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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: «Saaleblick» geht den Bach runter

Von PETRA WOZNY 23.03.2012, 19:45

WEISSENFELS/MZ. - "Nein, wir lassen uns nicht mehr umstimmen. Wir kehren Weißenfels den Rücken." Erika Engeln kämpft mit den Tränen, während ihrem Mann die Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben steht. Der Außenstehende mag dem Inhaberehepaar der Gaststätte "Zum Saaleblick" nicht glauben. Zu liebevoll ist der Gastraum gestaltet, anheimelnd der Wintergarten. Geradezu lauschig ist es im Biergarten mit dem idyllischen Blick auf die ruhig dahinfließende Saale. Gegen Ende des Jahres wird das Ehepaar den Schlüssel herumdrehen und wegziehen. Und dies nach zwei Jahrzehnten.

Nach der Wende sind die beiden Sachsen des Wassersports wegen nach Weißenfels gezogen, erwarben das Haus, in dem sich heute die schmucke Gaststätte befindet. Ein kleines Café wollten sie führen. Die große Gaststätte mit frisch zubereitetem Essen und selbst gebackenem Kuchen, kalendarisch immer anders gestalteten Menükarten und Freizeitangeboten ist daraus geworden. Familien kehren gern hier ein, Wassersportler kommen direkt von der Saale über den eigenen Steg an die Tische.

Die Idylle in und hinter dem Restaurant ist die eine Seite der Medaille. Davor breitet sich der größte Bauplatz von Weißenfels aus - ein Ende des Baugeschehens ist vor 2014 nicht absehbar. "Wir sind für die Gäste nicht mehr erreichbar", schildert Erika Engeln und fügt hinzu: "Damit teilen wir das Los mit dem Optiker, der Apotheke und, und und." Die Folgen seien gravierend: "Für uns bedeutet das, mit einem Umsatzverlust von rund 50 Prozent seit langem zu leben." "Wir haben nichts mehr zuzusetzen", rechnet der Gastwirt vor und legt los: "Vorher hatten wir mit den Bauarbeiten in der Dammstraße zu kämpfen. Jetzt leiden wir unter dieser sinnlosen Steuerverschwendung. Wie sich das auf die angrenzenden Gewerbetreibenden auswirkt, ist denen da im Rathaus doch schietegal. Hier lässt sich eh von denen keiner blicken." Die Betroffenen hätten bei der Stadt um entsprechende Hinweisschilder gebeten. "Naja, um Gästen und Kunden aufmerksam zu machen: Hallo, uns gibt es noch", meint die Gastwirtin zaghaft. Aus der Stadt habe es die Antwort gegeben: "Da kann ja jeder kommen."

Hans-Jürgen Engeln trifft solch eine Abfuhr, wie er sie bezeichnet, tief. Seit Jahren, so schildert er, habe er sich in die Belebung der City eingebracht. Siebenmal habe er das Saalefest organisiert und das Feuerwerk dazu spendiert. Auch das Drachenbootrennen, so Engeln, habe er in die Saalestadt geholt. An seiner Nase vorbei sei es vor drei Jahren zum "Bootshaus" lanciert worden. "Da bin ich explodiert", erinnert sich der Gastwirt. "Ich habe das Gespräch mit dem OB gesucht, aber da hätte ich mich auch mit dem Nistkasten da oben unterhalten können", poltert er los und weist in eine Baumkrone.

Dem Oberbürgermeister sind die anhaltenden Probleme der Gewerbetreibenden in der Promenade von Weißenfels bekannt. "Ich weiß, dass die Siuation für die Betroffenen mehr als belastend ist. Ja, ich würde schon sagen, sie ist grenzwertig", meint Robby Risch (parteilos), am Freitag auf MZ-Nachfrage. Ob jedoch extra aufgestellte Hinweisschilder mehr Zulauf in die entsprechenden Läden und Gaststätten lotsen würden, hält er für fraglich. Die Stadt als den Schuldigen für die baldige Schließung der Gaststätte "Zum Saaleblick" auszumachen, hält Risch jedoch für eine Schutzbehauptung. In der kommenden Zeit, Risch sprach etwa von der 16. Kalenderwoche, wolle die Verwaltung mit den Gewerbetreibenden den weiteren Bauverlauf absprechen.

Auch Citymanager Roland Kähler ist über die bevorstehende Schließung der bei Weißenfelsern, aber auch Hallensern und Leipzigern als auch Gästen von Dörfern gut angenommenen Gaststätte nicht glücklich. "Der Vorstand hat einiges an Ideen und Vorschlägen eingebracht. Nicht alles wurde bis jetzt umgesetzt. Persönlich finde ich es bedauerlich, dass solch erfahrene Gastronomen die Stadt verlassen. Ich denke, dass die Baustelle für die Engelns wirklich der Todesstoß ist." "Wir wollen in Würde hier weggehen", meint Erika Engeln. "Das sind wir unseren vielen treuen Gästen einfach schuldig." Von denen Abschied zu nehmen, fällt der 64-Jährigen richtig schwer. Der Stadt, sprich der Verwaltung, weint Hans-Jürgen Engeln indes keine Träne nach. "Das ist gegessen", lautet sein Kommentar. Die nächsten Wochen wollen die beiden noch "durchziehen". Dann werden sie sich in Brandenburg eine neue Heimat suchen. Das Haus soll in der Familie bleiben. Eine Gaststätte werde wohl nicht mehr betrieben, denkt die Gastronomin. "Warum auch? Bei den Problemen?", fragt sie betroffen.