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Neues Museum in Lützen? Neues Museum in Lützen?: Welche Relikte in der alten Drückerei Glück zu finden sind

Von Holger Zimmer 08.09.2019, 06:00
Stefan Conrad am Tag des Verkaufs an einer der alten Druckmaschinen. Hinter dem Foto verbirgt sich ein Video. 
Stefan Conrad am Tag des Verkaufs an einer der alten Druckmaschinen. Hinter dem Foto verbirgt sich ein Video.  Peter Lisker

Lützen - Es ist eine Reise in die Lützener Vergangenheit, in eine Zeit, als die Überschriften und Zeitungszeilen noch per Hand gesetzt worden sind. Der Stadtverwaltung ist es jetzt gelungen, die Druckerei Glück als besonderen Schatz von dem Erfurter Stefan Conrad, einem Glück-Erben, zum Schnäppchenpreis zu kaufen. Sie soll als Museum gestaltet werden.

Relikte der Druckerei: Alte Tageszeitungen, Setzerkästen, Druckblöcke und alte Banknoten

Die Druckerei gab es seit 1844 und vier Jahre später hat sie den ersten Volksboten als Wochenzeitung herausgegeben. Von 1926 bis wahrscheinlich zum Kriegsende ist das Blatt als Tageblatt erschienen, wie Museumsleiterin Katja Rosenbaum informierte. Zwischenzeitlich erfolgte 1884 für Druckerei und die Inhaber-Familie der Umzug in ein neues Haus. Und dort hat sich seitdem offensichtlich kaum etwas verändert. Die Setzerkästen sind wie in den Anfängen mit einzelnen Buchstaben bestückt, die per Hand zu Sätzen zusammengestellt wurden. Die Wände ringsum sind mit Paneelen verkleidet.

Schraubenschlüssel hängen an der Wand. Gesetzte Druckblöcke für Anzeigen werden mit Schnüren zusammengehalten. Farbeimer mit trockener Farbe aus einem halleschen Betrieb stehen herum und Tageszeitungen aus den 1960er und 1980er Jahren liegen auf den Tischen. Eine Seite der Zeitung „Freiheit“ berichtet von 248 Wohnungen, die auf dem Weißenfelser Neumarkt entstehen und eine Anzeige der Brauerei der Saalestadt verspricht gute Verdienstmöglichkeiten. Ein Abreißkalender hängt an der Wand und zeigt das Datum vom 31. August 1992.

#bigiamge

Offensichtlich ist es der Tag der Schließung. Insgesamt aber beherbergt das Haus ein geschichtliches Refugium. Im Büroraum befindet sich in einem Tresor ein weiterer Schatz, lagern hier alte Banknoten.

In einer Werkstatt mit Pressen und Schneidemaschinen stehen eine Pendeluhr und Stühle mit geflochtenen Lehnen. Sieht man vom Staub ab, dann ist alles so, als wäre es noch vor kurzem benutzt worden. Selbst auf dem Dachboden finden sich Raritäten. So sind in einer Kiste weitere Bände des Volksboten zu finden. Und an der Wand stehen alte Schränke wie in einer Musterausstellung aufgereiht.

In Hochzeiten der Druckerei bis zu 30 Mitarbeiter beschäftigt 

Der Erfurter Stefan Conrad (67) ist der Neffe von Gertraude Heidenreuter, die Fritz Glück in den 1950er Jahren geheiratet hat. Zuvor war sie bei der Sparkasse beschäftigt. Schräg gegenüber steht das Haus, in dem sie die Kindheit verbrachte. Ob Conrad von der alten Druckerei noch etwas gesehen hat? Er sagt, dass man ab und an mal das kinderlose Ehepaar auf der Durchreise besucht habe.

Aber das sei natürlich am Wochenende passiert, sodass er nichts vom Druckereibetrieb mitbekommen hätte. Mit Druck, Anzeigenannahme und Auslieferung seien in Hochzeiten bis zu 30 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Dass er sich nun für den Verkauf an die Stadt entschieden habe, sei im Sinne auch von Fritz Glück passiert, der sich in den 1990er Jahren hätte vorstellen können, dass man das Ganze in eine Museumsdruckerei umwandelt.

„Da dachte ich, die Zeit ist stehengeblieben.“

Joachim Franz kennt die Firma aus früheren Tagen, als er mal für das Steinmetzunternehmen „Fritz Schellbach“ gedruckte Lieferscheine abholen musste. Später habe Gertraude Glück ihn mal gefragt, ob er ihr helfen könne. Vor gut vier Jahren begegnete er ihr wieder, sie redeten miteinander und die Frau zeigte ihm die Druckerei. Beeindruckt hatten ihn vor allem der Wasserkessel, der auf dem Kanonenofen stand.

Daneben war ein Eimer mit Briketts platziert. Fähnchen aus DDR-Zeiten lagen herum. „Da dachte ich, die Zeit ist stehengeblieben.“ Auch Fotos einer Berliner Firma aus dem Jahr 1932 zeigte die Frau ihm und er durfte sie digitalisieren. Sie waren von so guter Qualität, dass er vermutet, dass sie von einer Großbildkamera stammen. In den Setzerkästen lagen Logos von Konsum, Handelsorganisation und Handwerklichen Produktionsgenossenschaften. Auch ein Telefonbuch von 1944 lag herum. „Wo kriegt man das heute noch“, fragt Franz.

Kindern zeigen, wie Papier entsteht

Museumsleiterin Rosenbaum ist begeistert von der vollständig erhaltenen Druckerei. „Gut, dass wir sie für Lützen und die Öffentlichkeit erhalten können.“ Ähnlich wie an ihrer alten Wirkungsstätte in einem Museum in Streckenthien bei Pritzwalk wolle man die Einrichtung nun vor allem museumspädagogisch nutzen. Dafür sei die historische Technik bestens geeignet. Sie möchte aber darüber hinaus gehen und Kindern zeigen, wie beim Schöpfen Papier entsteht.

Auch Stempel oder Linolschnitte könnten entstehen und gedruckt werden. Regelmäßige Öffnungszeiten seien nicht angedacht. Gut wäre, wenn sich Senioren ehrenamtlich bereiterklären würden, am Wochenende zu helfen. Vielleicht findet sich ja auch jemand, der die leer stehende Wohnung bezieht und Führungen übernimmt. (mz)

Museumsleiterin Katja Rosenbaum mit einem Band des „Lützener Volksbote“ von 1914
Museumsleiterin Katja Rosenbaum mit einem Band des „Lützener Volksbote“ von 1914
Peter Lisker