Interview mit Zeitzer OB Interview mit Zeitzer OB : Christian Thieme spricht über seine "Taktik" im Stadtrat

Zeitz - Christian Thieme ist seit wenigen Wochen neuer Oberbürgermeister in Zeitz. Am Donnerstag ging es für ihn um seine erste wichtige Abstimmung im Stadtrat: die Wahl seines Stellvertreters. Die Abstimmung war notwendig geworden, weil der bisherige Bürgermeister Henrik Otto im August die Stadtverwaltung verlassen hatte. Aber statt einen neuen Bürgermeisters zu wählen, lehnte es der Stadtrat am Donnerstagabend ab, abzustimmen.
Rund zwei Drittel der Stadträte waren der Meinung, die Ausschreibung sei fehlerhaft und es fehle an geeigneten Kandidaten. Der Antrag von OB Thieme wurde von der Tagesordnung gefegt. Darüber und über sein Verhältnis zum Stadtrat sprachen Gert Glowinski und Angelika Andräs-Kautz mit dem 43-Jährigen.
Herr Thieme, Sie haben im Stadtrat bei Ihrer ersten wichtigen Abstimmung eine richtige Klatsche bekommen. Wie geht es Ihnen einen Tag danach?
Thieme: (überlegt lange) ...
Also offenbar nicht so gut!
Thieme: Mir geht es gut, so etwas gehört zur Kommunalpolitik dazu. Fest steht: Dass kein neuer Bürgermeister gewählt wurde, was der Stadt schadet. So bleibt nicht nur die Stelle des Bürgermeisters zunächst unbesetzt, auch die damit verbundene des Amtsleiters Recht und Ordnung. Nun werden sich die Verwaltung und ich erneut mit der Ausschreibung befassen - dabei stehen auch andere Dinge an.
Warum haben Sie denn dann die Ausschreibung nicht gleich besser vorbereitet? Immerhin werfen Ihnen einige Stadträte Schlamperei vor.
Thieme: Die Ausschreibung war nicht fehlerhaft. Alle Fristen wurden eingehalten und auch der Ausschreibungstext war korrekt. Er lehnte sich sogar an den der vorherigen Ausschreibung für diese Stelle an. Der Text ist auf Antrag einiger Stadträte im Vorfeld präzisiert worden und wurde so im Juni von den Stadträten abgestimmt.
Dennoch gab es im Stadtrat Bedenken, dass der Text einerseits wegen unklarer Formulierungen Bewerber abgehalten haben könnte und dass andererseits keiner der von Ihnen präsentierten Kandidaten überhaupt die Kriterien der Ausschreibung erfüllt hat.
Name: Diese Ansicht ist falsch, ich kann keine formalen Fehler erkennen. Der Stadtrat hatte den Ausschreibungstext sogar mehrheitlich gebilligt. Wir haben die Ausschreibung breit gestreut, immerhin hat alles fast 6 000 Euro gekostet.
Dann müssen Sie sich doch die Frage stellen, warum man Sie dann hat derart auflaufen lassen.
Name: Vielleicht gab es Kommunikationsprobleme. Das ist auch ein Lernprozess für mich. Ich hätte sicher im Vorfeld der Abstimmung mehr dafür tun müssen, dass es zu einer Zustimmung kommt und die Wahl stattfinden kann.
Haben Sie denn im Vorfeld dafür geworben, dass die Abstimmung nach Ihren Vorstellungen abläuft?
Thieme: Ja, aber zu wenig.
Vielleicht sind Sie an die Entscheidungsfindung im Stadtrat herangegangen wie ein Jurist, der Sie ja auch von Haus aus sind ...
Thieme: Das kann gut sein. Es gibt große Unterschiede zwischen meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt früher und dem Amt des Oberbürgermeisters. Das habe ich an diesem Abend durchaus gespürt.
Als klar war, dass ihr Antrag scheitern wird, warum haben Sie nicht versucht, die kritischen Stadträte zu überzeugen. Sie haben gar nichts getan. Warum nicht?
Thieme: Aus zwei Gründen. Zunächst wollte ich keine Konfrontation an dieser Stelle. Natürlich müssen sich die Stadträte und ich auch erst aneinander gewöhnen. Das ist doch normal. Zweitens war mir klar, dass es in den Fraktionen klare Verabredungen gab, den Antrag zu stellen. Ich glaube nicht, dass ich das mit einer Rede geändert hätte und formal wurde erst einmal die Wahl des Beigeordneten von der Tagesordnung entfernt. Der Beschluss, einen Beigeordneten zu wählen, ist nicht aufgehoben.
Vielleicht ist Ihr Verhältnis zu vielen Stadträten einfach nicht so gut, wie Sie dachten?
Thieme: Ich sehe den Stadtrat nicht als Gegner. Die Stadträte haben natürlich ein berechtigtes Interesse daran, ihren Bedenken Gehör zu verschaffen und ihre Meinung zu äußern. Auch wenn das aktuell nachteilig für die Stadt ist.
Ist die Blamage im Stadtrat nicht eher nachteilig für Ihr Renommee?Thieme: Das sagen Sie! Schauen Sie sich doch einfach mal einige Kommentare im Internet dazu an. Dort wird die Sache auch anders diskutiert.
So nach dem Motto: Der Stadtrat behindert die Arbeit des neuen und unabhängigen Oberbürgermeisters?
Thieme: Nein. Die Situation wurde im Stadtrat eigentlich ganz elegant gelöst. Die Wahl des Beigeordneten wurde einfach von der Tagesordnung genommen. Das war Taktik. So können wir in zwei bis drei Wochen den Antrag auf Wahl eines neuen Bürgermeisters auch erneut einbringen.
Oh, das klingt jetzt, als ob Sie mit dem Kopf durch die Wand wollen. Was soll denn in einigen Wochen anders sein?
Thieme: Ich werde bis dahin viele Gespräche führen und die Kritiker der Ausschreibung versuchen zu überzeugen.
Und das soll funktionieren?
Thieme: Tut mir leid, meine Glaskugel ist gerade kaputt. Ich werde mich um genug Unterstützung bemühen, damit die nächste Abstimmung klappt und wir endlich die Stelle besetzen können.
Haben Sie keine Sorge, dass Ihnen im Stadtrat auch bei künftigen wichtigen Entscheidungen - etwa beim Haushalt - kräftiger Wind entgegen bläst?
Thieme: Politische Entscheidungen vorzubereiten und auch durchzusetzen, das ist natürlich neu für mich. Aber ich möchte konstruktiv mit den Stadträten zusammenarbeiten und ich unterstelle mal, die meisten Stadträte wollen das auch. Aber ich habe natürlich auch andere Möglichkeiten. Der Hauptverwaltungsbeamte hat auch Befugnisse und er kann gegen Entscheidungen des Stadtrates Widerspruch einlegen.
Wohin so etwas führt, kann man gut in Halle besichtigen. Dort treffen sich Oberbürgermeister und Stadtrat sogar schon mal vor Gericht. Möchten Sie das auch in Zeitz?
Thieme: Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Aber ich finde, die fehlgeschlagene Abstimmung zur Wahl des Bürgermeisters muss kein schlechtes Licht auf künftige Abstimmungen werfen.
Wozu brauchen Sie eigentlichen einen Bürgermeister? Andere Städte haben diesen Posten bereits abgeschafft.
Thieme: Der Bürgermeister ist in Zeitz gemäß Hauptsatzung vorgesehen. Dafür hat sich der Stadtrat vor Jahren entschieden. Und die Stelle ist wichtig für uns. Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin nimmt entscheidende Aufgaben wahr.
Das ist jetzt wirklich sehr allgemein. Einen Stellvertreter haben Sie doch auch ohne den Posten des Bürgermeisters in der Verwaltung. Es ist klar geregelt, wer Sie vertreten darf. Oder packen Sie es nicht allein?
Thieme: Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann. Der schwierige Aufgaben, wie den Umbau der Verwaltung, mit mir zusammen angeht. Und der natürlich auch die Stadt repräsentiert, wenn ich verhindert bin. Hinzu kommt: Selbst wenn wir auf den Posten in der Verwaltung verzichten, wäre die Kostenersparnis minimal. Wir haben das durchgerechnet.
Auf die Ausschreibung hatten sich 15 Bewerber gemeldet, neun zur Wahl zugelassen, vier zur Vorstellung eingeladen worden. Jemand nach Ihrem Geschmack dabei?
Thieme: Ja, ich denke schon. Meine Favoriten kann ich Ihnen aber nicht verraten.
(mz)