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Gesprächsreihe Gesprächsreihe: Lebhafter Abend über den Tod

Von petra korn 29.10.2013, 20:46
Zum Thema „Tod - und dann?“ miteinander im Gespräch: Journalist Winfried Borchert, MZ-Redaktionsleiter Ingo Kugenbuch, Oda Musche, Fachschwester für Onkologie und palliative Pflege, Gerd Rettig, Geschäftsführer des Harz-Hospizes, und Kreisoberpfarrer Theodor Hering (v. l.).
Zum Thema „Tod - und dann?“ miteinander im Gespräch: Journalist Winfried Borchert, MZ-Redaktionsleiter Ingo Kugenbuch, Oda Musche, Fachschwester für Onkologie und palliative Pflege, Gerd Rettig, Geschäftsführer des Harz-Hospizes, und Kreisoberpfarrer Theodor Hering (v. l.). chris wohlfeld Lizenz

ballenstedt/MZ - Der Umgang mit dem Thema Sterben und Tod, sich auf den letzten Weg vorbereiten - das war in früheren Generationen anders. Doch: „Wir Menschen haben das als Tabuthema hingestellt“, sagt Oda Musche. Zwar sei man hier in den vergangenen Jahren offener geworden - „aber das reicht noch lange nicht“, sagt die Fachschwester für Onkologie und palliative Pflege am Harzklinikum in Quedlinburg. Darüber zu reden, das fange in der Familie an. Aber das passiere oft nicht. Und so würden Angehörige Patienten, die dies gar nicht wollen, mit Fürsorge überschütten, könnten nicht loslassen und würden es so dem Sterbenden schwerer machen, weiß Oda Musche. „Ich wünsche mir einfach viel mehr Offenheit.“

Offen - und lebhaft - ist über das „Tabuthema“ am Montagabend im Schlosshotel Großer Gasthof in Ballenstedt geredet worden: „Tod - und dann?“ war das Thema des „Ballenstedter Salons“, der zweiten Veranstaltung der von Theodor Hering, Kreisoberpfarrer im Kirchenkreis Ballenstedt, und Ingo Kugenbuch, Leiter der MZ-Lokalredaktion Quedlinburg, initiierten Gesprächsreihe. Gemeinsam mit ihren Gesprächspartnern Oda Musche, Gerd Rettig, Geschäftsführer des Harz-Hospizes und Betreiber einer Dialysepraxis in Quedlinburg, und dem Journalisten Winfried Borchert, der unter anderem für den MDR und die MZ arbeitet, sowie den zahlreichen Gästen diskutierten die Moderatoren Fragen wie: Kann man sich auf den Tod vorbereiten? Was tut man, wenn es so weit ist? Was kommt eigentlich danach? Worin findet man selbst, finden Angehörige Trost?

Für Winfried Borchert hängt die Frage, wie erträglich ein Tod ist, entscheidend vom Alter ab: Welche Chance habe derjenige gehabt, sein Leben zu leben? Wichtig ist für ihn auch: Was hat man daraus gemacht? Für Borchert zugleich eine Art „Mahnung“: „Jeder sollte sein Leben nutzen in dem Wissen, dass danach nichts mehr kommt.“ Denn an ein Leben nach dem Tod glaubt der Journalist nicht. Wenn ein Mensch tot sei, zerlege er sich; „Bestandteile“, wie beispielsweise das Wasser, würden in den Kreislauf der Natur zurückkehren.

Sein Leben „klug und intensiv“ zu leben - diese Ansicht teilt auch Gerd Rettig. Doch dass ein gestorbener Mensch quasi verrotte, ist ihm „zu lapidar“. „Ich glaube fest daran, dass wir uns über die Seele weitergeben“, sagt der Mediziner und verweist auf Erlebnisse aus seiner Tätigkeit, „die uns daran denken lassen, dass es noch einen Weg gibt“. Oda Musche spricht von Energie, die irgendwohin müsse, und verweist auf ein Ritual: „Wenn jemand stirbt, wird das Fenster geöffnet, damit die Seele entweichen kann, die Energie, was immer es ist.“

Eine Frage, die auch das Publikum beschäftigt. Als Naturwissenschaftler weiß Hans Rönisch, dass Energie nicht verloren gehen kann, der Mensch auch in diesem Kreislauf lebt. Dennoch: „Ich denke mir, wenn ich ein Leben gelebt habe, in dem ich anderen Menschen etwas gegeben habe, lebe ich in den anderen weiter.“ Auch Ulrich Pels plädiert dafür, zu „überlegen, dass wir unser irdisches Leben sinnvoll verbringen“. Edith Gurke ist es wichtig, dass sterbende Menschen begleitet werden. „Diese Begleitung ist für mich das Entscheidende.“ Dagmar Boczek, Oberärztin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Harzklinikum in Quedlinburg, plädiert dafür, in schwierigen Situationen „gemeinsam zu überlegen, was macht wirklich Sinn, profitieren die Patienten davon, was möchten sie“.

Kristin Gloger von der Palliativstation der Lungenklinik und dem Hospizdienst „Hoffnung“ wirbt für die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“, die in fünf Leitsätzen den Ist-Zustand in der Betreuung darstellt, verbunden mit Handlungsoptionen und einer Selbstverpflichtung für die Zukunft. Mit ihrer Unterzeichnung setzte man sich für eine Verbesserung der Betreuung Sterbender und ihrer Angehörigen ein.

Eine aktive Sterbehilfe lehnt die Charta ab. Das steht auch für Gerd Rettig „außen vor“. Weil die Menschen immer älter würden und im hohen Alter oft sehr schwer krank seien, werde man sich aber mit Fragen wie beispielsweise der Schmerztherapie befassen müssen, so der Mediziner. Oda Musche glaubt, dass die Angst vor Schmerzen den Menschen dazu treibt, solche Gedanken an Sterbehilfe zu haben. „Aber wenn er richtig eingestellt ist, erträgt sich das Sterben. Der Mensch nimmt es an, und die Natürlichkeit kann ihren Lauf nehmen.“

Am Ende des Abends fühlt sich Moderator Theodor Hering „geerdet durch die vielen Erfahrungen“ und „ermutigt“, das zu tun, was ein alter amerikanischer Pfarrer gesagt hat: das Evangelium zu verkünden und Menschen beim Sterben zu helfen. Dass den Menschen nach seinem Tod etwas „Großes, Umfassendes“ erwartet, was „unserem Auge, unserem Zugriff entzogen“ ist, wie Hering glaubt - davon hat der Abend seinen Mitstreiter Ingo Kugenbuch nicht überzeugen können. Aus seiner Sicht kommt nach dem Tod: nichts. Doch „gelernt“ hat Ingo Kugenbuch, dass jeder sein Sterben mit sich selbst ausmachen müsse - und „dass ich mir früh genug Gedanken mache, was bleibt und was möchte ich, das bleibt“.

Interessiert verfolgt das Publikum im Kügelgen-Saal die Beiträge der Teilnehmer des Gesprächsabends.
Interessiert verfolgt das Publikum im Kügelgen-Saal die Beiträge der Teilnehmer des Gesprächsabends.
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