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Vita Vita: In Haft auch Friedrich Nietzsche rezipiert

04.11.2015, 08:44
Ralf Eichberg (v.r.), Leiter des Nietzsche-Dokumentationszentrums Naumburg, schickt mit Hilfe der Spediteure Karlheinz Schieb und Arno Büchel 29 Bestände auf die Reise ins ferne China.
Ralf Eichberg (v.r.), Leiter des Nietzsche-Dokumentationszentrums Naumburg, schickt mit Hilfe der Spediteure Karlheinz Schieb und Arno Büchel 29 Bestände auf die Reise ins ferne China. Torsten Biel Lizenz

Naumburg - Friedrich Nietzsche ist zeitlebens viel gereist, aber nie in den fernen Osten. Jetzt, 115 Jahre nach dem Tod des Philologen und Philosophen, sind fast alle seiner wichtigsten Erstausgaben, über die das Nietzsche-Dokumentationszentrum Naumburg (NDZ) verfügt, auf dem Weg nach China. In jenes Land, in dem es eine Zeit gab, während der Nietzsche-Schriften nicht gelesen werden durften. Genaues Ziel der Archiv-Bestände ist Wuzhen nahe Shanghai. In der rund 8 600 Kilometer (Luftlinie) von Naumburg entfernten Großgemeinde soll am 15. November das Mu Xin Art Museum eingeweiht werden. Und zwar mit einer Nietzsche-Ausstellung - so wie es sich der chinesische Maler und Schriftsteller Mu Xin, dem das Museum gewidmet ist (siehe „Vita“), zu Lebzeiten gewünscht hatte.

Gestern verpackten zwei Mitarbeiter einer auch auf den Transport von Kunst spezialisierte Kölner Spedition im Dokumentationszentrum 29 Bestände in drei Kartons und zwei Mappen und all das wiederum in einer großen Klimakiste, um sie dann schadlos zum Flughafen Frankfurt/Main zu bringen. Unter den Exponaten befinden sich neben den Erstausgaben wie „Also sprach Zarathustra“, Prachtdrucke, eine Totenmaske von Friedrich Nietzsche sowie Grafiken.

Die Auswahl der Ausstellungsstücke aus den im Naumburger Archiv aufbewahrten über 9000 Bänden, Briefen, Dokumenten und Erinnerungsstücken traf NDZ-Leiter Ralf Eichberg bereits im Sommer dieses Jahres mit dem chinesischen Kunstmuseumsleiter, Chen Danqing, und zwei Botschaftern. „Sogar der chinesische Kulturattaché war dabei“, erzählt Eichberg. In der Schau, die bis zum 20. März 2016 in Wuzhen zu sehen sein wird, soll es darum gehen, den chinesischen Nietzsche-Übersetzungen aus den 1920er Jahren - der Zeit der frühen Nietzsche-Rezeption in China - die Erstausgaben des Philosophen gegenüberzustellen. Übrigens, so Eichberg, hatte Mu Xins Onkel, der Lyriker Mao Dun, 1919 Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ erstmals ins Chinesische übertragen.

Den Naumburger Exponaten wird Eichberg am 12. November hinterherreisen - nicht nur, um in der Schau letzte Hand anzulegen. Als Co-Kurator soll er zur Ausstellungseröffnung anlässlich der Museumseinweihung eine Rede über Leben und Werk Nietzsches halten. Das Projekt in Fernost zeige laut NDZ-Leiter einmal mehr: „Wir (das Dokumentationszentrum, Anm. d. Red.) sind zwar klein, aber flexibel und haben Bestände, die weltweit interessant sind“. So eben auch im fernen China, wo derzeit Nietzsche-Literatur zunehmend gefragt ist. „Es gibt chinesische Ausgaben. Der Markt ist sehr groß und Nietzsche verkauft sich extrem gut. Besonders als Lyriker wird er rezipiert“, weiß Eichberg.

Obwohl China eine eigene große Philosophiegeschichte aufweist, sei dort Nietzsche in den 1920er Jahren schon bekannt gewesen, „noch vor Karl Marx“, so Eichberg. Was Nietzsche dem derzeitigen China bringe, darüber muss er nicht lange nachdenken: „Die Freiheit des Denkens und, dass es nach dem Zerfall einer großen Ideologie einen Neuanfang gibt.“

Das Mu Xin Art Museum im chinesischen Wuzhen wird am 15. November mit einer Nietzsche-Ausstellung eingeweiht.
Das Mu Xin Art Museum im chinesischen Wuzhen wird am 15. November mit einer Nietzsche-Ausstellung eingeweiht.
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Das 1909 von Benesch gezeichnete Nietzsche-Porträt wird wie weitere 28 Zeichnungen, Plastiken und Nietzsche-Erstausgaben ab 15. November in einer Ausstellung im chinesischen Wuzhen zu sehen sein.
Das 1909 von Benesch gezeichnete Nietzsche-Porträt wird wie weitere 28 Zeichnungen, Plastiken und Nietzsche-Erstausgaben ab 15. November in einer Ausstellung im chinesischen Wuzhen zu sehen sein.
Torsten Biel Lizenz