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Bodetal Bodetal: Zaun zähmt lockere Felsbrocken

Von Detlef Horenburg 14.11.2012, 13:05

Thale/MZ. - Das drei Meter lange Teil wurde dann auf eine aus Balken bestehende provisorische Rampe gelegt.

"Wollen wir sie noch ein bisschen höher ziehen?", fragt Rene Gelfert. "Nee, sonst bekommste vielleicht noch Rücken", scherzt Sven Claußnitzer zur Freude seiner Kollegen. Mirko Krebs klinkt indes den Verschluss der Seilwinde in eine Öse des etwa 35 Zentimeter starken Trägers. Wenige Minuten später startet Claußnitzer die Winde. Der Motor heult auf - die schwere Fracht gleitet langsam etwa 25 Meter über den holprigen Felshang zum Montageort. Und dieser liegt am Roßtrappenfelsen oberhalb der Pension und Gaststätte "Königsruhe" im Bodetal bei Thale.

Die vier Männer im Alter von Mitte bis Ende 30 gehören zu der aus dem sächsischen Dorfhain stammenden Fachfirma für Fels- und Böschungssicherung, die seit knapp drei Wochen die Hang-Sicherungsarbeiten durchführt. So soll ab kommender Woche ein knapp 18 Tonnen schwerer Gesteinsbrocken, der akut absturzgefährdet ist, durch Stahlseile abgesichert werden. Derzeit sind die Mannen um Michael Müller dabei, im gefährdeten Bereich über dem Gebäude der Bergwacht und der Gaststätte einen etwa 50 Meter langen Steinschlagschutzzaun am Roß-trappenfelsen zu montieren. Die Kosten für die Sicherungsarbeiten belaufen sich laut Magdeburger Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt auf etwa 110 000 Euro. "Dazu müssen alle Montage- und Sicherungsmaterialien per Muskelkraft und Seilwinde den Hang hochgezogen werden", erklärt Bauleiter Volker Emmrich. Natürlich könnte auch ein Transporthubschrauber eingesetzt werden. Doch das Gelände sei hier schwierig, und es würde zudem die Kosten in die Höhe treiben.

Der Bauleiter ist bei der Firma Jähnig GmbH beschäftigt, die sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten auf Fels- und Böschungssicherung durch Steinschlag-Schutznetze oder Fangzäune, speziell in schwierigen und steilen Geländen, spezialisiert hat. Während Sven Claußnitzer seit 15 Jahren als Felssicherungsfachkraft arbeitet, sind seine Kollegen gemessen daran noch relativ jung dabei. Aus ursprünglich artfremden Bauberufen konnten sie sich durch spezifische Ausbildungen und Schulungen für die Arbeiten im Fels qualifizieren. "Die Arbeit ist spannend und abwechslungsreich", versichern die Männer. So sei man nicht nur in der Sächsischen Schweiz oder anderen Teilen in Deutschland unterwegs, sondern auch im Ausland auf Montage, meint Teamleiter Müller, bevor er das nächste Kommando zum Heben eines weiteren Stahlträgers gibt.

Insgesamt fünf sind nötig, um die 50 Meter Fangzaun zu errichten, weiß Hagen Lippert. Er gehört zu dem vom Land Sachsen-Anhalt bestellten Gutachter, dem Ingenieurbüro Dr. Köhler & Kirschstein aus Erfurt. Die Firma hat nicht nur das Gefahrenpotenzial nach dem Juni-Steinschlag im Bodetal analysiert, sondern ist auch mit der Baubetreuung beauftragt. Lippert: "An diesen Trägern werden dann entlang der Felswand fast ein Zentimeter starke Netze aus Stahldraht befestigt." Das stolze Gewicht von 131 Kilogramm sieht man dem zusammengelegten Zaunfeld nicht an. Bei einem Gesteinsaufprall kann sich solch ein Spezialnetz bis über sechs Meter ausdehnen, um die Aufprallenergie des herabstürzenden Felsbrockens aufzunehmen. 22 Millimeter starke, gespannte Stahlseile halten die Netze zwischen den Stahlträgern - den so genannten Zaunsäulen. Diese werden durch lange Gewindestäbe verankert. Hierzu musste der Bohrtrupp bis zu sechs Meter tief die bis zu elf Zentimeter starken Bohrlöcher durch den Hangschutt treiben, um in den festen und stabilen Granitfels zu gelangen. Die Gewindestäbe wurden dann mit einer Zementsus-pension im Bohrloch verpresst. Nach etwa sieben Tagen des Aushärtens wurden dann die Belastungstests durchgeführt. "Es ist alles in Ordnung. Den Zugtest von maximal 300 Kilonewton haben alle geprüften Ankerstäbe überstanden", freut sich Volker Emmrich. In der kommenden Woche wird dann der sechsmal drei Meter große Felsen mit Drahtseilen verankert. Spätestens Ende des Monats sollen die Sicherungsarbeiten abgeschlossen sein.

Jörg Bauer, der Inhaber der "Königsruhe", sieht dies mit gemischten Gefühlen. Einerseits freut er sich über den bevorstehenden Abschluss der Arbeiten. Andererseits hofft er, dass die vom Land im Juli verfügte Sperrung des Goetheweges zwischen Pension und Jugendherberge und die Schließung der Traditionsgaststätte am Harzer Hexenstieg aufgehoben werden. "Ohne Gäste kann ich meine Pension nicht betreiben", meint er. Unterstützung erhält er auch von der Stadt Thale, die den Weg schon längst wieder freigegeben hätte - natürlich zur Benutzung auf eigene Gefahr.