelle bei der Weißenfelser Feuerwehr radelt, fahren der Elektriker Schumann und Vorarbeiter Kanitz bei Wind und Wetter zur Arbeit bei der Mibrag.

Roland Zimmer sagt, dass sich das Pensum ständig gesteigert habe. Schumann beispielsweise hat 1998 erstmals am Großglocknerkönig teilgenommen. Mit Zimmer ist er zu diesem Wettbewerb die rund 600 Kilometer in anderthalb Tagen sogar mal mit dem Rad gefahren. Es gibt Touren nach Berlin mit Fototermin am Brandenburger Tor sowie der anschließenden Rückfahrt. Und man hat jene 600 Kilometer zwischen dem Fichtelberg und Kap Arkona auf Rügen unter die Räder genommen.

42 Grad Celsius vor dem Start

Zimmer und Schumann sind Paris - Brest - Paris schon mal vor vier Jahren gefahren und 66 Stunden und 30 Minuten unterwegs gewesen. Diesmal soll es zu dritt mindestens genauso schnell gehen, wobei sich dem Trio noch zwei Eilenburger anschließen, mit denen man die vier Qualifikationstouren für Frankreich zwischen 200 und 600 Kilometer absolviert hat. Im Vorfeld gibt es einen Abstecher nach Paris zum Eiffelturm und dann ist das lange Warten vor dem Start angesagt. "Da waren im Stadion bei 42 Grad Celsius die Getränke schon alle, bevor es losging", sagt Schumann.

Stundenlang dauert es, bis der letzte von rund 6 000 Teilnehmern auf der Strecke ist, weil immer nur ein Pulk von einigen hundert Pedaleuren auf die Reise geschickt wird. Und dann geht es gleich mit hohem Tempo zur Sache, werden die ersten 100 Kilometer mit einem 30er Schnitt zurückgelegt. Knut Schumann berichtet von einer beeindruckenden Kulisse. Leute stehen mit dem Gartenschlauch am Straßenrand, um den Fahrern eine kalte Dusche zu verabreichen und Trinkflaschen werden aufgefüllt. Die ersten Stürze passieren und sogar einen Toten gibt es, wie im Internet zu lesen ist.

Bäckerfrau unterhält mit Chansons

Es gibt viele Zuschauer. Kinder strecken die Hände aus, um abgeklatscht zu werden. Kostenlos werden zwischendurch Kaffee und Kuchen gereicht, was für Schumann bemerkenswert ist, weil man ansonsten an den Kontrollpunkten nicht selten zehn Euro für Essen und Getränke zahlen muss. Sogar ein Bäcker hat seinen Stand aufgebaut und seine Frau singt Chansons.

Suppe gibt es und Spaghetti, so dass die Verpflegung auch an den 15 Stationen gesichert ist. Während Kanitz stets zusätzlich etwas in den Trikottaschen hat, überbrücken Zimmer und Schumann die meist 80 Kilometer langen Abschnitte zwischen den Kontrollen mit Wasser beziehungsweise Cola.

"Es war gut, dass wir zu fünft gefahren sind", sagt Roland Zimmer. Alle sind zu unterschiedlichen Zeiten gut drauf, so dass jene profitieren können, die eine Schwächephase haben. Dieses Mannschaftsfahren hält man bis zum Ende durch, wartet, als einer der Eilenburger den Schlauch reparieren muss. "Nur wenn einer hätte länger schlafen wollen, hatten wir vereinbart, dass der Rest weiterfährt", äußert der 51-Jährige.

Und der Mann mit dem Hammer ist bei allen mal. Nachdem man bei etwas Nebel und Nieselregen nach etwas über 27 Stunden in Brest ankommt, braucht man für den Rückweg neun Stunden länger. Zuerst erwischt es Zimmer: "Ich hätte mich in der zweiten Nacht hinlegen und schlafen können." Da seien die Ermunterungen von den anderen wichtig gewesen. Schumann kann gerade noch rechtzeitig vor dem Straßengraben, auf den er übermüdet zusteuert, bremsen. Er sagt: "Ich habe im Dunkeln gedacht, ich muss plötzlich Berge hochfahren. Dabei war es nur die Silhouette des Waldes." Und Kanitz weiß: "Wenn die anderen nicht gewesen wären, ich wäre vor dem Ziel abgestiegen und hätte mich irgendwo hingelegt. Das war schon grenzwertig." Die Kräfte freilich reichen. Immerhin haben die Pedaleure seit Jahresbeginn zwischen 8 000 und 15 000 Kilometer zurückgelegt. Dennoch tun natürlich angesichts der Strapazen Knie und Füße weh oder Finger und Zehen werden zeitweilig taub.

Am Ende will im Ziel kein großer Jubel aufkommen. Thomas Kanitz sagt: "Ich war erleichtert, es geschafft zu haben. Da freut man sich nur innerlich." Und wie fällt die Resonanz daheim auf diesen Höllentrip aus? Zimmer spricht von Leuten, die sagen: "Musst du dir das in deinem Alter noch antun?" Mit Kanitz ist er sich aber einig, dass die Anerkennung für das, was sie geschafft haben, überwiegt.

Längst wieder im Fahrradsattel

Inzwischen haben die Männer bereits wieder im Fahrradsattel gesessen. Muskelkater hat keiner, so beteuern sie, lediglich der Hintern habe noch wehgetan. Vielleicht fahre man in diesem Jahr noch mal zum Brocken, doch Thomas Kanitz betont auch, dass er das Verständnis seiner Frau nicht über Gebühr strapazieren wolle. Einiges gilt es ja daheim aufzuarbeiten. Ob sie Paris - Brest- Paris noch einmal reizt? Die Männer schütteln die Köpfe und Roland Zimmer sagt: "Es gibt schöne und sogar längere Touren zum Beispiel in Italien."