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Anderen Leuten zu helfen, ist ihm eine Herzenssache

Von H.-DIETER KUNZE 07.10.2009, 18:10

NEUERSTADT/MZ. - Diese gemeinnützige Organisation ist sein Ein und Alles. Fragt man ihn, wie viele Stunden Freizeit er dafür ungefähr geopfert hat, zuckt er mit den Schultern und meint lachend: "Wenn man helfen möchte, schaut man nicht auf die Uhr."

Das Bedürfnis, anderen Menschen helfen zu wollen, muss Günter Wipfler in die Wiege gelegt worden sein. Sein Vater war als Sanitäter an den Fronten des Zweiten Weltkrieges. Die Mutter war Jahrzehnte als Krankenschwester tätig. Seit acht Jahren ist sie selbst ein Pflegefall. Klar, dass sich Günter Wipfler und seine Geschwister um sie kümmern. Der Neuerstädter hat sechs Schwestern. Alle sind sie im medizinischen Bereich oder in der häuslichen Krankenpflege tätig. Seine drei Brüder arbeiten in medizinischen Einrichtungen der Bundeswehr. Eins verbindet die zehn Geschwister, ihre eigentliche und "die große" Familie: Sie sind Mitglied im DRK.

Es war in der dritten Klasse, als sich Günter Wipfler für eine Arbeitsgemeinschaft entscheiden sollte. Er wählte gleich zwei. Weil Deutsch sein Lieblingsfach war, den Zirkel Junge Schriftsteller und die Arbeitsgemeinschaft Junge Sanitäter. Es habe ihn begeistert, Handgriffe in Erster Hilfe, das Verhalten in Notfällen und zunehmend auch die Kameradschaft. Vor allem, als er mit 14 Jahren im Jugend-Rotkreuz der DDR zum Gruppenführer gewählt wurde.

Am 1. Februar 1973 wurde er ordentliches Mitglied im DRK. Ein Jahr später war Günter Wipfler bereits Mitglied der Kreisjugendkommission des DRK Herzberg-Jessen. Weitere zwölf Monate darauf wurde er dessen Vorsitzender und Mitglied der Jugendkommission des Bezirkes Cottbus. Seine Hauptaufgabe bestand in der Nachwuchsgewinnung sowie der Aus- und Weiterbildung von Kindern und Jugendlichen. Sie betreuten damals als "Timur-Helfer" vor allem ältere oder gebrechliche Menschen.

Eine enge Zusammenarbeit verband Günter Wipfler mit der Gemeindeschwester Ingrid Lehmann aus Linda, die schon verstorben ist. "Ihr habe ich eine ganze Menge praktischer Kenntnisse auf medizinischem Gebiet zu verdanken. Bestimmt auch, weil sie sehr resolut war", erinnert er sich schmunzelnd.

Weitere Stationen von Günter Wipfler waren unter anderem die Leitung von zwei DRK-Jugendgruppen in Linda und Holzdorf. Gern erinnert er sich an die zahlreichen Einsätze in all den Jahren zurück. Mit seinen Kameradinnen und Kameraden sicherte er zu DDR-Zeiten die Kreis-Kinder- und Jugendspartakiaden medizinisch mit ab, war bei Reitsportveranstaltungen und Wettkämpfen der Jungen Sanitäter dabei. Das Engagement von Günter Wipfler hatte sich bis in höchste DRK-Kreise herumgesprochen. Bald schätzte man seine Mitarbeit bei zentralen Sport- oder anderen Großveranstaltungen wie den Pfingstreffen der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Der wohl größte und spektakulärste Einsatz waren für den Neuerstädter die Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 in Berlin.

Nach der Wende wurden die DRK-Kreisverbände zu einem zusammengelegt. Günter Wipfler blieb Kreisjugendleiter für den Altkreis Jessen. "Für den gesamten Landkreis hätte ich das berufsbedingt und vom Zeitaufwand her nicht gepackt", schätzte er ein.

Aktiv war er am Aufbau des DRK-Betreuungszuges Wittenberg / Jessen beteiligt und ist heute für 35 Kameraden der Zugführer. Zusammen mit dem DRK-Sanitätszug Wittenberg und der Wasserwacht Gräfenhainichen bilden diese bei Notfällen oder Katastrophen eine geschlossene Einheit. Im Vordergrund stehen dabei die Ersthilfe, die soziale und psychologische Betreuung von Verletzten sowie die Verpflegung. Auch da kann Günter Wipfler tatkräftig "mitrühren", denn er hat eine Kochausbildung absolviert. "Am liebsten koche ich Erbsensuppe", räumt er ein. Mit den zwei im Landkreis Wittenberg vorhandenen Feldküchen des DRK können bis zu 2 000 Personen versorgt werden.

Eine der größten Herausforderungen war nicht nur für die Kameraden des DRK die Jahrhundertflut der Elbe im August 2002. Im Gedächtnis von Günter Wipfler fest eingebrannt hat sich auch eine Großübung vor drei Jahren in Holzdorf. Dabei wurde ein Flugzeugabsturz simuliert.

Nach der Motivation für solch umfangreiches ehrenamtliches Engagement befragt, meint Günter Wipfler: "Das ist auch eine Erziehungsfrage. Sicher hat daran mein Elternhaus einen großen Anteil. Einer hilft dem anderen. So sollte es auch in größerem Rahmen sein." Sein Motto ist ein Ausspruch des Urwaldarztes Albert Schweitzer: "Wer zünden will, muss selber brennen."

Günter Wipfler hat einen 17-jährigen Sohn, aber verheiratet ist er nicht. "Das möchte ich keiner Frau zumuten", meint er lachend. Sein Arbeitgeber, die Gerd Lienau GmbH in Herzberg hat vollstes Verständnis für das Ehrenamt. "Da gibt es überhaupt keine Probleme bei Freistellungen", meint der Neuerstädter. Karsten Pfannkuch, Vorstandsvorsitzender des DRK-Kreisverbandes Wittenberg schätzt die Arbeit des Kameraden hoch ein. Dieser habe maßgeblichen Anteil an der Gründung des Jugend-Rot-Kreuz-Landesverbandes Sachsen-Anhalt im Jahr 1990. Für seine Verdienste wurde Günter Wipfler 2004 mit der Ehrenmedaille des Präsidenten des DRK-Landesverbandes ausgezeichnet. "Er ist immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Günter Wipfler lebt die Ideale des Roten Kreuzes selbst", sagt anerkennend Karsten Pfannkuch.