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MZ macht Sport MZ macht Sport: Mit voller Haftung

Von Julia Reinard 25.05.2013, 17:14
Anstehen zum Werfen: Hier zeigen die Spielerinnen und der Neuling, wohin der Ball gehen soll.
Anstehen zum Werfen: Hier zeigen die Spielerinnen und der Neuling, wohin der Ball gehen soll. MZ Lizenz

Zeitz/MZ - Vom linken Mittelfinger meines Vaters war ich früher fasziniert. Das oberste Fingerglied ist ein wenig abgewinkelt. So einen Finger habe ich jetzt wieder gesehen: An der Hand Jenny Ruprechts. Das ist nicht ungewöhnlich - die Zwei eint ein früheres beziehungsweise aktuelles Hobby: Handball.

Kurioserweise habe ich trotzdem nicht daran gedacht, wie gefährlich das Spiel sein kann. Ich werde aber noch vor der Erwärmung mit der Frauenmannschaft der Sportgemeinschaft Chemie Zeitz daran erinnert. „Nimm den Ehering ab“, rät mir Tini Gerster. „Kein Schmuck, keine Brille“, sagt sie - und jetzt sehe ich die mit Pflaster beklebten Piercings am Ohr, getapte Finger und keinen einzigen Ring.

Der Handball ist kleiner als ein Basketball. Und doch habe ich mich immer gefragt, wie man ihn wider die Schwerkraft halten kann. Ob ein Mensch mit kleinen Händen wie ich ihn mit der nach unten geöffneten Hand halten kann. Jetzt weiß ich es: Ja.

Denn ehe wir die Bälle hochnehmen, werden die Fingerkuppen in eine Dose mit dunkler, zäher Masse getaucht. Daran haftet der Ball. Sogar bei meiner Handgröße. Ich kann es: Ihn mit nach unten geöffneter Hand halten. Wahnsinn!

Die Torfrau kassiert alle Bälle

Alles andere wird im Tun allerdings geheimnisvoller als von vor dem Fernseher aus. Was da einfach und anziehend wirkte, haut bei mir fast nie hin. Torfrau Lisa Jüttner wird „eingeworfen“, wie es das Team nennt. Wir sollen mit der Hand anzeigen, wohin der Ball geht, und dann werfen. Ich laufe, ich werfe - und der Ball landet weit über dem Tor. Oder daneben. Oder auf der anderen Seite daneben. Warum ist der Kasten aber auch nur so viel kleiner als der beim Fußball?

Aber es liegt gar nicht an seiner Größe. Die Spielerinnen zeigen auch, wohin der Ball gehen soll, und jagen einen um den anderen genau dorthin - häufig saust er an Lisa Jüttner vorbei. Sie schaut den Geschossen offen entgegen, wegducken ist nicht. Drei Kreuze, dass ich dort nicht stehe.

Doch mit dem Werfen allein ist es nicht getan: Es braucht verschiedene Anläufe und Techniken. Aus dem Stand wirft man zum Beispiel bei Freiwürfen. - Tini Gerster erklärt, wie es geht. Ich verstehe das Prinzip. - Ich verstehe nicht, es umzusetzen. Von all den Würfen auf Lisa Jüttner kommt einer durch - und das ist ein sehr gutes Gefühl!

Der typischste Wurf entwickelt sich aber aus dem Spielfluss und endet im Sprung - Name: Sprungwurf. Ausführung bei mir als Rechtshänderin: Ball aufnehmen, links einen Seitwärtsschritt, rechts einen Schritt, links und abziehen.

Die drei Schritte irritieren mich. Basketball habe ich als Jugendliche mal gespielt, da waren es nur zwei. Ich muss mich aufs bloße Laufen konzentrieren - das ist dem Zielen nicht zuträglich. Ich suche offenbar die goldene Mitte zwischen beiden Regeln, indem ich den dritten Schritt nicht beende, den hinteren Fuß in der Luft lasse. Mir damit selbst Schwung klaue, wie Tini Gerster erklärt.

Sie zeigt, ich ahme nach. In Zeitlupe geht es - doch sobald der Ball dazukommt und ich es dann noch mit Anlauf kombiniere, ist alle Technik dahin: Ich mache zweieinhalb Schritte, mein Fuß bleibt in der Luft, ich werfe zahm und direkt in Lisa Jüttners Arm.

Aber es gibt ja nicht nur den Angriff, sondern auch die Verteidigung. Da ist beim Handball Körpereinsatz möglich - und nötig. Die Chemie-Damen spielen in der Sporthalle des Bildungszentrums gegen die Herren des Vereins. Ich habe eine Position am äußeren Rand des Torraums. Dort werden kleinere Spieler eingesetzt, erklären mir die Frauen: Sie könnten so reinpreschen, was Tini Gerster später an meiner Stelle immer wieder tut.

Erst jetzt im richtigen Spiel sehe ich, warum Ringe, Brillen, Ketten tabu sind. Berührungen gibt es dauernd, oft schütteln die anderen nach Aktionen mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand.

Lücken entdecken und durchzielen

Die Spielerinnen gehen beherzt in die Duelle. Aus jeder Position wird geworfen - durch zwei Gegner hindurch, nach dem Fallen, auf den Knien. Auf denen landen sie fast alle. Deshalb schützen sie die Gelenke. Und trotzdem hat Jenny Ruprecht nach dem Spiel ein rotes Knie. Wenn ich mich durchwühlen soll, merke ich mein Zögern, dann kommt mir diese Nähe seltsam vor. Ich schiebe es auf die Basketball-Erfahrung, wo nie so rangegangen werden durfte.

An der Mittellinie wirft mir Jenny Ruprecht den Ball zu - schnell spiele ich zurück. Wir gehen vor, der Ball wird durchgegeben. Eine Lücke zu sehen, das ist die hohe Kunst. Die anderen beherrschen sie. Immerhin: Einen Angriff versuche ich abzuschließen. Der Ball landet im Sonstwo des Nicht-mehr-danach-recken-Müssens. In der Verteidigung stehe ich einem nicht hochgewachsenen Mann gegenüber. Und doch: Er spielt mich aus und trifft.

Am schönsten wird das Spiel, als ich auf die Bank falle und denen zuschaue, die es leicht und athletisch aussehen lassen: Eine Weile wird der Ball gemächlich hin und her geworfen - dann wird das Spiel auf einen Schlag schnell: Pack, Ball zur nächsten, quietsch, Schuhe, die stoppen, pack, nächste, und pack, ein Schritt, zwei, drei, Wurf und Tor und Jubel.