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Harz Harz: «So schließt sich ein Kreis»

Von uwe kraus 20.02.2012, 19:17

halberstadt/MZ. - Am 9. September 2012 gibt sie im Harz planmäßig ihren Abschied. "So schließt sich ein Kreis."

Von der Oper zum Theaterball

Der Entschluss kam nicht plötzlich. Er reifte lange Zeit heran, erklärt die Sopranistin nachdenklicher als sonst. "Ich werde Menschen und Dinge vermissen, die ich lieb gewonnen habe. Aber es stirbt doch niemand. Man verliert sich nicht, bleibt in Kontakt." Ihr erster Tag in Halberstadt hat sich eingeprägt: der 15. September 2000. Am Tag zuvor sang sie noch an der Königlichen Oper in Kopenhagen. Um 17 Uhr stieg sie aus dem Zug, 18 Uhr hatte sie die erste Klavierprobe mit Johannes Rieger, dem heutigen Intendanten, 19 Uhr stieg sie in die Probe für den Theaterball ein, der einen Tag später über die Bühne ging.

Diese "Schlagzahl" sollte ihr weiteres Theaterleben prägen. Wie viele Vorstellungen sie gesungen hat, sie hat keine Statistik geführt. Fünf bis sechs Inszenierungen pro Spielzeit mögen es gewesen sein. Es fällt auf, neben den berühmten Werken sind es interessante Konzerte und moderne Inszenierungen, die nicht nur die klassische Sängerin fordern. Stücke wie "Die menschliche Stimme" oder "Maria Magdalena" im Halberstädter Dom stehen dafür.

"Ich denke, so etwas passiert viel zu selten, dass wie im Dom spartenübergreifend inszeniert wird. Die Zusammenarbeit mit dem Ballett brachte ganz interessante Erfahrungen. Auch mit dem Schauspiel könnte da etwas laufen", denkt Kerstin Pettersson. Ob sie eine Lieblingspartie hat? Sie überlegt. "Die Magarethe war ein persönlicher Meilenstein." Sie lobt das Zusammenwirken mit Regisseurin Cornelia Just in mehreren Opern-Inszenierungen. "Das war 1A."

Master-Studium in Schweden, Opernausbildung in Kopenhagen, Abschluss im Sommer 2000, Sommeroper Arhus, im September dann das erste feste Engagement im Nordharz. "Mein Operndebüt hatte ich 1999 an der Königlichen Oper von Kopenhagen als Edelknabe in Lohengrin." Sie lacht. "Ich habe die Generalprobe gesungen und dachte, eine Freundin singt die Premiere. Wir haben rumgescherzt, ich habe Popcorn gegessen. Bis man mir sagte, wer die Rolle in der Generalprobe hat, ist auch in der Premiere und mich fragte, ob ich mich nicht einsingen wolle. Ich hatte nicht mal mehr Zeit, nervös zu werden." Kerstin Pettersson spricht von "Super-Erfahrungen". Es gibt Stücke, die hat sie hier nicht nur einmal gesungen. Je zweimal "Figaros Hochzeit" und "Carmen", "Der Freischütz" sogar dreimal, davon einmal in Dänemark. "Dreimal die gleiche Vorlage, aber ein anderer Regisseur. Da kommen neue Ideen, ich empfinde es jeweils anders. Je nach Lebensstation und den Umständen gibt es da oft große Unterschiede. Finde ich spannend."

Das Quartier ist aufgeschlagen

Im Sommer zieht die Familie nach Hammerdal. "Der Ort liegt bei Östersund, das kennen besonders die Biathlon-Freunde." Doch eigentlich stimmt das zeitlich nicht so ganz. Ihr Mann Matthias Schaletzky, den sie in Halberstadt auf der Bühne kennenlernte, hat dort schon das Quartier aufgeschlagen. Er trat eine Kirchenmusikerstelle an. "Das Bewerbungsinterview lief auf Schwedisch. Schließlich muss er ja mit dem Pfarrer und den beiden Chören reden können."

Dass er die Sprache recht gut beherrscht, liegt daran, dass die Töchter Linnea und Kajsa zweisprachig erzogen werden. "Matthias hat gemeinsam mit Linnea die Sprache mit Filmen und Büchern gelernt. So haben beide die Sprache verinnerlicht."

Nun hat die Neunjährige, deren Vorname auf die Lieblingsblume des Botanikers Carl von Linné, ein Moosglöckchen, zurückgeht, ab Sommer nach der vierten Klasse in Deutschland in Schweden gute Startbedingungen. Und die dreijährige Kajsa, ihr Name ist eine Koseform von Katharina, dürfte in Schweden nicht minder gut aufwachsen.

Doch was wird Kerstin Pettersson fernab der Stadttheater-Landschaft Deutschlands tun? Konzerte geben, die ersten Termine stehen. "Dann habe ich mich an der Universität angemeldet, Germanistik. In der Luft zu hängen, das ist nichts für mich." Sie erinnert sich an einen Satz ihrer Mutter: "Wissen tut nicht weh und ist nicht schwer zu tragen."

Nachmittage in der Küche

Mütterlicherseits stammt sie aus einer Gastronomenfamilie. "Ich habe meine Nachmittage oft in der Küche bei meiner Großmutter verbracht. Die hatte eherne Regeln, wenn es um ihre Gäste ging." Kerstin war von "freizeitmusizierenden Menschen" umgeben. "Zum Beruf gemacht habe ich es als Einzige."

Die Sängerin wird etwas ernster. Sie hat Marcel Reich-Ranickis beeindruckenden Auftritt im Bundestag verfolgt. "Neben der Musik habe ihm vor allem die Liebe und die Lyrik geholfen, die dunkle Zeit zu überleben. Ich will nicht politisieren und wiederholen, was wir alle wissen: wie wichtig Theater nicht nur für uns Künstler ist. Es muss den Menschen bewusst sein, wie wichtig Bildung und Kultur sind." So will sie ihren Töchtern das mit auf den Weg geben. "Linnea gehört zum Kinderballett von Tanja Heise hier am Theater." Kerstin Pettersson streicht eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ihre Augen glänzen noch mehr. "In 'Sissy' habe ich mit meiner Tochter Linnea Geschwister gespielt", berichtet sie stolz. "Mein Mann war in 'Hänsel & Gretel' auch schon mal mein Vater." Doch Linneas Rollenzettel liest sich schon fast wie der ihrer Mutti: "Dornröschen", "Pinoccio", "Sissy", "Cinderella" und "Die Zauberflöte". Vielleicht fällt ihr der Abschied von Halberstadt sogar schwerer als den Eltern.Ob es ein Abschiedskonzert wie einst von Katharina Warken in der Winterkirche geben wird? Schließlich ist auch deren Mann Kirchenmusiker. Kerstin Pettersson wiegt den Kopf. "Mal gucken." Die 40-Jährige fügt an: "Omnia tempus habent" und lacht. "Alles hat seine Zeit, sagt der Lateiner."

Kerstin Pettersson ist derzeit in "Die Zauberflöte" (nächste Vorstellung am 4. März im Großen Haus Halberstadt) und "Das Land des Lächelns" (nächste Vorstellung am 27. März im Großen Haus Halberstadt) zu erleben.