Geschäftsleben Geschäftsleben : An der Ecke wird es still

Eckartsberga - Eine Ära neigt sich in Eckartsberga dem Ende zu: die gut ein Jahrhundert existierende Verkaufseinrichtung an der Ecke Neue Straße/Kirchweg. Wo in dem ursprünglich privat geführten Geschäft zu DDR-Zeiten der Konsum einzog, um Textilien, Möbel, Gardinen oder auch Teppiche feilzubieten, füllten seit 1995 diverse Waren die Regale des „Geschenkeck“. Hinter dessen Ladentisch stand die meiste Zeit Ilona Romankiewicz. Am Donnerstag, 28. Februar, öffnet sie ein letztes Mal die Ladentür.
Rundum-Service für Schüler
„Einerseits ist das Internet eine Konkurrenz geworden. Andererseits sind die älteren Leute mobiler geworden und erledigen ihre Einkäufe in der Ferne“, zählt die 64-Jährige die Gründe auf. Einige Stammkunden waren ihr dennoch geblieben wie jene ältere Dame, die für Familie und Freunde die Geschenke unbeirrt in dem Eckgeschäft einkaufte und jedes Mal, wenn sie mit dem vielen Kleingeld bezahlte, meinte, dass sie nun wieder ihren „Klingelbeutel leeren“ könne.
Aber auch die jüngeren Generationen werden Ilona Romankiewicz gewiss vermissen. Immerhin kümmerte sich die Millingsdorferin um die Schulbücher. „Ich habe die Bücherlisten bekommen, die Bücher bestellt, sortiert, für die Kunden eingeschlagen und abholbereit zurechtgestellt“, erzählt sie. Ein Rundum-Service der den jungen Familien viel Zeit und Nerven sparen half. Ilona Romankiewicz wird ihre Kundschaft vermissen: „Ich habe den Kontakt zu den Leuten gern gepflegt und gern geholfen, das wird mir dann wohl fehlen.“ Doch alles hat seine Zeit. Und die bringt oft auch Unerwartetes mit sich.
Engagement für Aufbau Ost
So wie nach der politischen Wende als sie sagte, sie wolle beim Aufbau Ost mithelfen. „Das hat meinen Werdegang durcheinandergebracht“, sagt sie. Denn ihre Aufbauhilfe und die ihres Mannes Günther bestand darin, das Haus an besagter Ecke 1995 zu kaufen. Sie wollten es vermieten. Doch der Interessent sprang ab. Also eröffnete ihr Mann das Geschäft, der selbst eine Fensterbaufirma in Millingsdorf betrieb, und stellte Edith Aschenbrenner und Martina Bisch als Verkäuferinnen ein. 2004 stieß Ilona Romankiewicz hinzu. Ursprünglich arbeitete die Diplom-Agraringenieurin in der LPG Pflanzenproduktion Burgholzhausen. 1987 kehrte sie dem Betrieb den Rücken. Ihre Heimatgemeinde Tromsdorf mit den Ortsteilen Millingsdorf, Thüsdorf und Seena suchte einen neuen Bürgermeister. „Mir war daran gelegen, dass es in den Gemeinden vorangeht“, erklärt sie ihren Wechsel in dieses Amt.
Von LPG ins Bürgermeisteramt
„Die Zeit zwischen 1989 und 1990 war meine erfolgreichste, da konnte ich für die vier Dörfer das meiste schaffen“, blickt sie zurück. Die Dörfer hatten bei ihrem Amtsantritt kein Wasser. Für die Tierhaltung in Thüringen war zu jener Zeit ein Tiefbrunnen gebaut worden, wodurch das Wasser in den Hausbrunnen versiegte. Es war ein strenger Winter und Tromsdorf für den Wasserleitungsbau aufgebuddelt. „Da packten die Einwohner nach Feierabend mit an“, erinnert sie sich. Wenig später waren auch die anderen Ortsteile dran. Thüsdorf kam 1990 gar in den Genuss, dass alle Versorgungsleitungen in die Erde kamen und dann die Straße neu gebaut wurde. „Viel schaffen konnten wir , weil alle vier Dörfer auf einmal in die Dorferneuerung gekommen waren“, so Ilona Romankiewicz, die noch heute vom Engagement der Einwohner schwärmt, die einst ihre Häuser und Grundstücke verschönerten. 1990 kam der Schnitt.
Ihr Bürgermeisteramt war plötzlich ein Ehrenamt. Beruflich ging es für sie in der Verwaltung weiter. Erst leitete sie die Verwaltungsgemeinschaft (VG) Herrengosserstedt, dann die neue VG Eckartsberga - bis 1995, dann wurde sie in der Firma ihres Mannes gebraucht. „Ich erledigte die Buchhaltung und war Mädchen für alles“, erzählt sie. Weil die Arbeit zu viel wurde, gab sie das Bürgermeisteramt auf.
Schließlich wurde sie auch im Geschenkeck gebraucht. Vor 15 Jahren nahmen sie darin die nicht lange geführte Postbank und die vor Kurzem abgegebene Postagentur auf. Nun bringt sie mit dem Räumungsverkauf die letzten Waren stark reduziert an den Mann. Bleiben werden ihr viele schöne, teils kuriose Erinnerungen wie jene mit Pilgern, die zur Erleichterung ihres Gepäcks ihre Schmutzwäsche per Post nach Hause schickten oder sie baten, wegen der Hitze ihnen die Hosen zu kürzen.
