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Phönix-Theaterwelt Phönix-Theaterwelt: Theater der Altmark präsentiert "Im weißen Rössl"

Von Michael Stolle 22.11.2016, 07:58
„Im weißen Rössl“ glänzte das Theater der Altmark mit einer sehr guten Ensemble-Leistung.
„Im weißen Rössl“ glänzte das Theater der Altmark mit einer sehr guten Ensemble-Leistung. Klitzsch

Wittenberg - Lange haben die Wittenberger Operettenfreunde warten müssen, ehe auf der Bühne des ehemaligen Mitteldeutschen Landestheaters wieder einmal eine Operette zu hören und zu sehen war. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Ensemble des Theaters der Altmark Stendal bescherte den Besuchern einen vergnüglichen, temporeichen, unterhaltsamen Theaterabend voller Spielfreude und Witz.

Man muss den Besuchern - und auch den Zeitungslesern - keine Erklärung dieses populären Stückes geben, das zwischen Lustspiel, Posse und Revue wechselt. Alle Handlungsstränge erklären sich selbst, und die Personen, die das Touristenhotel „Weißes Rössl“ am österreichischen Wolfgangsee besuchen, sind pralle Komödiengestalten mit drastischen, aber letztlich komödiantisch lösbaren Interessengegensätzen.

Seit 86 Jahren auf den Bühnen

Nun ist das Stück ja eine Gemeinschaftsarbeit vieler Autoren. Ursprünglich 1897 als Lustspiel von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg in Berlin uraufgeführt, erlebte es 1930 seine zweite Geburt als große Revue im Berliner Großen Schauspielhaus: Der Revue-Produzent Erik Charell und der UFA-Chefdramaturg Hans Müller möbelten das Stück auf, der junge Robert Gilbert schrieb die Liedtexte und komponierte auch gleich den Schlager „Was kann der Sigismund dafür“, Ralph Benatzky steuerte die Musik voller einprägsamer „Ohrwürmer“ bei und beteiligte seine Kollegen Bruno Granichstaedten, Hans Frankowski und Robert Stolz.

Letzterer sorgte mit „Mein Liebeslied muß ein Walzer sein“ und „Die ganze Welt ist himmelblau“ für den typisch österreichischen „Sound“. So wandert die Operette seit nunmehr 86 Jahren von Bühne zu Bühne, mal als große Ausstattungsoperette, mal als Revue mit Chor und Ballett, mal als Kammerstück wie zum Beispiel in der Berliner „Bar jeder Vernunft“ im Jahre 1994.

Mit zehn Solisten

Als Kammerstück mit einer auf neun Musiker reduzierten Orchesterfassung erlebten es auch die Wittenberger Theaterbesucher. Zehn Solisten spielten nicht nur die insgesamt dreizehn Rollen, sondern verkörperten auch in geschickter, temporeicher Verwandlung den Chor der touristischen „Rössl“-Besucher. Das Publikum erlebte vor allem eine perfekte Ensembleleistung, pointenreich und mit Tempo auf die Bühne gestellt von Regisseur Vincent Kraupner.

Die Choreographie von Sofia Mazzoni gefiel besonders beim Regenlied und in der heiter-erotischen Badeszene. Dies alles spielte im Einheitsbühnenbild von Mark Späth, dem dennoch nichts fehlte: weder das Wirtshaus mit obligatem Balkon noch die Alpengipfel mit abpflückbaren Blumen und die rot-weiß-karierten Tischdecken. Michaela Fent bestach als Rössl-Wirtin mit Charme, großer Bühnenpräsenz und wohlklingend-lyrischem Sopran.

Der abgewiesene und entlassene, zu guter Letzt aber doch als Ehemann angenommene Zahlkellner Leopold wurde überzeugend verkörpert von Andreas Müller, dessen facettenreiche Tenorstimme absolut überzeugte. Als Trikotagenfabrikant Giesecke sorgte Roland Avenard für die notwendige Komik im Berliner Dialekt. Thomas Weber als Rechtsanwalt Siedler spielte sympathisch und sang mit angenehm baritonalem Timbre.

Ein Höhepunkt an intelligenter Dialogkomik ist immer die Szene mit dem glatzköpfigen Sigismund Sülzheimer und dem lispelnden Klärchen; die stellten Johannes Fast und Angelika Hofstetter komödiantisch auf die Bühne. Und Hannes Liebmann brachte es fertig, sowohl den pedantisch-zerstreuten Professor Hinzelmann als auch den jovialen Kaiser Franz Joseph zu verkörpern. Überzeugend auch die übrigen Sängerdarsteller.

Andreas Dziuk hielt als Dirigent im Trachtenkostüm die Fäden schwungvoll-musikantisch in der Hand.

Unterhaltungskunst erhalten

Alle waren zufrieden, das Publikum applaudierte anhaltend, und der Kritiker fragt: Warum nicht öfter eine Operette im Phönix-Theater? Und möglichst ohne die ominöse „Kulturabgabe“, die sicher einen Besucherschwund zur Folge hätte. Liebe Stadtväter! Vergesst vor lauter Luther die Unterhaltungskunst nicht! (mz)

„Im weißen Rössl“ glänzte das Theater der Altmark mit einer sehr guten Ensemble-Leistung.
„Im weißen Rössl“ glänzte das Theater der Altmark mit einer sehr guten Ensemble-Leistung.
Thomas Klitzsch
„Im weißen Rössl“ glänzte das Theater der Altmark mit einer sehr guten Ensemble-Leistung.
„Im weißen Rössl“ glänzte das Theater der Altmark mit einer sehr guten Ensemble-Leistung.
Thomas Klitzsch