Kriminalität Wie Handtaschenraub in Quedlinburg mit Hilfe der Medien aufgeklärt wurde: Handschellen klickten nach Kripo live im mdr

Quedlinburg - Neulich hat es geklappt: Nach einem Handtaschenraub in Quedlinburg wandte sich die Polizei an die Öffentlichkeit. Im Fahndungsmagazin „Kripo live“ im mdr wurde der Fall thematisiert, wurden Bilder gezeigt.
Die Ausstrahlung bescherte den Ermittlern die entscheidenden Hinweise. Zeugen identifizierten zwei einschlägig bekannte junge Männer. Wenig später klickten die Handschellen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ ein Richter Haftbefehl. Die 18 und 20 Jahre alten Männer sitzen seither in Untersuchungshaft.
Richter legen fest, in welchen Medium nach den Verdächtigen gefahndet wird
Als die Polizei die TV-Fahndung anschob, waren alle anderen Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Der Gang in die Öffentlichkeit mit Fotos oder Videos ist das letzte Mittel. Dafür bedarf es eines richterlichen Beschlusses.
Das Gericht kann nach Angaben von Andreas von Koß von der Pressestelle des Landeskriminalamtes auch reglementieren, wie gefahndet wird - in der Presse, im Fernsehen. Mitunter wird auch im Netz gefahndet:
Auf der Website der Polizei in Sachsen-Anhalt - www.polizei-web.sachsen-anhalt.de - finden sich unter „Aktuelles“ auch Fahndungen. Es sind Sach- wie Personenfahndungen, Fahndungen nach unbekannten und bekannten Tatverdächtigen. Gezielt online gestellt. Weil man sich durch die Veröffentlichung im Internet mehr erhoffe, so von Koß.
Polizeisprecher Becker: Fahndung in der Öffentlichkeit ist ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte
„Man muss im Blick haben, dass eine Öffentlichkeitsfahndung ein erheblicher Grundrechtseingriff ist“, erklärt Uwe Becker, Sprecher des Polizeireviers in Halberstadt. So kommt es dann auch dazu, dass manche Tat Monate zurückliegt, bis öffentlich gefahndet werden darf. Das sei für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar, sagt er.
Der Handtaschenraub beispielsweise ereignete sich im Mai. Die Polizei hatte zwar einen Tatverdächtigen ausgemacht, kam aber nicht weiter. Im Juli wurde die Straftat schließlich in der Sendung thematisiert.
Darüber hinaus gab es weitere Zeugenaufrufe der Harzer Polizei im TV, etwa nachdem im November 2018 das Vereinsheim des Ballenstedter Countryclubs abgebrannt war.
Im Januar dieses Jahres wurde ein Wernigeröder seines Portemonnaies beraubt - hier baten die Ermittler ebenfalls die Bevölkerung um Mithilfe. Beide Fälle, so Becker, seien noch nicht aufgeklärt, Hinweise aber habe es gegeben.
Auch der gestohlene Brockenballon schaffte es ins Fernsehen. Zeugenaufrufe, gleich in welchem Medium, sensibilisierten auch, erklärt der Polizeisprecher, führten dazu, dass der eine oder andere Zusammenhänge herstelle. Die Ballonhülle wurde ein paar Wochen, nachdem der Fall publik geworden war, im Wald bei Elend gefunden, der umlackierte Anhänger ein paar Tage später in Bad Sachsa.
Auch ungeklärte Kriminalfälle, die viele Jahre zurückliegen, werden mitunter wieder aufgegriffen
2017 wurde bei „Kripo live“ ein 14 Jahre alter Vermisstenfall aufgegriffen. Auf einem Ausflug des Kirchenchors Hahnenklee nach Thale verschwand 2003 der damals 70-jährige Georg Amtsberg. Das letzte Foto zeigt den Mann auf der Roßtrappe. Bis heute gibt es keine Spur von ihm. 2014 ging die Polizei dann ein weiteres Mal im Fall der drei Jahre zuvor in Thale getöteten Elisabeth Schmidt an die Öffentlichkeit.
Der Aufruf habe zwar zu keinen neuen Erkenntnissen geführt, „zu den Akten gelegt wurde der Fall aber nicht“, er sei nach wie vor in Bearbeitung, sagt Ilona Wessner, die Sprecherin der Polizeiinspektion Magdeburg.
Es ist nicht unüblich, dass Fälle, die so lange zurückliegen wie die beiden, noch mal ins Gedächtnis gerufen werden. Becker sagt, dass es manchmal vorkomme, dass sich Menschen erst nach Jahren öffneten, weil sie etwas loswerden wollten.
Oft schaffen es auch leichte Straftaten wie eine gestohlene EC-Karte in die Medien
Welche Fälle es ins Fernsehen schaffen? Kann man so nicht sagen. „Es geht nicht um Quotenrenner“, betont Becker. Die Fälle sind ganz verschieden gelagert. Es seien ja auch nicht nur die besonders schweren Straftaten, die Spuren bei den Opfern hinterließen.
„Ein EC-Karten-Betrug kann für eine Rentnerin, die dabei um 600 Euro erleichtert wurde, einschneidend sein und posttraumatische Folgen haben“, erklärt er. Auch Einbruchsopfer litten mitunter stark, die Wohnung sei ein geschützter Bereich, ein Einbruch erschüttere das Sicherheitsgefühl.
Becker sagt, dass die Polizei jeden Hinweis dankbar entgegennehme - und erscheine einem potenziellen Zeugen die Beobachtung noch so belanglos: „Auch viele kleine, vermeintlich unbedeutende Hinweise können, wenn man sie wie Mosaiksteine zusammensetzt, ein Bild ergeben“, sagt der Polizeisprecher. (mz)