1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Viktor Orban in Wittenberg: Viktor Orban in Wittenberg: Gut bewachter Privatbesuch

Viktor Orban in Wittenberg Viktor Orban in Wittenberg: Gut bewachter Privatbesuch

Von Marcel Duclaud 07.11.2017, 10:45
Ein Foto an der Thesentür muss einfach sein: Ministerpräsident Reiner Haseloff zeigt Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán seine Stadt.
Ein Foto an der Thesentür muss einfach sein: Ministerpräsident Reiner Haseloff zeigt Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán seine Stadt. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Eine Mehrheit in Wittenberg hat offenkundig wenig Probleme mit dem Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten, der ja umstritten ist - etwa wegen seiner Flüchtlingspolitik und in jüngster Zeit auch, weil er sich antisemitischer Anspielungen bedient. Das zumindest ergibt eine Online-Umfrage der MZ.

Danach finden über 70 Prozent die Visite in Ordnung, lediglich 17 Prozent sagen: Gar nicht gut. Am Montag also ist Viktor Orbán nach Wittenberg gekommen. Die Politik hat sich im Vorfeld sichtlich Mühe gegeben, den Ball flach zu halten. Privater Besuch, kein Kommentar, lautet meist die Reaktion. Der Mann sei als Christ auf Pilgerreise.

Weshalb Schloss-, Stadtkirche und Lutherhaus auf seinem Programm stehen. Aber natürlich ist ein solcher Besuch immer auch ein Politikum, zumal wenn der Ministerpräsident ihn begleitet, aus Gründen der Höflichkeit und Etikette, wie die Staatskanzlei in Magdeburg betont.

Etliche Leser haben sich via Facebook zum Orbán-Besuch geäußert. Tenor hier: Herzlich Willkommen. Er sei ein sympathischer und fähiger Staatsmann, heißt es unter anderem oder: „Orban ist demokratisch legitimiert und legal eingereist.“ Und: „Privatmann Orbán hat Wittenberg besucht.“

Kurz nach 16.30 Uhr begrüßt Reiner Haseloff Viktor Orbán an der Schlosskirche - bereits Stunden zuvor haben zahlreiche Polizisten rund um Schloss und Lutherhaus Position bezogen. „Zur Prävention“, wie es heißt. Publikum ist Mangelware, es sind deutlich mehr Sicherheitsleute vor Ort als Menschen, die den Ministerpräsidenten empfangen wollen: kein Protest, kein Beifall.

Der Besuch verläuft unspektakulär. Und zunächst zumindest hinter verschlossenen Türen. In der Schlosskirche bauen sich Polizisten am Eingang auf, als die Presse dem Tross folgen will.

Orbán, vier Minister, vier Staatssekretäre und der Botschafter wollen Beten am Grab Martin Luthers, begründet Regierungssprecher Matthias Schuppe. Er betont mehrfach, dass es sich um keine politische Reise handelt, dennoch werde der Ministerpräsident ein Vier-Augen-Gespräch mit Orbán führen und dabei strittige Fragen wie Religions- und Pressefreiheit oder die Beziehungen innerhalb der Europäischen Union ansprechen.

Mit der Kanzlerin, so Schuppe, sei das abgesprochen: „Am Reformationstag, als Angela Merkel in Wittenberg war, hat der Ministerpräsident sie darauf angesprochen und den Besuch abgestimmt.“

Einen fast offiziellen Fototermin gibt es Montag dann doch: Orbán und Haseloff vor der Thesentür. Die große Gruppe läuft später durch das abendliche Wittenberg, macht Station in Cranach-Hof und Stadtkirche. Haseloff erklärt seine Heimatstadt. Ein bisschen Protest wartet schließlich am Lutherhaus: das Fahrrad des SPD-Europaabgeordneten Arne Lietz.

Bestückt ist es mit Plakaten in deutscher und ungarischer Sprache, für Religionstoleranz und Rechtsstaatlichkeit, gegen Antisemitismus tritt die SPD ein. Lietz hätte gerne einen Disput geführt: Sei nicht gewünscht gewesen, bedauert er. Ein älterer Herr hält ein Plakat in die Höhe: „Meinungsfreiheit bewahren.“ Die AfD zeigt ebenfalls Präsenz: „Wir freuen uns über den Besuch von Viktor Orbán“, sagt Stadtrat Dirk Hoffmann.

Ein Landsmann ist übrigens auch gekommen, aus eher unpolitischen Gründen: Andras Zsalmas möchte den Ministerpräsidenten seiner Ex-Heimat live erleben. „Der Zaun“, bemerkt der kräftige Mann, der seit eineinhalb Jahren in Wittenberg lebt, aber seit gut 20 in Deutschland, sei schon in Ordnung: „Manche Sachen sind gut, andere nicht, so ist das Leben“, philosophiert Zsalmas, während er vor der Schlosskirche auf Orbán wartet.

Er fügt hinzu: „Unser kleiner Diktator.“ Das scheint eher freundlich gemeint. (mz)

Einsamer Protest: Arne Lietz mit seinem Plakat. Auf Deutsch heißt es darauf: „Willkommen Herr Orbán! Die SPD steht für Religionstoleranz, zu Europa, für Rechtsstaatlichkeit, für universitäre Freiheit und gegen Antisemitismus ein.“
Einsamer Protest: Arne Lietz mit seinem Plakat. Auf Deutsch heißt es darauf: „Willkommen Herr Orbán! Die SPD steht für Religionstoleranz, zu Europa, für Rechtsstaatlichkeit, für universitäre Freiheit und gegen Antisemitismus ein.“
Klitzsch
Starke Polizeipräsenz sichert den Orbán-Besuch ab.
Starke Polizeipräsenz sichert den Orbán-Besuch ab.
Klitzsch