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Justiz Justiz: Dank einer Fußnote 200 Jahre

Von Albrecht Günther 11.03.2016, 08:47
Nach der umfassenden Sanierung in den 1990er-Jahren erstrahlt das Gebäude des Oberlandesgerichts Naumburg in neuem Glanz. Mit einem Festakt wurde an die erste Sitzung 1816 erinnert.
Nach der umfassenden Sanierung in den 1990er-Jahren erstrahlt das Gebäude des Oberlandesgerichts Naumburg in neuem Glanz. Mit einem Festakt wurde an die erste Sitzung 1816 erinnert. Torsten Biel

Naumburg - Vor einigen Jahren hat sich Curt Becker auf die Suche begeben. Doch das Original des im Oktober 1990 von CDU und FDP unterschriebenen Koalitionsvertrages der ersten Landesregierung Sachsen-Anhalts nach der Wende blieb unauffindbar. Dabei ist sich der frühere CDU-Landtagsabgeordnete, Naumburger Oberbürgermeister und Justizminister sicher: „Mit meinem Vorschlag, eine Fußnote in die Koalitionsvereinbarung zur Überprüfung des Standortes Naumburg anzufügen“, war der damalige CDU-Landesvorsitzende und spätere Ministerpräsident Gerd Gies einverstanden. Die Fußnote hatte Bestand. Der Landtag beschloss, das Oberlandesgericht für das Land Sachsen-Anhalt zum 1. September 1992 in Naumburg zu errichten. Damit konnte angeknüpft werden an die langjährige Tradition dieser Justiz-Behörde, die am 29. März 1816 ihre erste Sitzung abgehalten hatte.

Mit einem Festakt, an dem Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) teilnahm, wurde gestern an die Gründung des Naumburger Oberlandesgerichts erinnert. Wegen der Vielzahl der Gäste jedoch musste die Veranstaltung in den Festsaal der ehemaligen preußisch-kaiserlichen Kadettenanstalt verlegt werden. Und so wehte doch noch ein Hauch des Preußentums durch den Nachmittag.

„Das Naumburger Oberlandesgericht ist mit der Geschichte unseres Landes, aber ebenso mit der deutschen Historie eng verbunden“, sagte Haseloff in seinem Grußwort. Der Ministerpräsident erinnerte ebenso an den Aufbau der rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit nach der Wende. Sie sollte den Bürgern die Wahrung und Durchsetzung ihrer persönlichen Rechte ermöglichen und die notwendige Rechtseinheit wieder herstellen. „Dieser Aufbau ist sehr gut gelungen. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist groß“, hob Haseloff hervor. Aber der Rechtsstaat sei nichts Selbstverständliches. Er müsse bewahrt, gepflegt und weiterentwickelt werden. Der Naumburger Behörde bescheinigte Haseloff: „Das Oberlandesgericht präsentiert sich modern und leistungsstark. Die Richter tragen eine hohe Verantwortung, sie haben sich den wachsenden Herausforderungen immer wieder mit Erfolg gestellt.“

Begrüßt wurden die über 200 Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus weiteren europäischen Staaten von Winfried Schubert, der kürzlich von Justizministerin Angela Kolb-Janssen (SPD) im Alter von 65 Jahren als OLG-Präsident in den Ruhestand versetzt worden war.

Ebenfalls herzliche Grüße an die Festversammlung richtete Uwe Wegehaupt, der seit April 2015 als Vizepräsident des Oberlandesgerichts fungiert und seit dem 1. März die präsidialen Amtsgeschäfte führt. Wegehaupt hieß die zahlreichen Juristen-Kollegen willkommen, unter ihnen die frühere Naumburger OLG-Präsidentin Gertrud Neuwirth. Zugleich verwies er darauf, dass zur Geschichte des Naumburger Gerichts eine umfassende und reich bebilderte Broschüre erarbeitet worden ist. Sie wurde in digitaler Form als Stick an die Gäste überreicht.

Einen Ausblick in die „ferne Zukunft des Gerichts“ wagte anschließend Heiner Lück mit seinem Festvortrag. Der Jurist ist Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht sowie europäische, deutsche und sächsische Rechtsgeschichte. „Die Digitalisierung der Gerichte wird deutlich zunehmen, dabei wird es weiterhin eine höhere und eine niedere Gerichtsbarkeit geben“, gab Lück eine Prognose ab. Eine zentrale Position würden dabei die Richter einnehmen. „In der Findung der Urteile werden digitale Mittel an Bedeutung gewinnen“, so Lück weiter. Abschließend ging der Festredner auf den Aspekt des „künftigen Umgangs mit Missetaten“ ein. Sühne habe seit Beginn der Rechtsprechung eine zentrale Bedeutung besessen, später sei die Wiedergutmachung hinzugekommen. Lück lobte in diesem Zusammenhang den im Jahr 1994 eingeführten Täter-Opfer-Ausgleich. „Dieser Weg scheint besonders zukunftsträchtig zu sein“, ermunterte der Professor die Richter.

Bereichert wurde der Festakt durch Spielszenen, die von Konstantin Lindhorst und Thomas Schneider vom Theater Magdeburg auf die Bühne gebracht wurden. Sie stellten Auszüge aus dem Roman „Der Nazi und der Friseur“ von Edgar Hilsenrath vor. Die Schülerinnen der Landesschule Pforta Konstanze-Natalie Heyder (Violincello) und Anna-Luise Lehmann (Violine) interpretierten Kompositionen von Alexander Arutjunian und Albert Becker. Zu hören war ebenso das Ensemble „Occantas“. Nach der Kaffeepause, in der von den OLG-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern gebackener Kuchen gereicht wurde, folgte die Podiumsdiskussion „Was ist ein gerechtes Urteil?“ Leider hatte der frühere israelische Generalstaatsanwalt Gabriel Bach, der 1927 in Halberstadt geboren wurde und der im Eichmann-Prozess als einer der drei Ankläger fungierte, seine Teilnahme wegen Krankheit absagen müssen. So diskutierten in der Moderation von Winfried Schubert die Professoren Julius H. Schoeps vom Moses Mendelssohn Zentrum, Reinhard Geier, Richter am Bundesverfassungsgericht, sowie Guillermo Ormazabal Sanchez von der Universität Girona (Spanien).

Im Zeichen des Jubiläums lädt das OLG am Freitag von 9 bis 14 Uhr Jung und Alt zum Tag der offenen Tür ein. Neben stündlichen Führungen bieten Mitglieder eines Familiensenates ein Gespräch zum Familienrecht an. Zudem können Besucher an einer öffentlichen Zivilsenatssitzung mit vorheriger Einführung teilnehmen.

Im Gespräch: Ministerpräsident Reiner Haseloff (v.l.), LandtagspräsidentDieter Steinecke sowie Gertrud Neuwirth und Winfried Schubert.
Im Gespräch: Ministerpräsident Reiner Haseloff (v.l.), LandtagspräsidentDieter Steinecke sowie Gertrud Neuwirth und Winfried Schubert.
Biel
Konstanze-Natalie Heyder (Violincello), Schülerin der Landesschule Pforta, bereichert die Festveranstaltung mit der Interpretation eines Musikstückes.
Konstanze-Natalie Heyder (Violincello), Schülerin der Landesschule Pforta, bereichert die Festveranstaltung mit der Interpretation eines Musikstückes.
Biel