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MZ-Serie „Alt wie ein Baum“ Anfang Hundert - Wo im Kreis Wittenberg das Alter erreicht wird

100 Jahre und älter – das ist keine große Seltenheit mehr. Aus diesem Anlass beginnt die MZ die Serie „Alt wie ein Baum“. Zum Auftakt: In welchen Städten dieses Alter wie oft erreicht wird.

Von Corinna Nitzund Aline Kauper Aktualisiert: 15.04.2024, 09:08
Die Menschen im Land und im Kreis werden älter. Wohl dem, der dann noch fit ist und nicht allein.
Die Menschen im Land und im Kreis werden älter. Wohl dem, der dann noch fit ist und nicht allein. (Foto: DPA)

Wittenberg/MZ. - Ende Februar konnte Gerda Alter im Senioren- und Pflegezentrum „Am Lerchenberg“ ihren 103. Geburtstag feiern. Ein Jahr älter wurde am 1. März Margarete Urban in Kemberg. Wann immer ein Mensch 100 wird oder älter, machen sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf den Weg, um zu gratulieren, und nicht selten auch Medienvertreter. Wird der Kreis immer älter? Was ist das Geheimnis der über 100-Jährigen? Diesen und weiteren Fragen will die Mitteldeutsche Zeitung mit der neuen Serie „Alt wie ein Baum“ nachgehen. Es geht darum, welche Herausforderungen, aber auch welche Chancen eine älter werdende Gesellschaft mit sich bringt. Nachgefragt wurde in den Rathäusern der Kommunen.

„Stadt mit Lebensqualität“

Beim Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt erfasst man Hochbetagte ab dem 99. Lebensjahr. Landesweit lag deren Zahl im Jahr 2000 bei 353, davon waren 56 Männer und 297 Frauen. Im Landkreis Wittenberg waren es 25, auch hier überwogen die Frauen (23). Die Zahl der Menschen im Alter „99 plus“ ist kontinuierlich gestiegen. 2022 waren es 813 im Land und 37 im Landkreis. Interessant ist auch das Ergebnis der Gesamteinwohnerzahl: Lebten im Jahr 2000 noch 2,6 Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt, davon 158.369 im Kreis Wittenberg, waren es 22 Jahre später nur noch 2,1 Millionen beziehungsweise 123.888.

Bisher in der Serie "Alt wie ein Baum" erschienen:

Gestiegen ist die Zahl der Hochbetagten kreisweit, am meisten aber in Wittenberg. Aktuell sind nach Auskunft der Stadtverwaltung sechs Personen 100 Jahre oder älter. 2023 waren es sieben, 2018 vier. Auf die Frage, wie auf eine generell älter werdende Gesellschaft reagiert wird, verweist die Verwaltung auch auf das Integrierte Stadtentwicklungskonzept, darin heißt es: „Die Lutherstadt Wittenberg greift diese Herausforderung auf und profiliert sich auch als Stadt mit Lebensqualität im Alter.“ Für die lokale Wohnungswirtschaft stehe altengerechtes Wohnen beziehungsweis Bauen „längst“ auf der Agenda. „Nachbarschaftliche Netzwerke, mobile Hilfsdienste und kulturelle Angebote gehören mit zu den Dienstleistungen der Pflegeeinrichtungen.“ Im Neuen Rathaus stehen unter anderem das Kontaktbüro Pflegeselbsthilfe sowie die „Koordinierungsstelle der Engagierten Stadt“ zur Verfügung. Auch im Outdoorbereich fänden sich in der Altstadt und in Wittenberg-West Orte, „wo sich jede Generation sportlich betätigen kann“. Doch seien altersgerechte Wohnungen und spezielle Freizeitangebote nur eine Facette: „Das Entscheidende ist die Wertschätzung, die jeder Generation entgegengebracht wird“, heißt es weiter.

Welcher Bedarf groß ist

„Eine immer älter werdende Gesellschaft bedeutet für uns, dass wir uns mit den damit verbundenen Themen beschäftigen und Lösungen anbieten müssen“, erklärt der Oranienbaum-Wörlitzer Bürgermeister Maik Strömer (CDU). Wie kann das Leben im ländlichen Raum für alle Generationen ermöglicht werden? Strömer zählt auf: mit Einkaufsmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung, Personennahverkehr, kulturellen und gesellschaftlichen Angeboten, aber auch durch die Schaffung von Angeboten an junge Menschen und Familien, sodass die gar nicht erst die Region verlassen müssen und mehrere Generationen zusammenleben können.

Hinsichtlich des Wohnungsmarktes betont er: „In mehreren Ortsteilen sind wir mit möglichen Investoren im Gespräch, um Wohnraum umzubauen oder herzurichten, welcher genau diesen Anforderungen entspricht. Dieses ist seit Jahren jedoch ein schwieriger Prozess, da die Kosten für solche Investitionen stark gestiegen sind.“ Bedarf und Nachfrage nach barrierefreiem und altersgerechtem Wohnraum seien aber groß.

Was Hochbetagte angeht, so weist Strömer darauf hin, dass aktuell in Oranienbaum-Wörlitz keine Personen über 100 Jahre gemeldet sind. Zwei Frauen würden allerdings noch 2024 ihren 100. Geburtstag feiern.

Vielfältige Reaktionen

Nach Auskunft von Gräfenhainichens Bürgermeister Enrico Schilling (CDU) lebt in seiner Kommune derzeit eine Person im Alter von über 100 Jahren. Auch er verweist auf Herausforderungen, die eine älter werdende Gesellschaft mit sich bringt – so im Hinblick auf die medizinische Versorgung oder Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Auch bestehe für altersgerechtes und betreutes Wohnen sowie Tagespflege und Pflegeheime ein wachsender Bedarf. Darauf gebe es in Gräfenhainichen „vielfältige Reaktionen“.

Sowohl Wohnungsgenossenschaft, Wohnungsgesellschaft als auch private Investoren haben in altersgerechte, barrierefreie oder zumindest barrierearme Wohnungsbestände investiert, sagt Schilling. Aber auch private Investitionen haben im Wohnpark einen Wohnkomplex für betreutes Wohnen ermöglicht. Pflegedienste würden ihre Angebote erweitern. Schilling: „Es kann festgehalten werden, dass diese Herausforderung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt.“

Auf Hundertjährige angesprochen, sagt Bad Schmiedebergs Bürgermeisterin Heike Dorczok (parteilos), dass es in ihrer Kommune derzeit keine gibt. Dafür haben sie mit Splau den Angaben zufolge eines der jüngsten Dörfer Sachsen-Anhalts, es gebe dort viele Kinder. Mit Blick auf Ältere spricht Dorczok auch die voranschreitende Digitalisierung an, mit der besonders Senioren ausgegrenzt würden. Was Barrierefreiheit betrifft, so gebe es die vielfach in der Stadt, was Dorczok auch auf den Kurstatus zurückführt. Ansonsten gehe immer vieles besser, ÖPNV etwa oder ärztliche Versorgung. Mag man auch keinen direkten Zugriff haben, so könne man sich aber „laut einmischen“.

Soziale Gemeinschaft pflegen

Die Stadt Zahna-Elster hatte zum Stichtag 31. Dezember 2023 exakt 9.177 Einwohner. Zwei werden in diesem Jahr 99 und zwei weitere stehen vor ihrem 102. Geburtstag, informiert die Stadtverwaltung. „Vergleicht man die Altersstatistik der letzten fünf Jahre kann eine Steigerung der Altersjubiläen über 100 Jahre nicht verzeichnet werden“, wird weiter erklärt.

In Jessen leben am Stichtag 27. Februar zwei 99-Jährige, zwei 100-Jährige und ein 101-jähriger Einwohner. „Menschen, die Verpflichtungen haben, wie ein eigenes Haus oder einen Garten, Kinder, Enkel, Haustiere, werden häufiger sehr alt“, schätzt Jessens Bürgermeister Michael Jahn (SPD) ein. Außerdem würde ein bewusstes Leben – Lesen, das Tagesgeschehen beobachten, soziale Gemeinschaft pflegen, ebenso dazu beitragen, ein hohes Alter zu erreichen. Gerade deshalb zeigt er sich froh über Einrichtungen wie Tagespflege, DRK und Seniorentreffs im Stadtgebiet: „Solche Einrichtungen leben von Ehrenamtlichen und ich bin dankbar, dass es diese Menschen und Einrichtungen in der Stadt Jessen gibt.“