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Asylbewerberheim Asylbewerberheim: Geplante Abschiebung heizt Stimmung

Von MICHAEL HÜBNER UND KATRIN LÖWE 16.07.2009, 20:09

MÖHLAU/MAGDEBURG/MZ. - Anlass war eine - letztlich gescheiterte- Abschiebung eines Roma-Ehepaars, das seit1999 in Deutschland lebt. Der 49-jährige Mannwar auf das Dach des Fünfgeschossers geflüchtet,drohte mit Selbstmord. Seine 47-jährige Frauerlitt offensichtlich durch die AufregungKreislaufprobleme und musste in eine Klinikgebracht werden.

Die Situation nahm an Dramatik zu, als diefreiwilligen Feuerwehren aus Gräfenhainichenund Möhlau kurz nach 5 Uhr eintrafen. "Wirwollten helfen, aber wir wurden von Heimbewohnernunter anderem mit Blumentöpfen beworfen",so der Möhlauer Wehrleiter Steffen Jude. EinFeuerwehrmann wurde von einem Tisch getroffenund an der Hand verletzt. Die Helfer brachenihren Einsatz daraufhin ab. Ein Polizeipsychologekonnte den 49-Jährigen schließlich zum Aufgebenbewegen - in Begleitung eines Bekannten durfteer das Heim verlassen. Die gebuchten Plätzeim Linienflug nach Pristina blieben leer.

Scharfe Kritik löste der Zeitpunkt derAbschiebung im Multikulturellen Zentrum Dessauaus. Angesichts der aktuellen Lage in Möhlausei es "mehr als unangemessen", so OpferberaterMarco Steckel. "Da wäre Zurückhaltung angebracht."Die Heimbewohner beklagen seit Wochen ihreLebensbedingungen, Grüne und Linke schlossensich an. Zudem ist die Lage durch den ungeklärtenTod eines Irakers angespannt, der unter mysteriösenUmständen Brandverletzungen erlitt (sieheauch: "Iraker wird heute obduziert").

"Manchmal", so Wittenbergs Landrat JürgenDannenberg (Linke) auf die Kritik, "ist dasim Gesamtgetriebe nicht zu verhindern." DieFrist zur Ausreise war verstrichen, die Abschiebungsei nach einem langen Prozedere rechtskräftiggeworden. Dies habe die Ausländerbehörde derzentralen Abschiebungsstelle Halberstadt gemeldet.Von dort wurden die Details geklärt. Die politischeVerantwortung bleibe aber beim Kreis. "DieAbschiebung des Ehepaars ist jetzt ausgesetzt",so Dannenberg.

Grundsatzkritik an der Abschiebung von Romaübt indes der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalts.Sie würden in ein Land geschickt, welchessie "gelinde gesagt nicht mit offenen Armenempfängt". Die Arbeitslosigkeit unter Romaim Kosovo liege laut einer Studie bei 90 Prozent,viele Kosovo-Albaner sähen Roma als Verräteran.

Jahrelang hatte es für die Roma einen Abschiebestoppgegeben. Seit April existiert ein Rückführungs-Übereinkommenzwischen der Bundesrepublik und Kosovo. Diessei Ende Juni auch mit einem Erlass in Sachsen-Anhaltumgesetzt worden, so Jochen Bleckmann, Referentim Innenministerium. "Alleine könnte das Landkeinen Stopp erlassen." Laut Flüchtlingsratdroht in Sachsen-Anhalt rund 300 Roma dieAbschiebung.