Am Schlossberg Am Schlossberg: Emsige Bienen am Rebenhang

Quedlinburg - Wie die Bienen schwärmten am Samstag bei Morgensonne und Tau auf dem Lavendel rund 15 Ehrenamtliche der „Initiative Stiftsgärten Quedlinburg“ zu ihrem alljährlichen Frühjahrsputz aus. Ziel dieser emsigen Fleißarbeit war der Weinberg „99 Reben“ in der Wassertorstraße unterhalb des Schlosses.
Leckere Trauben
Zahlreiche steinerne Stufen führen hinter einem Mauerdurchgang steil bergan. Kerstin Held besorgt hier gründlich die „Efeu-Eindämmung“. Dicke, knorrige Wurzeln machen sich in den Fugen der Treppe breit und drohen sie regelmäßig zu überwuchern.
Hoch oben, an einer der schönsten Stellen der Stadt, gedeihen hier seit zehn Jahren sorgsam gepflanzte Rebstöcke der Sorte Gewürztraminer, einem hellen Wein mit roten Wangen.
Bei der Beschreibung der Traubensorte kommt Kerstin Gerx ins Schwärmen. „Wirklich leckere Trauben sind das“, erinnert sie sich an das Kosten der reifen Früchte bei der allerersten Ernte im letzten Jahr.
Sie und ihr Mann sind direkte Anwohner von gegenüber und fast jedes Mal mit Hacke, Astschere und viel Elan bei der gärtnerischen Pflege des Terrains dabei. Früher gab es hier auf dem Steilhang unterm Schloss nur Wildwuchs von Flieder, Robinien und Holunder.
2006 ließ die Stadt terrassenartig Mauern anlegen und Reben setzen. Ein hoher Aufwand sei es, den Wein hier in Kleinsthandarbeit zu hegen und zu pflegen, so Bernd-Otto Bennedsen von der Ortsgruppe des BUND in Quedlinburg.
Der gelernte Gemüsezüchter beschäftigt sich professionell mit Landschaftsplanung und Umweltrecht. Zu einem der „Gartenträume in Sachsen Anhalt“ kam ihm zusammen mit anderen Naturfreunden die Idee, das Stadtgrün in Quedlinburg in den Fokus zu nehmen.
Mittlerweile war die professionelle Pflege des Weinbergs von der Stadt nicht mehr kontinuierlich zu leisten. So gründete der BUND 2015 in Kooperation mit der Stadt Quedlinburg die „Initiative Stiftsgärten“.
Bis zu 20 ehrenamtliche Naturfreunde kommen fünf bis sechsmal jährlich zum Hacken, Jäten und Beschneiden des Stadtgrüns an dieser exponierten Stelle zusammen.
„Wir sind fachlich versiert und lustvoll am Gärtnern“, lacht Bennedsen und muss einem abgesägten Robinienast ausweichen, der hinter ihm herunter kracht.
Der pensionierte Zierpflanzengärtner Freimuth Horneber entfernt mit anderen Männern lange Robinientriebe, die sich über stark wuchernde Wurzeln vermehren und somit nicht unterzukriegen sind.
Rasch wird der aufgeschichtete Berg aus Reisig größer. Jeanette Bahnemann hat selbst keinen Garten und kommt deshalb hierher, um sich nützlich zu machen.
Unter ihren Händen wird der Lavendel von alten Blütentrieben befreit und kann so mit neuer Kraft die Böschungskante der Mauern von Unkraut freihalten.
Isabel Reuter, ebenfalls aktives BUND-Ortsmitglied in Quedlinburg, erläutert, das die Hanglage Richtung Süden ein Klima begünstigt, in dem zukünftig auch mehr Blüten mit einem Nektar-Angebot für beispielsweise Mauer- oder Sandbienen wachsen könnten.
Und somit die gärtnerische Gestaltung und Pflege hier eine insektenfreundliche Entwicklung begünstigt. Und sie beschreibt eine Sommernacht im letzten Jahr, als die Initiative Bettlaken an die Sandsteinmauern des Schlossbergs hängte und sich in dem grellen Licht von Leuchtstrahlern ein Kosmos an bunten Insektenschwärmen tummelte.
70 Liter Wein gewonnen
Was passierte eigentlich mit den im letzten Jahr erstmalig geernteten Trauben? Schon im Mittelalter, so sei anzunehmen, zeichnete der Nachbarort Marsleben für den Weinanbau des Quedlinburger Stifts und die Versorgung der ottonischen Reichstage verantwortlich, gibt Bernd-Otto Bennedsen einen kurzen geschichtlichen Einblick.
Vom Ort selber ist nichts geblieben außer der Weinberg im Steinholzweg. Wein muss weit und tief in der Erde verwurzeln, um einen guten Behang zu ergeben.
Der Schlossberg sei von der Erdbeschaffenheit eher dürftig und felsnah. Die Reben brauchten also länger, um sich hier zu etablieren. Anfang Oktober 2015 war es dann soweit: der im Sommer mit Netzen überspannte Wein wurde den Vögeln abgetrotzt und sorgsam gelesen.
Rund 70 Liter gewann Jürgen Hanisch, Quedlinburger Weinerzeuger aus Passion, aus dieser Ernte, so Bennedsen. Ein Jahr lang müsse er mindestens lagern, um zur Reife zu kommen.
Die engagierten Naturfreunde am Weinhang des Schlossbergs Quedlinburg haben sich dann mindestens einen edlen Tropfen verdient.
Die „Initiative Stiftsgärten“ organisiert Veranstaltungen, die Wissenswertes zu bauhistorischen und gärtnerischen Themen der Gemarkung Quedlinburg und dem von Feldwarten begrenzten ehemaligen Stiftsgebiet vermitteln. Der nächste Stadtgrün-Einsatz am Schlossberg findet im Mai statt. (mz)