Pirsch auf Waschbär und Co. Pirsch auf Waschbär und Co. : Nebra beruft erstmals einen Stadtjäger

Nebra - Während zu später Abendstunde mit beginnender Dunkelheit sich die Bürger zumeist in ihre Wohnungen und Häuser zurückziehen, beginnt in Nebra das muntere „Nachtleben“ für Fuchs, Waschbär, Marder und Co. Das Wildgetier schleicht sich aus diversen Verstecken heraus und treibt sein Unwesen - mit zumeist ärgerlichen Folgen.
„Es spazierte bereits des Nachts ein Fuchs über den Marktplatz. Stets hungrige Waschbären suchen nach Lebensmitteln in Biotonnen, dringen in Häuser ein oder durchwühlen andere Abfälle. Marder knabbern nicht selten unter der Motorhaube von geparkten Autos an schmackhaften Kabeln. Nicht nur das kann gefährlich werden“, fasste Nebras Bürgermeisterin Antje Scheschinski ihr mitgeteilte sowie eigene Beobachtungen zusammen.
Thema im Gemeinderat
Das Treiben der pelzigen Vierbeiner nimmt langsam aber sicher überhand und war schon länger Thema im Gemeinderat. Denn diese Tiere können auch Krankheiten auf Menschen übertragen, abgesehen von Sachbeschädigungen durch den Tierfraß. „Bereits im vorigen Jahr reifte die Idee, dass wir als Stadt einen sogenannten Stadtjäger berufen, der mit geeigneten Lebendfallen dieses Getier eindämmt.“ Seit Februar liegt der Bürgermeisterin die Zustimmung der Unteren Jagd-, Fischerei- und Waffenbehörde des Burgenlandkreises vor, um mit dem 43-jährigen Sebastian Lofing erstmals einen „Stadtjäger“ auf gesetzlicher Basis zu berufen.
Die Gestattung der Jagdausübung in befriedeten Bezirken, womit das bebaute städtische Gebiet gemeint ist, werde durch entsprechende Paragrafen des Bundesjagdgesetzes und des Landesjagdgesetzes geregelt, erläutert Antje Scheschinski mit Blick auf inhaltliche Befugnisse im Landkreisbescheid. „Wir haben uns fachlichen Rat geholt, um die Stadtjagd zu organisieren. In Vorbereitung dazu gab es Treffen mit dem Vorsitzenden der Jagdgenossenschaft Nebra, Hans-Joachim Diers, dem Nebraer Jagdpächter Jochen Kalka und dem Polizeibeamten Claus-Hermann Roggenbuck. In den Gesprächen wurden auch eindeutige Grenzen festgelegt und damit, welche Flächen zum Stadtgebiet zählen und in einer Übersichtskarte diese Abgrenzung eingezeichnet“, erklärt die Bürgermeisterin weiter.
Somit sind auch die Befugnisse zwischen Stadtjäger Lofing und Jagdpächter Kalka - Letzterer ist für die Feld- und Wiesenflur bejagbarer Flächen der Gemarkung Nebra zuständig - klar ausgewiesen. Keiner müsste Sorge haben, dass auf dem Markt scharf geschossen wird, denn die Stadtjagd ist eine stille Angelegenheit, wobei mit geeigneten und gesetzlich zugelassenen Fallen Fuchs, Marder und Waschbär eingefangen und danach erlegt werden.
Mehrere Brennpunkte
Nur in Abstimmung mit den Eigentümern der betroffenen Flächen und in zwingend notwendigen Fällen wird der Stadtjäger tätig. Problembereiche gebe es genügend im Stadtgebiet. Bürgermeisterin Scheschinski nennt einige dieser Brennpunkte: „Es sind oft die scheinbar ’herrenlosen’ und sehr lange leerstehenden Objekte und Grundstücke, wie beispielsweise die ’Sorge’ in der Bahnhofstraße, die ehemalige Gaststätte Volkshaus, das frühere Geschäftshaus Breite Straße 18 und das Gebiet Schlossberg und Schlossruine. Hier nisten sich Marder und Waschbär weitgehend ungestört ein.“
Sobald Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch die Tieraktivitäten gefährdet sind, wird der gelernte Forstwirt und Inhaber des nötigen Jagderlaubnisscheins, Sebastian Lofing, in Absprache mit der Bürgermeisterin aktiv. Lofing hat seit 25 Jahren die Berechtigung zur Jagdausübung. „Von Seiten der Stadt Nebra bin ich angesprochen worden, ob ich diese Aufgabe übernehme“, sagt der Nebraer, der beim Forst-Dienstleister Waldbau Stackelitz-Harz GmbH in mehreren Bundesländern die Abfuhr von Holz und Holzhackschnitzeln koordiniert.
Im Laufe seiner Jagdausübung qualifizierte sich Lofing außerdem zum amtlich bestätigten Schweißhundeführer. Er betreibt bei Bedarf die Nachsuche und fachgerechte Erlegung von verletzten Wildtieren. Er besitzt zwei Jagdhunde, einer davon ist für das Aufspüren verletzten Wildes ausgebildet. Nicht zuletzt verfügt der Jäger über einschlägige Erfahrungen im Umgang mit Lebendfallen.
Hinweise über verstärkte Wildtierbelastung nimmt die Bürgermeisterin entgegen. „Die Bürger können aber auch selbst hinsichtlich der vierbeinigen Räuber Vorsorge treffen“, sagt Antje Scheschinski und greift damit Hinweise von Sebastian Lofing auf.
Geschickte Kletterer
Unbrauchbare Lebensmittel sollten so entsorgt werden, dass sie nicht zur Nahrungsgrundlage für das Getier werden. Auch Futterstellen für Hund und Katze müssten vor dem Zugriff der Wildtiere sicher sein. Besonders die Allesfresser Waschbären, die als sehr anpassungsfähig gelten und sich innerhalb bebauter Orte sehr sicher fühlen, sind äußerst geschickte Kletterer. Sie haben keine natürlichen Feinde und breiten sich rasant in der Fläche aus. So possierlich diese Tiere auch aussehen, sie räubern Vogelnester aus, können in Schuppen und Ställe eindringen und auch Krankheiten übertragen, warnt nicht zuletzt Stadtjäger Lofing.