MZ-Serie „Alt wie ein Baum“ Kranken- und Pflegekassen: So wirkt sich älter werdende Bevölkerung im Kreis Wittenberg aus
100 Jahre und älter – das ist keine große Seltenheit mehr. Aus diesem Anlass hat die MZ die Serie „Alt wie ein Baum“ begonnen. Heute geht es um Kranken- und Pflegekassen.

Wittenberg/MZ. - Angesichts der demografischen Entwicklung in Sachsen-Anhalt – immer mehr Menschen werden sehr alt, es gibt außerdem mehr Hochbetagte – hat die Mitteldeutsche Zeitung die Serie „Alt wie ein Baum“ gestartet. Nachdem bereits in der Tai-Chi-Gruppe eines Gemeinwesenzentrums vorbeigeschaut wurde, es unter anderem um generationsübergreifende Pädagogik ging und der Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes Wittenberg zur Lage hier interviewt wurde, soll es heute um Kranken- und Pflegekassen gehen. Wie der Verband der Ersatzkassen (vdek) und die AOK Sachsen-Anhalt die Situation einschätzen.
Was bedeutet eine immer älter werdende Gesellschaft für Kranken- und Pflegekassen und wie wirkt sich ein Anstieg der Hochbetagten auf die Beitragszahlungen aus? Nach Angaben des vdek machen sich die Auswirkungen sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmenseite bemerkbar. Mit zunehmendem Alter steige das Risiko für Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit, wobei vor allem in den letzten fünf Lebensjahren die Gesundheitsausgaben am höchsten sind. Ausgaben erhöhende Wirkungen hätten zudem der medizinisch-technische Fortschritt und steigende Personalkosten, die etwa in der Pflege durch die Tariftreue bedingt sind. Auf der Einnahmenseite führe laut vdek „die schrumpfende Zahl“ junger erwerbstätiger Menschen zur Reduzierung der Beitragszahlungen. Um steigende Beiträge für die Versichertengemeinschaft zu begrenzen, seien Reformen erforderlich.
Bisher in der Serie "Alt wie ein Baum" erschienen:
- Anfang Hundert - Wo im Kreis Wittenberg das Alter erreicht wird
- Was die älter werdende Gesellschaft für Pflegedienste bedeutet
- Senioren basteln gegen das Altern in Annaburg
- Pustewind umweht Senioren: Jessener Kitakinder zu Besuch bei Omis und Opis der Tagespflege
- Kranken- und Pflegekassen: So wirkt sich älter werdende Bevölkerung im Kreis Wittenberg aus
- Leben mit Demenz in Oranienbaum
Auch die AOK Sachsen-Anhalt betont, dass eine immer älter werdende Gesellschaft verschiedene Auswirkungen auf Kranken- und Pflegekassen hat. Zum einen führe sie – neben weiteren Faktoren – zu steigenden Kosten, da die Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen im Alter in der Regel zunimmt. Zum anderen sinken aber auch die Beitragseinnahmen, da ältere Menschen oft nicht mehr erwerbstätig sind und die Rente, aus der anteilig die Beiträge gezahlt werden, meist niedriger ist als das Einkommen.
Gleichzeitig hätten gesamtgesellschaftliche Entwicklungen auch vor dem Gesundheitswesen in Sachsen-Anhalt keinen Halt gemacht und sorgten für deutliche Kostensteigerungen. So habe die AOK Sachsen-Anhalt 2023 beispielsweise für Krankenhausbehandlungen rund 1,3 Milliarden Euro ausgegeben. Das seien rund 90 Millionen Euro mehr als 2022.
Wird die Zahl von Pflegeeinrichtungen und Pflegekräften in Deutschland ausreichen?Dass für die Zukunft lediglich Vermutungen angestellt werden könnten, heißt es vonseiten des vdek. In Sachsen-Anhalt würde alle zwei Jahre eine Pflegestatistik vom Statistischen Landesamt veröffentlicht. Der aktuellste Bericht liege derzeit aus dem Jahr 2021 vor. In diesem Jahr waren den Angaben zufolge rund 166.000 Menschen pflegebedürftig. Das Land zählte hierzu rund 40.000 Pflegekräfte, die die Pflegebedürftigen in ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeheimen versorgen. Obwohl die Zahl der Pflegekräfte seit Beginn der statistischen Berichterstattung 1999 kontinuierlich gestiegen sei, habe sich die Zahl der Pflegebedürftigen wesentlich stärker erhöht. Ein besonders akutes Problem, so der vdek, stellt der Fachkräftemangel in der Pflege dar. Mit der Pflegeberufsreform, die eine verstärkte Qualifizierung von Pflegehilfskräften zur Entlastung von Pflegefachkräften vorsehe, und Zuwanderung ausländischer Pflegekräfte werde versucht, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ein Blick auf die Pflegeeinrichtungen zeige wiederum, dass zum Beispiel in der vollstationären Pflege ein Leerstand von 10.000 Betten bei rund 20.000 versorgten Pflegebedürftigen und 30.000 verfügbaren Pflegeheimplätzen bestehe. Hier bestehen scheinbar noch Kapazitäten, heißt es weiter. Der vdek beobachte jedoch, „dass zunehmend wieder mehr Pflegebedürftige zu Hause allein durch Angehörige oder mit Unterstützung eines Pflegedienstes versorgt werden“. Angesichts steigender Eigenanteile in der Pflege sei es sicherlich sinnvoll, bereits frühzeitig Vorsorge zu treffen.
Wie die AOK mitteilt, sei es daneben auch entscheidend, ob es gelingt, neue Konzepte beispielsweise in Form von betreuten Wohnformen zu etablieren. Und aktuell habe man zum Beispiel in Sachsen-Anhalt auch die Nachbarschaftshilfe „mit guter Resonanz“ eingeführt, heißt es weiter.
Bieten Krankenkassen älteren und hochbetagten Menschen Programme zur Gesunderhaltung an? Wenn ja, welche sind das und zu welchen Konditionen?Laut vdek stellen Krankenkassen seit 2019 jährlich einen Betrag von 7,52 Euro pro Versicherten für die Gesundheitsförderung bereit. Diese Mittel würden unter anderem für Projekte zur Gesunderhaltung von älteren Menschen genutzt. Krankenkassen unterstützen demnach landesweit zahlreiche Projekte, darunter für Bewegungsförderung älterer Menschen. Der vdek unterstütze in Sachsen-Anhalt darüber hinaus das Projekt „SeKiB“ der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Das Projekt soll den Angaben zufolge insbesondere Kindern im Vorschulalter aus benachteiligten Familien den Zugang zu vereinsinternem Kindersport ermöglichen. Trainiert würden die Kinder von speziell geschulten Seniorinnen und Senioren – eine „Win-win-Situation“.
Wie es außerdem heißt, sei auf Initiative der Barmer vor einigen Jahren die sogenannte „MemoreBox“ ins Leben gerufen worden: Durch therapeutische Videospiele könnten ältere und pflegebedürftige Menschen über ihre eigenen Körperbewegungen Geschicklichkeit und das Gedächtnis trainieren. Oder die Techniker Krankenkasse: Diese biete mit dem „TK-PflegeCoach“ Unterstützung für pflegende Angehörige an. Das Projekt „Starke Pflege“ der TK beziehe sowohl Pflegebedürftige als auch Pflegekräfte mit ein, so der vdek. Dass es für die ältere Generation zahlreiche, verschiedene Gesundheitskurse gibt, betont auch die AOK unter Hinweis auf eine mögliche Bezuschussung.
Zum Hintergrund: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt hat sich die Zahl derjenigen, die 99 und älter sind, seit dem Jahr 2000 erhöht: und zwar von damals 25 auf jetzt 37 allein im Landkreis Wittenberg. Regelmäßig berichtet die MZ über Geburtstage von 100- und über 100-Jährigen. Wird der Kreis Wittenberg immer älter? Was ist das Geheimnis der über 100-Jährigen? Diesen und weiteren Fragen will die Mitteldeutsche Zeitung auf den Grund gehen. Und zwar in der Serie „Alt wie ein Baum“. In loser Folge berichten wir darüber, welche Herausforderungen, aber auch welche Chancen eine älter werdende Gesellschaft mit sich bringt.