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Ferropolis Ferropolis: Gesichter wecken Neugier

Von Ulf rostalsky 14.02.2014, 19:08
Bergleute und Künstler kommen vor den Hallen von Ferropolis ins Gespräch.
Bergleute und Künstler kommen vor den Hallen von Ferropolis ins Gespräch. Thomas klitzsch Lizenz

Gräfenhainichen/MZ - Sieben, acht große Porträts passen an die Fassaden zweier Hallen am Eingang der Stadt aus Eisen. Das hat Hendrik Beikirch längst ausgemacht. Der Koblenzer will Ferropolis seinen Stempel aufdrücken und ehemalige Bergleute porträtieren. Beikirch ist Graffiti-Künstler und hat als „ecb“ auf der ganzen Welt seine Spuren hinterlassen.

Nicht nur Platz für Diskokugeln

Mit seiner Kunst soll er in Ferropolis einen Beitrag für den lebendigen Geschichtsunterricht liefern. „Wir haben hier eine einzigartige Kulisse“, weiß Ferropolis-Geschäftsführer Thies Schröder. Allerdings hat er auch festgestellt, dass immer mehr Leute einfach keinen Bezug zum realen Bergbau und damit zur Geschichte der Region haben. „Kann ja nicht sein, wenn welche meinen, dass wir einen ordentlichen Aufwand betrieben und Bagger rangeschafft haben, nur um Diskokugeln aufzuhängen.“ Das Problem liegt auf der Hand. Bergbau ist seit mehr als zwei Jahrzehnten Geschichte. Die Zeitzeugen gehen langsam aus. Dennoch soll die Arbeit in der Kohle nicht in Vergessenheit geraten. Ferropolis und Beikirch haben zueinander gefunden und gehen nun ein vom Land und der Sparkasse Wittenberg unterstütztes sowie vom Fernsehsender Arte begleitetes Experiment an.

Ehemalige Bergleute sollen Modell stehen. Beikirch möchte sie so darstellen, wie sie heute sind: Mit Falten im Gesicht, die von Lebenserfahrung berichten, allerdings ohne bergbautypisches Beiwerk. Die überdimensionalen Gesichter sollen Neugier erwecken und zugleich verdeutlichen, dass die Stadt aus Eisen und deren Bagger einst Mittelpunkt des Arbeitslebens waren.

Monika Miertsch ist 1971 zum Bergbau gekommen. Sie kann erzählen, berichtet von der Leidenschaft fürs Autofahren und der für sie logischen Konsequenz, schließlich als Baggerfahrerin ihr Geld zu verdienen. Mit der Vorstellung, von Beikirch auf der Hallenwand verewigt worden zu sein, kann sie jedoch noch nichts anfangen. „Ich bin doch nicht fotogen.“

Heimatort weggebaggert

Genau das müssen die Models auf Zeit auch nicht sein. Sie sollen für den Bergbau stehen. Für den Kumpel von nebenan, den Nachbarn. „Aber für Leute von außerhalb werden sie immer anonym bleiben.“ Der Künstler will vorerst nicht mit großen Namenstafeln und Lebensläufen arbeiten.

Er will Gesichter sprechen lassen. Wenn die Leute selbst erzählen, ist das etwas ganz anderes. Roland Herrmann zum Beispiel hat als Baggerfahrer auf dem „651“ gesessen, der heute bei Konzerten die Bühnenkulisse ist. Herrmann war auch dabei, als Gremmin weggebaggert wurde. „Mein Heimatort. Schwere Sache, aber notwendig damals.“

Ex-Tagebauleiter meidet Arena

Zum Kreis der möglichen Models gehören der ehemalige Elektriker Peter Schlosser und Rudi Pobbig, der in der Instandhaltung alles unter seine Hände bekam, was mit Transport zu tun hatte. Porträtiert werden sollen zudem die Bergingenieure Bernhard Twardy, Hans-Georg Petschke und der ehemalige Tagebauleiter Horst Richter. Zehn Jahre lang hat er Ferropolis und damit seine langjährige Arbeitsstätte Golpa-Nord gemieden. Mittlerweile hat Richter seinen Frieden gemacht mit der Arena und freut sich, wenn dort jugendliches Leben tobt. „Habe ich mir angeschaut, als es letztes Jahr kostenlose Karten für uns Ältere gab.“ Richter wunderte sich damals über die vielen Fragen zum Bergbau und kann sich anfreunden mit Beikirchs Projekt. „Ich mache mit. Soweit ich es kann“, sagt der fast 80-Jährige.