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Kriminalität in der Region Kriminalität im Burgenlandkreis: Polizeiautos ohne Polizisten

Von Harald Boltze 22.03.2017, 10:38
Der Parkplatz des Revierkommissariats in Naumburg: An fehlenden Fahrzeugen liegt es nicht, dass im Burgenlandkreis meist nur sechs statt der vorgesehenen acht Polizei-Streifen unterwegs sind.
Der Parkplatz des Revierkommissariats in Naumburg: An fehlenden Fahrzeugen liegt es nicht, dass im Burgenlandkreis meist nur sechs statt der vorgesehenen acht Polizei-Streifen unterwegs sind. Hellfritzsch

Naumburg/Weißenfels - Unter der Hand hat man es von Polizisten aus Sachsen-Anhalt und Thüringen schon oft gehört. Auch viele Bürger haben den Eindruck.

Doch als ein Polizeibeamter kürzlich vor Gericht gefragt wurde, warum er bei einer Durchsuchung keine Verstärkung gerufen habe und aussagte, „Naumburg ist von der polizeilichen Struktur her schwach aufgebaut“, sorgte dies für Aufsehen. Man fragt sich: Wie schlimm ist die Situation wirklich?

Nur 82 Prozent der Stellen besetzt

Tageblatt/MZ wollte dies am Dienstag im Rahmen eines Pressegespräches zur Kriminalitätsentwicklung vom Leiter des Polizeireviers Burgenlandkreis, Uwe Günther, wissen.

Dieser gab zu, dass der Personalstamm „grundsätzlich zu gering“ sei. Dem Eindruck, dass man gerade in Naumburg deutlich unterbesetzt ist, widersprach er aber.

So seien derzeit in Naumburg 82 Prozent aller Stellen im Reviereinsatzdienst (also bei den Streifenpolizisten) besetzt. In Weißenfels hingegen seien es nur 73 Prozent. Die Lücke beschreibt dabei nicht etwa Krankenstand, Fortbildung oder Urlaub. Dies kommt noch dazu. Nein, die Stellen sind einfach nicht besetzt.

Warum sind die Stellen im Burgenlandkreis nicht besetzt?

Warum? Dazu überreicht Günther eine Stellungnahme der Landesregierung. Darin steht, dass in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2011 bis 2015 nur etwa 140 neue Polizisten pro Jahr erfolgreich für den Vollzugsdienst ausgebildet wurden. Jedoch gehen pro Jahr etwa 300 Kollegen in den Ruhestand.

Dass diese mittlerweile oft gescholtene Sparpolitik so nicht weitergehen kann, wurde hierzulande mittlerweile erkannt. Stolze 700 Polizeianwärter will man ab 2017 ausbilden. Ein deutlicher Fortschritt. Ob es jedoch überhaupt so viele junge Menschen gibt, die die Ausbildung antreten werden, ist mehr als fraglich.

Nur fünf statt acht Wagen unterwegs

Doch zurück zur Gegenwart: Dass in Naumburg mehr Stellen besetzt sind als in Weißenfels, ist kaum erfreulich. Denn die Kollegen des Reviers sind eh im ganzen Kreis im Einsatz. Acht Funkwagen sollten laut Papier rund um die Uhr zwischen Zeitz, Weißenfels, Naumburg und Nebra im Einsatz fahren. Das wäre schon vergleichsweise wenig.

Doch in der Realität sind es nicht einmal die acht, sondern meist nur sechs, manchmal fünf. „Bei fünf ist Land unter“, sagt Uwe Günther, wobei man auf die Unterstützung aus anderen Revieren oder Abteilungen zählen könne.

Die Unterbesetzung wird zum Problem, wenn viele Einsätze gleichzeitig anfallen

Die Unterbesetzung wird natürlich zum Problem, wenn viele Einsätze gleichzeitig anfallen. Das ist dann der Moment, wenn Bürgern am Telefon gesagt wird, es könne jetzt nicht sofort ein Streifenwagen kommen.

Uwe Günthers Problem sind aber nicht nur die fehlenden Kollegen, sondern auch die zeitfressenden Aufgaben. Die Betreuung von Schwerlasttransporten etwa.

Doch dafür sowie für weitere einfachere Tätigkeiten wie Verkehrsüberwachung bekommt er ab Sommer fünf neue Kollegen, volkstümlich genannte „Hilfspolizisten“. Eine tatsächliche Entlastung oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein? „Beides“, sagt Günther.

Auch Transport von Straftätern nach Halle frisst Zeit

Ein weiteres Beispiel für zeitfressende Aufgaben: Nach dem tragischen Tod von Oury Jalloh in einer Dessauer Gefängniszelle im Jahr 2005 dürfen Personen nicht mehr in den Zellen der einzelnen Kommissariate in Gewahrsam genommen werden.

Wer also irgendwo randaliert, sich gegen einen Platzverweis wehrt oder im Rausch total hilflos ist, wird zentral in Halle in eine Haftzelle gebracht. Der besseren Überwachung wegen. Zwei Naumburger Kollegen sind für die Überführung jedoch locker zwei bis drei Stunden pro Gewahrsamnahme unterwegs.

Auch wenn das nicht täglich vorkommt, an einem Freitag- oder Samstagabend kann so etwas eine eh schon dünn besetzte Nachtschicht ganz schön entblößen.