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Fußgängerin lebensbedrohlich verletzt Fußgängerin lebensbedrohlich verletzt: Busfahrer erhält Geldstrafe

Von petra korn 19.11.2013, 19:12
Am Unfallort wurden die Spuren gesichert.
Am Unfallort wurden die Spuren gesichert. Chris Wohlfeld Lizenz

Ballenstedt/MZ - Es sind nur wenige Augenblicke, die das Leben zweier Menschen und ihrer Familien dramatisch verändern: Als der Fahrer eines Busses, in dem auch Schulkinder sitzen, am 8. März gegen 6.20 Uhr an der Ampelkreuzung der Ballenstedter Marienstraße nach links auf den Breitscheidplatz abbiegt, erfasst der Bus eine Fußgängerin. Die junge Frau wird lebensbedrohlich verletzt. Das Amtsgericht Quedlinburg sieht die Schuld bei Busfahrer Fabian W. (alle Namen geändert). Es hat den 30-Jährigen am Dienstag wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Viele Dinge kamen zusammen

Wie sich in der Vernehmung der Zeugen wie auch der späteren Aussage des Angeklagten zeigte, kamen an diesem Tag viele Dinge zusammen. Fabian W., zuvor schon zu anderen Zeiten auf der Linie eingesetzt, fuhr sie zur Abfahrtszeit 6.11 Uhr ab Opperode erstmals. Durch das Einsteigen von Schülern und den Fahrscheinverkauf war es bis zur Haltestelle in der Marienstraße schon zu einer kleinen Verspätung gekommen. W. wusste nicht, dass die Schüler hier normalerweise aussteigen. Weil auch kein Haltesignal gedrückt worden war und er niemanden sah, der erkennbar aussteigen wollte, fuhr er weiter. Daraufhin wurde es im Bus unruhig: Schüler machten deutlich, dass sie hätten aussteigen müssen und nun Sorge hätten, ihren Anschlussbus zu verpassen. W. nahm sich vor, gleich nach dem Abbiegen an der Ampelkreuzung anzuhalten. Als die Ampel Grün zeigte, ließ er den Gegenverkehr passieren und fuhr los. Die Fußgängerin bemerkte er an diesem dunklen, trüben Morgen nicht.

Die heute 23-jährige Juliane G. war in der Ausbildung zur Krankenschwester und absolvierte damals ein Praktikum in Ballenstedt. Dieser Freitag war ihr letzter Praktikumstag - und sie hatte verschlafen. Nach einem Anruf beim Arbeitgeber machte sie sich schnell auf den Weg. Von der Marienstraße her am Breitscheidplatz angekommen, ging sie zügig los, als die Ampel Grün für sie zeigte. Sie hatte die erste Fahrbahn und die Verkehrsinsel passiert und war auf der Mitte der zweiten, als sie Lichter wahrnahm. „Ich habe rübergeguckt, gesehen, dass es ein Bus war, und hab noch versucht, schneller zu gehen“, schilderte Juliane G., die als Nebenklägerin auftrat.

Dann hatte der Bus sie schon erfasst; sie geriet unter das Fahrzeug und wurde mitgeschleift. Dabei erlitt sie unter anderem Beckenfrakturen und so schwere Verletzungen am rechten Oberschenkel, dass das Bein amputiert werden musste. Ihre medizinische Behandlung ist noch nicht abgeschlossen.

Ein Knall und Schreie

Fabian W. bemerkte nach eigenen Angaben erst, dass etwas passiert war, als er einen Knall hörte und Schreie vernahm. Er hielt an, stieg aus und sah die Frau eingeklemmt unter dem Bus. „Sie schrie mich gleich an: ,Ich hatte Grün.‘“, schilderte W., der helfen wollte. „Sie war verletzt.“ Während er sein Handy einem Fahrgast gab, damit dieser die Rettungskräfte informiere, suchte W. vergeblich eine Decke im Bus und legte Juliane G. schließlich seine Jacke über. Wie Zeugen, darunter Polizeibeamte berichteten, stand Fabian W. „augenscheinlich unter Schock“.

Zur Rekonstruktion des Unfallgeschehens wurde Joachim Töpel als Sachverständiger hinzugezogen. Wie er erklärte, sei die Fußgängerin während des direkten Abbiegevorgangs für den Busfahrer durch einen „toten Winkel“, bedingt durch die Bauweise des Busses, für eine kurze Zeit nicht zu erkennen gewesen. Die Zeit zwischen dem Austritt aus diesem toten Winkel und dem Zusammenstoß sei kürzer gewesen als die dem Busfahrer zuzubilligende Reaktionszeit. Dennoch hätte er die Frau schon vorher durch die Seitenscheibe sehen können.

Verantwortung wird beim Busfahrer gesehen

Staatsanwalt Ralf Ebbing sah die Verantwortung für den Unfall bei dem Busfahrer: Wer links abbiege, sage die Straßenverkehrsordnung, müsse sich vergewissern, dass er niemanden gefährde. Fabian W. habe sich eines „kurzen Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht“ schuldig gemacht. Ähnlich sah es Sebastian Zocher, der Anwalt von Juliane G.: „Er hat die ganz besondere Sorgfalt hier außer Acht gelassen.“ Beide forderten eine Geldstrafe.

Verteidiger Ulrich Schramm sah nicht nur seinen Mandanten in der Sorgfaltspflicht. Auch Fußgänger seien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und müssten sich an einer Ampel vergewissern, ob Gefahr drohe. Richterin Antje Schlüter folgte dem nicht: Gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern sei der Kfz-Fahrer zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet; und als Linksabbieger müsse er auf Fußgänger besondere Rücksicht nehmen. W. habe es an dieser besonderen Rücksicht fehlen lassen. „Er hätte sie sehen können, und er hätte sie sehen müssen.“ In seinem letzten Wort an das Gericht erklärte Fabian W., dass ihm Leid tue, was passiert sei. Dabei konnte er Juliane G., die nach Abschluss ihrer Behandlung eine Ausbildung zur Arzthelferin beginnen möchte, nicht ins Gesicht sehen.