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Tiefe Einblicke in die Geschichte der Heimat

Von UWE KRAUS 09.02.2009, 16:49

HALBERSTADT/MZ. - Jutta Dick, Direktorin der Moses Mendelssohn Akademie, gab das Tagebuch von Lilly Cohn heraus. Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen, seltene Bilder und einen sehr informativen Anhang enthält das mit einer DVD versehene 80-Seiten-Büchlein. Der Band trägt den Titel: "Hauptsache wir bleiben gesund...".

Lillyan Rosenberg, die am 20. November 2008 in Halberstadt eine viel beachtete Erinnerungsrede hielt, gelangte 1939 mit einem "Kindertransport" von Halberstadt nach England und überlebte. 1946 zog sie mit ihrem Brüder Werner in die USA, wo sie Gerry Rosenberg heiratete. 2000 überließ die am 30. Januar 1928 geborene Lillyan Rosenberg der Moses Mendelssohn Akademie für ein Schulprojekt zum Thema "Kindertransporte" eine Kopie ihres Tagebuchs. Die Aufzeichnungen beginnen an Lillyans elften Geburtstag 1939 in Halberstadt, die letzte Eintragung stammt vom 24. Juli 1944 aus England. Doch zwischenzeitlich rückte das Tagebuch in den Hintergrund. Lilly Cohn führte es erst ab Sommer 1942 fort.

Jutta Dick fügt den Tagebuch-Notizen Briefe von Lillyan Rosenbergs Eltern, Ernst und Margarethe Cohn, hinzu. Sie sowie die Großmutter überlebten nicht, ihre Spuren verlieren sich in Warschau. Anlässlich ihres Besuchs 2003 brachte Lillyan Rosenberg rund fünfzig Briefe mit, die ihre Eltern an sie zwischen Juli 1939 und dem 12. April 1942, dem Tag ihrer Deportation, geschrieben hatten, und Fotos, die vor allem ihre Familie in Halberstadt zeigen. In den Aufzeichnungen beschreibt Lilly Cohn nur am Rande die politische Situation, eher sind es kindliche Alltäglichkeiten, die sie schildert. Und doch spürt man die Bedrohung, das Gefühl der Ausgrenzung und liest von den Versuchen der Cohns, ihre Kinder außer Landes zu bringen. 2003 besuchte Lillyan Rosenberg erstmals wieder ihre Heimatstadt.

Damals führte Jutta Dick mit Lillyan Rosenberg ein lebensgeschichtliches Videointeriew. Katharina Blühm, der die Kameraführung oblag, schnitt nach konzeptionellen Vorgaben von Jutta Dick das Filmmaterial. Eingefügt wurde historisches Fotomaterial. Die in Kapitel unterteilten knapp 70 Minuten Laufzeit ermöglichen die Gestaltung mehrerer thematischer Unterrichtsstunden. So wurde eine Sequenz von vierzig Minuten entwickelt, die im Rahmen einer Schulstunde vorgeführt werden kann und die einen Einblick in die Biographie von Lillyan Rosenberg gibt. Drei kleinere Sequenzen à zehn Minuten geben Auskunft über die Jüdische Schule Halberstadt, die religiöse Erziehung in der Familie und Lillyan Rosenbergs Umgang mit der Ermordung ihrer Eltern im Konzentrationslager.

Die Erfahrungen der Verfolgung und Ermordung der Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945 bildeten die Folie, vor der das Videointerview geführt wurde, im Vordergrund stand aber die Erinnerung an das jüdische Leben in Halberstadt mit der jüdischen Familie Cohn im Mittelpunkt. Auf diese Weise soll den Schüler ein Einblick in diesen integralen Bestandteils der Halberstädter Geschichte vermittelt werden. Die in der Moses Mendelssohn Akademie entstandene und vom Kultusministerium geförderte Publikation, mit der Interview-DVD ergänzt, steht nun nicht nur Schulen zur Verfügung, sondern kann auch über die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt bezogen werden.

Moses Mendelssohn Akademie, Rosenwinkel 18, 38 820 Halberstadt, Telefon: 03941 / 606710, Fax: 03941 / 606713.