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Weißenfels Weißenfels: Ein Film gegen das Vergessen

Von HOLGER ZIMMER 28.01.2011, 21:07

WEISSENFELS/MZ. - Norbert Geissler sagt: "Diesen Teil Weißenfelser Geschichte konnte man so bisher nicht nachvollziehen." Der 18-Jährige ist Gymnasiast und würde es gut finden, wenn der Streifen Jugendlichen nahebringen könnte, dass die Verfolgung der Juden "auch in der Stadt, in der wir leben, passiert ist".

Katharina Krüger, die Historikerin und Medienwissenschaftlerin, die Regie geführt hat, bekennt, dass sie auf die Reaktion des Publikums gespannt gewesen sei. Ihr hätte es aber auch gereicht, wenn die Gäste an dem Tag, an dem

66 Jahre zuvor das Vernichtungslager Auschwitz befreit worden war, ihre Ergriffenheit gezeigt hätten, indem sie nicht klatschen.

Ihr Film zeichnet sich dadurch aus, dass auf der Leinwand ausschließlich die zwangsemigrierten Weißenfelser und ihre Kinder und Enkel zu Wort kommen. Einziger Zeitzeuge ist allerdings Josef Oscher, der von 1928 bis 1934 in Weißenfels lebte. Wie dringend die Realisierung dieses vom Burgenlandkreis geförderten Projektes des Simon-Rau-Zentrums gewesen ist, zeigt, dass Josef Sternreich 2009 verstarb und für ihn sein Sohn David vor der Kamera stand.

Die Gesprächspartner machen deutlich, wie und warum "Deutsche jüdischer Religion" vor der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten geflohen sind. Lange verständigten sie sich noch in Palästina und dem späteren Israel in ihrer Muttersprache. Über den Holocaust zu reden war in den Familien aber durchaus nicht an der Tagesordnung und Micha Scheyer sagt im Interview, dass wenig über die Ermordeten gesprochen wurde und Kinder heute in Israel - wie Gleichaltrige in Deutschland - vom Massenmord in der Schule hören. Oft kehren die Flüchtlinge von einst in ihre alte Heimat zurück, zeigen auch ihren Kindern und Enkeln Weißenfels. Ein Name, der neben denen anderer deutscher Städte an einer Mauer der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem wie eingebrannt steht. Laut Krüger sind nach derzeitigem Kenntnisstand 66 Menschen aus Weißenfels ermordet worden.

Die Idee zum Film stammt von Enrico Kabisch, dem Vorsitzenden des Simon-Rau-Zentrums. Auch mit Hilfe des Ilmenauers Reinhard Schramm, der ein Buch über Juden der Saalestadt geschrieben hat, sei es gelungen, Personen ausfindig zu machen. In der selbstständigen Historikerin Katharina Krüger fand Kabisch eine begeisterte Mitstreiterin. Sie war zuvor schon im Zusammenhang mit einem anderen Projekt für den MDR in Israel. Diesmal ging es ihr im vergangenen Sommer darum, zwangsemigrierte Weißenfelser und ihre Angehörigen in den Mittelpunkt zu stellen, wie die 30-Jährige bekennt.

Nun ist Unterstützung für einen weiteren Film notwendig, der in den USA entstehen soll. Laut Krüger und Kabisch gibt es dort Weißenfelser wie Lore und Eric Rau, die Kinder des letzten jüdischen Kantors, sowie Max Fränkel, der sogar Chefredakteur der "New York Times" war. Anliegen sei es, die Dokumentation für Projektwochen anzubieten, in denen sich Jugendliche mit der Verfolgung und Vernichtung der Juden auseinandersetzen können. Und das gerade in Weißenfels, wo die Tafel für den Geschichtspfad an der ehemaligen Synagoge ebenso zerstört wurde wie erst kürzlich einer der Stolpersteine, betont Katharina Krüger.

Reinhard Schramm hatte den Weißenfelser Opfern bereits in DDR-Zeiten mit einem Buch ein Denkmal gesetzt. Seit zehn Jahren geht er auch in Gefängnisse und glaubt, selbst hartgesottene Rechtsradikale zum Nachdenken über diesen Teil deutscher Geschichte bewegen zu können. Der Film könne ihm dabei helfen.

Projektwochen-Interessenten können sich über 0177 / 1 41 92 99 melden.