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Kemberg Kemberg: Schlosser-Lehrlinge treffen sich nach 51 Jahren

Von KARINA BLÜTHGEN 20.09.2015, 15:44
Gestandene Männer sind die einstigen Lehrlinge geworden.
Gestandene Männer sind die einstigen Lehrlinge geworden. KLITZSCH Lizenz

KEMBERG - „Sonntagabend wurde der Rucksack gepackt zu Hause. Mutter hatte noch einen Rührkuchen gebacken, dazu wurden Bratwurst und Fett eingepackt“, beschreibt Günter Bley das wöchentliche Ritual vor über 50 Jahren. „Und dann sind wir mit dem Moped hergefahren.“ Ziemlich genau kann sich der Mann aus Rösa an seine Lehrzeit erinnern, die 1964 zu Ende ging. Mit 30 anderen Lehrlingen hatte er in Kemberg eine Ausbildung zum Landmaschinen- und Traktorenschlosser absolviert.

Lehrmeister erinnert sich

Nun sitzen 18 von ihnen am Sonnabend im Kemberger „Ratskeller“ und erzählen von alten und neuen Zeiten. Alle um die 70 Jahre alt - bis auf einen. Hans Sündermann, der vor kurzem seinen 92. Geburtstag feiern konnte, war seinerzeit einer der Lehrmeister der damals jungen Burschen. „Es sind schöne Erinnerungen“, findet er, wenn er den anderen zuhört und mit seinen eigenen Erlebnissen vergleicht. Den gelernten Schmied hatte es nach einer Krankheit aus dem Wittenberger Eisenwerk für fünf Jahre an die Betriebsberufsschule der RTS (Reparatur-technische Station) Kemberg verschlagen. „Das waren damals 15- bis 16-jährige Jungen, heute sind sie Rentner. Sie haben sich doch alle etwas verändert.“

Hans Sündermann hatte den Lehrlingen als Teil ihrer Ausbildung das Schmieden beigebracht. „Den Meißel habe ich heute noch“, lobt Günter Bley die Arbeit damals. Die zweijährige Ausbildung sei sehr gewissenhaft und fachlich gründlich gewesen. „Es gab Lernaktive zu je zehn Schülern. Ein Lehrmeister hat sich je um ein Lernaktiv gekümmert.“ Neben den Grundlagen des Schmiedehandwerks lernten die jungen Männer, die alle aus der Region kamen, das Schweißen, Drehen, Fräsen sowie die Autoelektrik und Motorentechnik kennen.

„Es war mit die schönste Zeit“, findet Karl-Heinz Fritsche aus Dessau-Kochstedt rückblickend. Er war, wie die meisten aus der Klasse, wochentags im Wohnheim der Berufsschule untergebracht. Dadurch habe man gemeinsam viel Zeit verbracht. Über die Stränge hätten sie jedoch nie geschlagen, beteuert er. Der Leiter des Lehrlingswohnheims habe da schon darauf geachtet. Auch er kam wöchentlich mit dem Moped nach Kemberg. Mit dem Zug, sagt auch Günter Bley, war es seinerzeit viel zu umständlich. Dann fällt Fritsche doch noch etwas ein. „Es gab mal eine kleine Band der Berufsschule, in der habe ich Schlagzeug gespielt“, verrät er. Im Jugendklub neben dem Rathaus sei dann immer „Remmidemmi“ gewesen. Gefeiert wurde auch in der „Goldenen Weintraube“ mit Mädchenklassen aus Kropstädt, zum einen von der Schwesternschule aus dem Mütterheim, zum andern von der kaufmännischen Abteilung. Die wurden dafür mit dem Bus nach Kemberg gefahren. „Manche der Freundschaften hielten sehr lange“, weiß Bley noch. Karl-Heinz Fritsche hat davon alte Fotos, da sehen die jungen Männer in ihren Anzügen (mit Schlips!) richtig schick aus. „Da haben wir Charleston getanzt“, weiß Horst Schlegel aus Zahna noch. Einer habe sein Mädchen sogar geheiratet.

Viele haben studiert

Das Leben hat die einstigen Lehrlinge, die gelernt hatten, wie man Motoren zerlegt und wieder zusammenbaut sowie Ersatzteile selbst herstellt, in alle Winde zerstreut. Die meisten sind ihrem Beruf treu geblieben, haben sich weiter qualifiziert. Günter Bley hat in Eutzsch seine Meisterausbildung absolviert und war in Nordhausen auf der Ingenieurschule. 22 Jahre war er technischer Leiter der LPG Pouch. Auch Karl-Heinz Fritsche hat seinen Meister gemacht, er war unter anderem in der LPG Hinsdorf tätig. Für ihn war Landmaschinenschlosser nicht die erste Berufswahl. „Ich wollte Rundfunkmechaniker werden“, erzählt er.

Voriges Jahr hatte sich die Klasse 50 Jahre nach Lehrabschluss erstmals getroffen, da waren mit Günter Kummer und Georg Ständer zwei weitere Lehrer dabei. Eigentlich wollten sie dieses Jahr noch einmal einen Blick auf ihre alte Berufsschule werfen, aber das hat nicht geklappt. Das Gelände ist verkauft worden „Vielleicht nächstes Jahr“, sagt Fritsche, der dafür einen Dia-Vortrag geplant hat. (mz)

So sahen sie früher aus.
So sahen sie früher aus.
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