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Schock und Trauer in Querfurt Schock und Trauer in Querfurt: Bewegende Mahnwache zu Ehren des kleinen Tims

Von Undine Freyberg 28.07.2020, 07:30
Viele sind erschüttert und können die Tränen nicht zurückhalten.
Viele sind erschüttert und können die Tränen nicht zurückhalten. Katrin Sieler

Querfurt - Viele konnten ihre Tränen nicht zurückhalten und am Ende wurden immer mehr Kerzen vor der kleinen Bühne an der Querfurter Festwiese entzündet. Auch die schwerkranke Dorothee Deutsch (54), die mit ihrem Sohn Benjamin (18) extra aus Mücheln herübergekommen war, stand unter größter Anstrengung aus ihrem Rollstuhl auf, um ein Teelicht für ein kleines Kind zu entzünden, dessen kurzes Leben von höllischen Qualen geprägt gewesen sein muss.

Harte Woche auf der Mahnwache für Tim

Mit einer sehr bewegenden Mahnwache, zu der sich am Samstagabend rund 400 Menschen versammelt hatten, wurde des getöteten zweijährigen Tim gedacht, der vor zwei Wochen in der Wohnung seiner Mutter ums Leben gekommen war. Schwangere Frauen, Eltern mit ihren kleinen Kindern, Großeltern mit ihren Enkeln. Wäre der Anlass nicht so tragisch gewesen - man hätte es für einen Familienausflug halten könnten. Bei dem harte Worte fielen.

Der Berliner Carsten Stahl, der die Initiative „Stoppt Mobbing!“ gegründet hatte und gerade ein bundesweites Bündnis für Kinderschutz ins Leben gerufen hat, kritisierte, dass kein Vertreter der Landespolitik anwesend war.

„Die hohen Minister, die etwas tun könnten, die vermisse ich hier.“ Seine Forderung an alle: Seht nicht weg! „Wir alle sind in der Pflicht. Und wer wegschaut, macht sich mitschuldig, wenn ein wehrloses Kind stirbt“, sagte er im Interview mit der MZ und auch am Abend bei der Mahnwache.

Menschen in Querfurt nutzen Mahnwache um ihre Trauer auszudrücken

Querfurt stehe in den Medien, weil ein kleiner Junge gequält und ermordet worden sei. „Aber Querfurt kann dafür nichts. Dafür kann unsere ganze Gesellschaft etwas, weil sie seit zig Jahren schweigt und wegsieht.“ Songs wie „Time to say goodbye“, „Mögen Engel Dich begleiten“ oder auch einen Titel von Unheilig hatten Robin und Marc Eiselt vom Querfurter Team Soundprojekt für die Mahnwache ausgewählt. Eine ganz besondere Version des von Leonard Cohen berühmt gemachten „Hallelujah“ hatte der Querfurter David Amanat für diesen Abend des Mahnens und Gedenkens vorbereitet.

Während er das Lied sang, musste er mit den Tränen kämpfen und kurz unterbrechen. Der 22-jährige Altenpfleger war bei dem Gedanken an das Schicksal des kleinen Jungen ebenso erschüttert wie viele in der Runde. Organisatorin Marie Schneider zeigte sich beeindruckt von der Resonanz aus der Bevölkerung.

Die 32-jährige Krankenschwester, die selbst ein kleines Kind hat, betonte gegenüber der MZ nochmals, dass ihr Engagement lediglich dazu dienen sollte, den Menschen in Querfurt die Möglichkeit zu geben, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.

Keine Hinweise durch Anwohner und Nachbarn zum Todesfall

Bürgermeister Andreas Nette (parteilos) dankte den Querfurtern für die Anteilnahme und forderte die lückenlose Aufklärung dieses schrecklichen Verbrechens, das ganz Querfurt so schockiert hat. Gegenüber der MZ erklärte er am Rande der Mahnwache, dass die Querfurter Wohnungsbaugesellschaft, Vermieter der Wohnungen in dem Bereich, in dem der kleine Junge zu Tode kam, nie auch nur den geringsten Hinweis auf Probleme erhalten habe. „Es gab nichts. Niemand hat etwas berichtet.“ Nach außen sei alles in Ordnung gewesen.

Der Zweijährige war vor rund zwei Wochen tot in der Wohnung seiner Mutter aufgefunden worden. Die Obduktion hatte ergeben, dass er missbraucht und massiv geschlagen wurde. Seine Mutter (36) und deren 30-jähriger Freund sitzen wegen Misshandlung Schutzbefohlener und schweren Kindesmissbrauchs in Untersuchungshaft. (mz)

Auch viele kleine Kinder haben bei der Mahnwache Kerzen für den getöteten Jungen angezündet.
Auch viele kleine Kinder haben bei der Mahnwache Kerzen für den getöteten Jungen angezündet.
Katrin Sieler