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Projekttag des Luthergymnasiums Projekttag des Luthergymnasiums: Schüler entdecken die Vergangenheit

Von Ronald Dähnert 15.05.2002, 17:00

Eisleben/MZ. - Wer in der ehemaligen Synagoge in Eisleben Hinweise darauf sucht, wie es dort aussah, als Juden hier noch ihren Versammlungsraum hatten, der muss schon genau hinschauen. Es sei denn, er geht wie dieser Tage die Schüler der Klasse 8/1 des Luthergymnasiums mit dem Spachtel an die Tapeten. Dann kommt so manches Ornament zum Vorschein. Die Mädchen und Jungen der Eisleber Schule haben gemeinsam mit ihrem Geschichtslehrer Rüdiger Seidel einen Projekttag in dem äußerlich unscheinbaren Haus in der Lutherstraße verbracht. Offensichtlich sogar mit viel Freude, so die 13- und 14-Jährigen. Denn trotz der eher schmutzigen und mühsamen Arbeit beim Abkratzen der alten Tapete sind Maria Fiebig und Fabian Künzel begeistert bei der Sache. Mit einem knappen "ist ''ne interessante Arbeit" kommentieren Claudia Tauer und Katja Wernicke ihre Arbeit bei diesem Projekttag.

Weitaus wortreicher sind die Auskünfte von Seidel, der natürlich nicht ohne Grund mit den Schülern in der ehemaligen Synagoge arbeitet. Seidel ist der Vorsitzende des Fördervereins Eisleber Synagoge, gegründet im Oktober des vergangenen Jahres. Der 15-köpfige Verein ist ein Zusammenschluss von Enthusiasten, die den längst vergessenen Gebetsraum der Juden zunächst einmal vor dem Verfall retten wollen. Wichtige Schritte seien schon gemacht worden, so Seidel, denn Grundstück und Gebäude sind in städtischer Hand. In den während der DDR-Zeit als Wohnung genutzten Zimmern des Hauses in der Lutherstraße haben sich auch schon Fachleute umgeschaut, damit bei der allmählichen Restauration und Rekonstruktion Stück für Stück des alten Charakter der Synagoge wieder hergestellt werden kann. Somit war das Abkratzen der alten Tapeten tatsächlich der erste Schritt für all die Arbeiten in den kommenden Jahren.

Obwohl das Innere des Hauses noch immer eher einer heruntergekommenen Wohnung gleicht, seien wichtige Entdeckungen schon gemacht worden. Seidel und der Architekt Sebastian Funk weisen im Obergeschoss auf eine Deckenmalerei, die früher den Mittelpunkt des Gebetssaals der Juden gebildet haben muss. Überhaupt seien im Obergeschoss die meisten Malereien erhalten geblieben. Deshalb werde jetzt diese Decke Quadratmeter für Quadratmeter fotografiert, um so am Computer ein Gesamtfoto zusammenfügen zu können. Ein an dieser Decke befestigtes Fadengitter mit jeweiliger Kantenlänge von einem Meter zeugt von diesen Arbeiten.

Über dem Obergeschoss allerdings sitzt das Dach, welches Seidel und Funk derzeit Kopfzerbrechen bereitet. Denn die Analyse eines Holzfachmannes förderte bedenkliches zu Tage: Die Konstruktion sei maroder, als ohnehin befürchtet. "Wir müssen unbedingt das Dach dicht kriegen, sonst bringen die Arbeiten im Inneren nichts", zeigt sich Seidel zerknirscht. Dessen ungeachtet bleibt der Vereinsvorsitzende ein Optimist. Da störe es auch nicht, dass Seidel angesichts der fast überdimensionalen Aufgabe, die Eisleber Synagoge wieder entstehen zu lassen, von manchen lediglich Kopfschütteln erntet. Zumal es in der Lutherstadt keine Juden mehr gibt, die die Synagoge letztlich wieder nutzen könnten. Aber diese Reaktionen einiger Mitmenschen seien Seidels kleinstes Übel.

Ins Schwärmen geraten Seidel und Funk, wenn sie anhand bestimmter Details, die der Laie nur als Löcher in der Wand deutet, auf den Standort des Thora-Schreins rückschließen können. Und trotz des geradezu ignoranten Umbaus in DDR-Zeiten, Wände wurden eingezogen, Decken abgehängt, Türen eingebaut, Elektroleitungen unter Putz gelegt und die alten Malereien mit Tapete überklebt, zeichnet sich im Inneren des Hauses längst die alte Synagoge wieder ab. Und auch äußerlich soll das Gebäude mit den sichtbar zugemauerten hohen Fenstern, die oben in Rundbögen enden, wieder so entstehen, wie es sich einst darstellte.

Währenddessen schaben Maria Götter und Sabrina Koch weiter die Wände ab. Ganz sorgsam und nur an den Stellen, die der Architekt zuvor auf einem Grundriss-Plan deutlich markiert hat.