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Laienschauspielverein Nebra Laienschauspielverein Nebra: Start mit Schwedenstück vor 20 Jahren

Von Gisela Jäger 21.08.2019, 14:17
Der Laienschauspielverein ist zu einer festen Größe des kulturellen Lebens der Stadt Nebra geworden.
Der Laienschauspielverein ist zu einer festen Größe des kulturellen Lebens der Stadt Nebra geworden. Archiv (Torsten Biel)

Nebra - Doris Brünner und Dietmar Luther blätterten dieser Tage in der Vereinschronik des Laienschauspielvereins. Immer wieder kamen die Vereinsvorsitzende sowie der Regisseur und Stückeschreiber ins Schmunzeln. Beide lachten bisweilen herzhaft über sich selbst. 20 Jahre bewegtes Vereinsleben und der Rückblick auf die in dieser Zeit 59 aufgeführten Stücke weckten viele Erinnerungen. Nicht nur die Vereinschronik ist auf drei Bände gewachsen, der Verein selbst ist mit seinen Herausforderungen, immer wieder neue Ideen für Stücke und Aufführungen zu entwickeln, kreativ am Equipment zu arbeiten, neue Mitglieder für ausgeschiedene zu finden und technische Mittel und Möglichkeiten auf den neuesten Stand zu halten, an Erfahrungen gewachsen.

Sommerfest am Sonnabend

An diesen Erinnerungen möchte der Laienschauspielverein vor dem Hintergrund des runden Jahrestags die Nebraer und Vereinsfreunde teilhaben lassen. Am Sonnabend, 24. August, laden die 34 Mitglieder zum Sommerfest vor dem Vereinsdomizil im Schlosspark Nebra ein. „Es wird mit Musik, Tanz und lustigen Einlagen gefeiert und manche Überraschung geben“, so Doris Brünner. Die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen. Das 20-Jährige ist Anlass, den dritten Band der Chronik vorzustellen und interessierte Besucher mal hinter die Kulissen blicken zu lassen. „Als Verein mit begrenzten Mitteln haben wir längst gelernt, aus wenigem viel zu machen“, erklärt Dietmar Luther am Beispiel einiger Kulissen.

Entdeckung in einem Buch

Zum Beispiel die Lok aus der Aufführung des Kinderstücks „Jim Knopf und der Kaiser von China“. Eine herkömmliche Spielzeuglok wurde völlig neu verkleidet. Die Front ist mit einem Bug aus Salatschüssel und Trinkbecher gefertigt, schwarzer Anstrich drauf, und keiner könnte diese Materialien darunter erahnen. „Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen“, sagt Luther.

Doch wie fing es vor über 20 Jahren an? Sabine Reich, damals Nebras Bürgermeisterin, hatte in einem Buch entdeckt, dass in Nebra bereits 1936 eine Theatergruppe aktiv war. Aus der Feder des damaligen Lehrers Edmund Haase stammte das in jenem Jahr aufgeführte Historienspektakel „Die Schweden kommen“. Anlass für das Stück 1936 war das 400-jährige Bestehen der Nebraer Schützengilde. Das Stück erinnerte an die im Dreißigjährigen Krieg in Nebra eingefallenen Schweden. So entstand die Idee 1996, nach 60 Jahren, eine neue Theatergruppe zu gründen, um mit diesem Schauspiel das Nebraer Weinfest zu bereichern. Doch es sollte aus verschiedenen Gründen noch zwei Jahre dauern, bis es soweit war.

Uraufführung des Schwedenstücks zum Weinfest

Zunächst waren Nebraer zu finden, die den Mut hatten, sich auf eine Bühne zu stellen. Das Stück von 1936 sollte zudem eine zeitgemäße Überarbeitung erhalten. Dietmar Luther nahm sich dieser Sache an - und kam seitdem nicht mehr von seiner Rolle des Autors und Regisseurs aller weiteren Stücke los. 1998 war Uraufführung des Schwedenstücks zum Weinfest, das, von Bürgermeisterin und Stadt unterstützt, ein Erfolg wurde. „Nun hatten wir Blut geleckt. Viele der über 30 Mitwirkenden äußerten ihr Interesse, beim nächsten Mal gern mitzumachen. Somit war der Grundstein für die Gründung des Vereins am 22. November 1999 gelegt“, erzählt Doris Brünner.

Fester Stamm bildet sich

Neben ihr gehörten dem ersten Vorstand Christa Zwanzig, Johanna Zahn, Dietmar Luther und Roswitha Hartmann an. Ein fester Stamm um die 25 großen und kleinen Mitglieder bildete sich heraus, und die Nebraer gingen sogar auf „Tournee“. Die „Schweden“ wurden 1999 zur Bundesgartenschau in Magdeburg erfolgreich aufgeführt. „Es machte uns einen Riesenspaß. Das Publikum war stets begeistert“, bemerkt Luther. Im Jahr darauf gab es eine Fortsetzung mit „Schon wieder diese Schweden“. Der Verein etablierte sich fest in der Nebraer Kulturlandschaft mit weiterem Engagement. Zur Tradition gehören inzwischen das in der Kirche aufgeführte Märchenspiel zum Nebraer Weihnachtstag, weitere Stücke aus der Nebraer Geschichte zum Weinfest, Kinderstücke zum seit 2003 veranstalteten Kinderfest und seit einigen Jahren in loser Folge die Spezialeinlagen zum abendlichen Sommerfest im Schlosspark. Besonders die Heimatgeschichte bietet unerschöpfliche Möglichkeiten. Doris Brünner und Dietmar Luther erwähnen die Geschichten „Heinrich, der Vogler“ sowie der „Ritter St. Georg“ und Sagen der Region wie „Der Reiter ohne Kopf“ oder „Der Bierkrieg zu Nebra“. Dann kam der Fund der Himmelsscheibe von Nebra. „Da kribbelte es in den Fingern, in die Bronzezeit einzutauchen“, so Luther.

Zwei Stücke wurden geschrieben und aufgeführt. Das rief bald Film- und Fernsehleute auf den Plan. Für das ZDF wurde die Raubgräbergeschichte nachgestellt. In der steinzeitlichen Kreisgrabenanlage Goseck wurde für die Sendung „Terra X“ eine mögliche Zeremonie zur Wintersonnenwende mit den Nebraer Laienschauspielern inszeniert, 2008 bat der MDR um Unterstützung zum Beitrag „Sonne, Mond und Sterne“. In Zusammenhang mit der Ötzi-Sonderausstellung in der Arche Nebra verfasste Dietmar Luther das Hochgebirgsdrama um den rätselhaften Tod des Steinzeitmannes „Tod in den Bergen“. 2012 zum 1100. Geburtstag von Kaiser Otto I. war dieses Ereignis würdig für ein Schauspiel. Die Nebraer beteiligten sich an der Aktion des Tageblatt/MZ-Ferientags, waren zu Gast im „Neuen Theater“ in Halle, entwickelten ein interaktives Stück über den Thüringer Landgrafen Ludwig und die schöne Adelheid.

2013 gab es den Griff in die Augsburger Puppenkiste. Anlass war das 60-jährige Bestehen dieser Kindersendung. Die Geschichten dafür stammen von Max Kruse, dem Sohn der Bad Kösener Puppenmacherin Käthe Kruse. Zweimal freuten sich Groß und Klein über „Urmel aus dem Eis“. Auch „Tabaluga“ wurde zum Erfolg. Wieder kam das Fernsehen auf die Nebraer zu.

Besonderer Besuch

2011 wurde das Märchen „Die sechs Schwäne“ neu verfilmt. Im Kloster Memleben, auf der Burg Querfurt und in Freyburg wirkten auch Dietmar Luther und Doris Brünner in kleinen Nebenrollen mit. „Wir könnten noch vieles aufzählen, aber unsere Gäste können in unserer Chronik nachlesen“, sagen beide. Doch zwei wichtige Daten seien da noch zu nennen: Zum Zehnjährigen gab es einen besonderen Besuch aus Bitterfeld: Joachim Haase, Sohn des Lehrers, der 1936 das Schwedenstück geschrieben hatte, besuchte Nebra und brachte ein altes Foto der Theatergruppe von 1936 mit, in der er selbst als Kind mitgewirkt hatte. „Somit schloss sich der Kreis zwischen damals und heute“, meint Frau Brünner. Nicht zu vergessen sei, dass der Verein im vorigen Jahr den Wenzelspreis von Naumburger Tageblatt/MZ erhielt.

„Die Schauspieler sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters“, gemäß dem Zitat aus Shakespeares „Hamlet“, das vor zehn Jahren in einem Dankesbrief von Joachim Haase an den Laienschauspielverein geschrieben wurde, wünscht sich der Verein noch viele weitere schöne Aufführungen, Inspirationen und dass sich immer wieder Menschen zusammenfinden, die einander Freude bereiten und sich ein Stück heimischer Kultur erhalten können.

Das Foto stammt von der Uraufführung 1936 von „Die Schweden kommen“.
Das Foto stammt von der Uraufführung 1936 von „Die Schweden kommen“.
Repro: Gisela Jäger
Dietmar Luther mit dem gestalteten „Gesicht“ der Lok von Jim Knopf.
Dietmar Luther mit dem gestalteten „Gesicht“ der Lok von Jim Knopf.
Gisela Jäger