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Geschichte Geschichte: Regime-Gegner mit einer Verpflichtung als IM?

Von BIRGER ZENTNER 01.12.2009, 21:46

ZEITZ/MZ. - Der Grünen-Kommunalpolitiker und frühere Oberbürgermeister Dieter Kmietczyk hält dem früheren Oberspielleiter am Zeitzer Theater Jürgen Kautz vor, informeller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen zu sein. Kautz räumt das auch ein. Bei einem Gespräch mit der MZ haben beide dieses Kapitel beleuchtet.

Warum Kmietczyk das Thema gerade jetzt auf die Tagesordnung setzt, liegt an zwei Interviews, die die MZ mit den beiden Männern eben anlässlich des 20. Jahrestages von Leipziger Montagsdemo und Berliner Mauerfall geführt hatte. "Ich verstehe nicht", so Kmietczyk, "wie jemand, der IM war, sich heute als ein Gegner der DDR darstellen kann?" Genau das habe Kautz in dem Interview getan. Er wisse über die IM-Tätigkeit seit langer Zeit Bescheid, habe das aber nicht thematisiert, "weil ich es nicht als meine Sache betrachtet habe, ehemalige IM bloßzustellen". Vielmehr sollten sie ganz normal ihr Leben leben können. "Aber ich kann nicht wortlos zusehen, wenn jemand, der der Stasi eine Verpflichtung unterschrieben hat, heute so tut, als wäre er ein Gegner des DDR-Regimes gewesen."

Kautz bestätigt, dass er 1982 eine entsprechende Erklärung unterzeichnet hat. Aber die Zusammenhänge seien andere gewesen, als es den Anschein haben mag. "Ich habe mir zuerst den Kopf zerbrochen, warum die gerade auf mich kamen, schließlich hatte man mir in den 1960er Jahren den Prozess wegen Hochverrats machen wollen, mich letztlich wegen Republikflucht, die nie stattgefunden hat, verurteilt. Außerdem war ich in meiner beruflichen Laufbahn mehrfach denunziert worden", erklärt Kautz.

Gleichberechtigte Partner

Er habe schließlich unterschrieben, um die Gelegenheit zu bekommen, zu erfahren, woher ihm aus seinem Umfeld Ungemach drohen könnte. "Ich habe nämlich darauf Wert gelegt, dass in der Verpflichtung festgelegt wurde, dass wir gleichberechtigte Partner sind, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen." Er habe der Stasi sagen wollen, wie über die Politik gedacht wird, sie habe ihn über Bedrohungen informieren sollen. So sei das auch gelaufen. Berichte über Personen habe er nicht geschrieben.

Eine Ausnahme räumt Kautz allerdings ein. Über einen Kollegen aus dem Theater habe er Berichte geliefert. "Ich ging davon aus, dass es sich bei ihm um einen Provokateur handelte", sagt Kautz. Das habe sich später als falsch erwiesen. Er habe sich bei dem Mann, der inzwischen gestorben ist, entschuldigt und das sei akzeptiert worden.

Für Kmietczyk ist diese Darstellung wenig glaubwürdig. "Vielleicht hätte ich das respektiert, wenn Sie das kurz nach der Wende erklärt hätten, aber das haben Sie nicht getan", sagt er zu Kautz. "Warum haben Sie so lange geschwiegen?"

Er habe geglaubt, dass "das rum gewesen" sei in Zeitz, argumentiert Kautz. Er habe im Freundeskreis in den 1990er Jahren dazu Stellung bezogen und das sei akzeptiert worden. Dass er nicht weiter in die Öffentlichkeit gegangen sei, habe damit zu tun gehabt "dass das in einer Hexenjagd gegen mich geendet hätte", erklärt Kautz.

Dass er die Verpflichtung unterschrieben habe, ändere nichts daran, dass er im Herbst 1989 vom Theater aus den Dialog zwischen der damaligen Parteiführung und der Bevölkerung befördert habe, in dessen Folge die örtliche Parteiführung zurückgetreten sei. Er sehe sich nach wie vor als Kritiker des DDR-Regimes, das er mit den Mitteln des Theaters versucht habe zu bekämpfen. Zum Beispiel mit der Einstudierung des Programms "Vom Training des aufrechten Gangs" nach Motiven von Volker Braun, aufgeführt am 23. Oktober 1989 am Zeitzer Theater. "Warum soll ich mir das nehmen lassen, nur weil ich pro forma mit denen zusammengearbeitet habe?" fragt Kautz.

"Was haben Sie gegeben?"

Kmietczyk hält an seiner Kritik fest, auch weil er sich frage, "Was haben Sie denen gegeben?" Die Geschichte passe zu einem Theatermann, zumal Kautz sie so lange verschwiegen habe. Kautz: "Sie wissen doch genau, wie die Atmosphäre war, Sie hören ja jetzt noch nicht zu." Offenbar werde er für sehr naiv gehalten, wenn er glauben solle, Kautz habe auf Augenhöhe mit der Stasi zusammenarbeiten können, entgegnet Kmietczyk. Aber genau so sei es gewesen, beteuert Kautz.