Karsdorfer Zementwerk Karsdorfer Zementwerk : Steht Fusion auf der Kippe?

Karsdorf - Eigentlich sollte die Übernahme längst in Sack und Tüten sein. Doch das Bundeskartellamt hat offenbar immer größere Bedenken gegen den Kauf des Opterra-Zementwerks Karsdorf mit seinen 235 Mitarbeitern durch den Konkurrenten Schwenk. Denn dem gehört bereits das zweite Zementwerk Sachsen-Anhalts in Bernburg. Zusammen würden beide nicht nur Sachsen-Anhalt dominieren - sie kämen außerdem auf einen Marktanteil von über 40 Prozent in ganz Ostdeutschland.
Schon im September hätte das Kartellamt die Prüfung der Übernahme abschließen sollen. Doch die Behörde sieht noch weiteren Klärungsbedarf - und hat den Termin nun erneut verschoben. „Die Frist wurde gerade noch einmal bis 1. Dezember verlängert“, sagte am Dienstag Kartellamtssprecher Kay Weidner.
Bereits zweiter Aufschub
Es ist bereits der zweite Aufschub. Zunächst war die Frist, die am 5. September abgelaufen wäre, bis Ende Oktober verlängert worden. Und zwar, wie Weidner hinzufügte, „im Einvernehmen mit den Parteien“. Mehr wollte er zum Thema nicht sagen. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir aktuell keine Details nennen.“
Grundsätzlich macht die Behörde jedoch keinen Hehl daraus, dass sie den Zementmarkt mehr als kritisch sieht. Erst im Juli hatte das Amt eine sogenannte Sektoruntersuchung für die Branche vorgelegt – und darin erhebliche Probleme ausgemacht. „Unsere Sektoruntersuchung zeigt, dass wir aber auch aktiv die strukturellen Bedingungen in diesem Markt verbessern müssen, um den Wettbewerb zu beleben“, sagte Kartellamtschef Andreas Mundt bei der Vorstellung der Analyse. „Wir werden uns mit dieser Branche daher weiterhin intensiv beschäftigen und beispielsweise kartellrechtlich bedenkliche Unternehmensverflechtungen prüfen und gegebenenfalls auflösen.“
Das Problem: Wegen der hohen Transportkosten gebe es keinen bundesweiten Zementmarkt. Jeder Hersteller konzentriere sich auf die Region rund um seine Produktionsstätte. Entsprechend wenig Auswahl habe am Ende der Kunde. Das mache sich bei den Preisen bemerkbar, die von Region zu Region stark auseinandergehen, so die Behörde. Im Osten ist es dabei meist teurer – außer im Süden Sachsen-Anhalts, wo sich Opterra und Schwenk bisher Konkurrenz machen. Auf die geplante Übernahme geht das Papier zwar nicht ein. Doch schon jetzt sind in Ostdeutschland Opterra und Schwenk die dominierenden Anbieter, so das Ergebnis der Untersuchung. Die Behörde spricht von einem „asymmetrischen Oligopol“.
24,1 Prozent Marktanteil
Opterra mit seinem Werk in Karsdorf kommt demnach auf 24,1 Prozent Marktanteil, Schwenk mit seinem Werk in Bernburg folgt mit knapp 16,5 Prozent auf Platz drei. Zusammen kämen die beiden damit auf einen Marktanteil von mehr als 40,6 Prozent im Osten. In Mitteldeutschland wäre er sogar noch deutlich höher. Denn weitere Anbieter sind hier rar: In Sachsen gibt es gar keine, in Thüringen zwei kleinere Produktionsstätten: Dornburg-Camburg im Saale-Holzland-Kreis (Thomas-Gruppe) und Deuna im Eichsfeld (Dyckerhoff).
Opterra und Schwenk wollten sich auf Anfrage nicht näher zum Thema äußern. „Mit Blick auf das laufende Verfahren können wir Ihnen zum heutigen Zeitpunkt keine weiteren Informationen oder Prognosen geben“, erklärten Sprecher beider Unternehmen fast wortgleich. Vereinbart hatten sie den Verkauf des Karsdorfer Werkes schon im Februar. Anfang Mai wurde die Sache dann dem Kartellamt vorgelegt. Das leitete vier Wochen später ein förmliches Hauptprüfverfahren ein. Schon damals hieß es, das Amt sehe „weiteren Klärungsbedarf“.
Das Verfahren wird selten angewendet. Meist winkt das Amt Fusionen ohne große Prüfung innerhalb weniger Wochen durch. Dieses Schnellverfahren wird „erste Phase“ genannt – und kommt bei 99 Prozent aller Fälle zur Anwendung. Maximal einen Monat hat das Amt dafür Zeit. Braucht es länger, dann leitet es die „zweite Phase“ ein: das Hauptprüfverfahren. Das gibt dann weitere drei Monate Zeit. Wenn das immer noch nicht reicht, kann eine Verlängerung vereinbart werden, wie jetzt bei Schwenk/Opterra geschehen.
Im vergangenen Jahr gingen von mehr als 1229 angemeldeten Fusionen nur zehn ins Hauptprüfverfahren. Fünf davon wurden am Ende doch noch genehmigt, eine weitere unter Auflagen gebilligt. Vier Übernahmen scheiterten dagegen – weil die Firmen die Anträge zurückzogen. Vom Kartellamt wirklich untersagt wurde zuletzt 2015 die Übernahme von Kaisers-Tengelmann durch Edeka.
Das Zementwerk in Karsdorf hatte bis Ende 2014 zum französischen Baustoffkonzern Lafarge gehört. Der hatte den einstigen VEB 1992 von der Treuhand übernommen. Der Ausstieg erfolgte nach 22 Jahren eher unfreiwillig: Im Zuge der Fusion mit dem Schweizer Konkurrenten Holcim drängte die europäische Wettbewerbsbehörde auf einen Verkauf von Unternehmensteilen, darunter mehrere Standorte in Deutschland - inklusive Karsdorf. Schon damals soll Schwenk-Zement Interesse an dem Werk gezeigt haben. Lafarge wollte aber nur im Paket verkaufen. Den Zuschlag erhielt am Ende der irische Baustoffkonzern CRH. Der legte die Standorte unter dem Kunstnamen Opterra zusammen. Die Zentrale der neuen Tochter wurde in Leipzig angesiedelt.
Deutlich weniger Mitarbeiter
Mit dem Ausstieg in Karsdorf würde die bisher 400 Mitarbeiter starke Opterra-Gruppe deutlich schrumpfen. Bei Opterra blieben neben der Leipziger Zentrale mit ihren 30 Mitarbeitern nur zwei Standorte in Bayern und Baden-Württemberg mit zusammen 145 Mitarbeitern.
Das heute zu Schwenk gehörende Zementwerk in Bernburg gab es ebenfalls schon zu DDR-Zeiten. Das Ulmer Unternehmen hatte es 1990 von der Treuhand übernommen und den maroden Standort dann innerhalb von 20 Monaten durch einen Neubau ersetzt, der damals als modernstes Werk Europas galt.