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Wittenberg Wittenberg: Das Kleid als Kunstwerk

Von CORINNA NITZ 25.11.2010, 19:24

WITTENBERG/MZ. - August Ohm persönlich setzt auf Understatement. Ganz in Schwarz gekleidet steht der Hamburger inmitten der prächtigen Roben, denen die neue Sonderausstellung der Cranach-Stiftung Wittenberg gewidmet ist. Unter dem Titel "Evas neue Kleider" zeigt sie das Kleid als Kunstwerk und verweist auch auf die letzte Schau, mit dem erheblichen Unterschied, das bei "Venus, Eva & Co." die Damen auf den Gemälden unbekleidet waren.

Ohm ist Künstler und ein leidenschaftlicher Sammler vor dem Herrn. 2009 war eine Auswahl seiner kostbaren Puppenhäuser im Cranachhaus am Markt 4 in Wittenberg zu sehen. Nun zeigt er Pretiosen aus seiner Mode-Sammlung, die Textilien des 16. bis 20. Jahrhunderts bis zur Mode von heute umfasst. Der Bestand, erzählt Ohm am Donnerstag bei einer Vorbesichtigung der Schau, wurde in den Medien schon als die umfangreichste kostümgeschichtliche Privatsammlung auf dem europäischen Kontinent bezeichnet. Tatsächlich habe er nie eine zahlenmäßig große Sammlung angestrebt, sondern eher prototypische Beispiele der Modeentwicklung ausgewählt.

Dass Mode mehr ist als ein mitunter kostspieliges Hobby, beweist die Ausstellung (siehe "Vom Fellrock..."). Ohm spricht auch von einem Seismographen des Zeitgeistes. In Wittenberg zeigt der Mann, der von einem eigenständigen Mode-Museum träumt, Kleider des 18. bis 21. Jahrhunderts etwa von Charles Fredéric Worth, Yves Saint Laurent und Hubert de Givenchy. Alle sind wunderschön anzuschauen, auch wenn sich leicht vorstellen lässt, dass eine Dame einst bei Hofe, unterm Kleid eingesperrt in ein starres Korsett, von Zeit zu Zeit die Flucht in die Ohnmacht antreten musste. Wie lässig kommt dagegen die "Reliquie" (Ohm) der Schau daher: ein Outfit für Marlene Dietrich, die allem Anschein nach kleiner war, als sie auf der Leinwand immer wirkte. Was übrigens die Körpergröße betrifft, so wird an den Exponaten auch ablesbar, wie sich der Mensch in seiner Statur verändert hat. In die ältesten Kleider für erwachsene Frauen passen heute allenfalls Kinder. Dies stelle, so Ohm, mitunter auch ein Problem bei der Präsentation dar, weil man geeignete Figurinen finden muss, auf welche die edlen Stücke aufgezogen werden können, ohne sie zu beschädigen. Ergänzt werden die Kleider um ausgewählte Gemälde der jeweiligen Epoche. Zudem wird das bis Mitte 2010 von Nina Windisch im Internet geführte Modeblog "kleiderkoeln" vorgestellt. Es ist diese Mischung, welche den Besuch der Ausstellung "Evas neue Kleider" zu einem besonderen Erlebnis macht. Und wer es irgendwie einrichten kann, sollte sich die Vernissage Freitagabend nicht entgehen lassen. Ohm spricht selbst und er ist nicht nur kompetent, sondern kann sehr schön erzählen.